Kapitel 20 - Jacky Morais

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Der Winter war vorbei. Vito war nun 20 Jahre alt. Ich konnte es nicht glauben. Wir hatten eine riesige Familienfete veranstaltete und es war richtig lustig gewesen. Zwischen uns war wieder alles in Ordnung. Wir hatten sogar schon angefangen, übers Internet nach einer Wohnung zu suchen. Ich hatte mich an der Hanns Eisler Schule angemeldet und Vito hatte sich endgültig entschieden mitzukommen. Ich konnte ihm nicht sagen, wie dankbar ich ihm dafür war.

An Weihnachten hatte ich mich mit meinen Eltern ausgesprochen und es hatte uns allen gut getan, wie Chris gesagt hatte. Apropos Chris, er und Hannah waren jetzt halboffiziell ein Paar. Sie gestanden es sich noch nicht ganz ein, aber eigentlich waren sie zusammen. Es war süss und sie tat ihm wirklich gut. Sie war immer so fröhlich und aufgestellt. Das schlug auch auf seine Stimmung über. Er war glücklicher als zuvor, so schien es zumindest.

Auch Müri und Aiden waren noch immer zusammen und es schien auch wirklich etwas Dauerhaftes zu werden. Sie ergänzten sich einfach perfekt. Wir machten oft Dinge zu viert. Dalia und Vince hingegen hatten sich wieder getrennt, was irgendwie absehbar gewesen war. Er hatte jetzt eine andere und hing nicht mehr mit uns ab. Auch Dalia war nicht mehr oft mit uns zusammen. Stattdessen Paco, Luk und Steeven, natürlich mit Anhang, ausser Luk, der sein Singleleben in vollen Zügen ausschöpfte. Wir gingen an jedes ihrer Konzerte und feuerten sie lautstark an. Durch Vito mutierte ich langsam zu einem Rockfan. Anfangs hatte ich mich dagegen gewehrt, aber irgendwann hatte ich mir eingestehen müssen, dass es im Rockbereich doch ziemlich viele tolle Stücke gab. Umgekehrt war es aber genauso. Vito hörte sich nun oft mit mir klassische Werke an und ich hatte ihn sogar einmal zu einer Oper mitschleppen können. Er hatte sich zwar beklagt und gemeint, ihm sei der Hintern eingeschlafen, aber das Leuchten in seinen Augen hatte ihn verraten.

Unser Stück war nun fertig. Es war ein unglaublicher Moment gewesen, zu wissen, dass das, woran wir das ganze Jahr lang gearbeitet hatten, nun beendet war. Das Stück erzählte unsere Geschichte. Es beschreibt den Hass und die Abneigung, die Trauer und Verzweiflung Anfang des Schuljahres und dann beschreibt es die Wende, meinen Tod und schlussendlich die wunderschönen Momente, die Vito und ich zusammen verbracht hatten. Herr Widmer war absolut begeistert gewesen von unserer Arbeit und wir hatten einen glatten Sechser für die Komposition erhalten. Was ihr fehlte war ein passender Name. Notdürftig hatten wir es "Concerto für Gitarre und Oboe in A-Moll" genannt, aber das war nicht der endgültige Titel, das wussten wir beide. Wir wussten auch, dass der letzte Akkord des Concertos nicht wirklich der letzte Akkord war. Der letzte Akkord kam noch. Wir hatten beschlossen ihn kurz vor unserer Abreise niederzuschreiben. Ja, die Abreise. Sie rückte immer näher und es schnürte mir zwischendurch beinahe das Herz ab, dass ich Aiden, Müri und alle meine anderen Freunde verlassen musste. Aber zumindest würde Vito bei mir bleiben. Und in ein paar Jahren würden wir wieder zurück in die Schweiz ziehen. Sobald ich mein Diplom in der Tasche hatte, würden wir in unser Heimatland zurückkehren, das stand ausser Frage.

Müri und Aiden wollten zuerst ein halbes Jahr jobben und dann in der Welt herumreisen. Ich konnte es kaum glauben, dass Müri ihr Chemiestudium tatsächlich um ein ganzes Jahr nach hinten verschob. Das hätte sie früher nie getan, sie hätte nicht einmal im Entferntesten daran gedacht. Aber Aiden hatte ihre ganze Planung durcheinandergebracht. Und sie hatte mir gestanden, dass sie ganz froh darüber war. So würde sie zuerst die Welt erkunden, die sie dann später mit ihren neu entwickelten Medikamenten retten würde.

Das Kapitel Gymnasium war nun für uns alle abgeschlossen. Es war irgendwie kaum zu fassen. Die Zeit war einfach so an uns vorbeigerast. Nun kam ein weiteres Abenteuer. Und dieses Abenteuer hiess für mich Berlin.

Vito legte seine Hand auf meine und ich sah ihn an. Sein Blick war nach vorne gerichtet.

„Vielen Dank, dass ihr heute so zahlreich erschienen seid", begann Michael seine Rede. Ich lehnte mich an Vitos Schulter und lauschte Michael. „Ich komme mir uralt vor, wenn ich das sage, aber ich bin jetzt wirklich schon 20 Jahre mit der umwerfendsten Frau auf der ganzen Welt verheiratet. Wir haben bereits so viel zusammen erleben dürfen und wir sind unglaublich dankbar dafür. Ich möchte euch eine kurze Geschichte erzählen, die Geschichte, wie wir uns kennengelernt haben."

Bis zum letzten AkkordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt