(Gegenwart)
Es sind vier Jahre vergangen, seit ich meine Entscheidung getroffen habe. Ich studiere Musik in Bern und bin glücklich. Heute ist der Tag meines Abschlusskonzerts. Herr Petrow ist wirklich gekommen. Ich habe ihn vorhin gesehen. Aber wer nicht hier ist, ist Vito. Er ist mit seiner Band auf Tournee. Sie sind wirklich bekannt geworden in den letzten Jahren. Es ist ziemlich unglaublich. Sie haben einen Plattenvertrag und reisen in ganz Europa umher, um Konzerte zu geben. Deswegen kann er heute, an meinem wichtigsten Tag, auch nicht hier sein. Es tut weh, aber ich weiss, dass er seine Fans nicht enttäuschen kann. Ich habe eben einen Rockstar zum Freund. Bei diesem Gedanken muss ich lächeln. Die Oboistin und der Gitarrist von Dewasted. Viel seltsamer kann es eigentlich gar nicht sein. Und doch ist es wahr. Ich habe nie aufgehört ihn zu lieben. Niemals.
Etwas bedrückt sehe ich über die Menschenmenge. Wie sehr ich mir wünschen würde, dass er jetzt hier sein könnte. Wie sehr ich mir doch wünschen würde, in seine Arme zu fallen und mit ihm zu feiern. Aber er ist nicht hier. Er ist irgendwo in Deutschland auf einem Festival und spielt mit seiner Band. Ich habe ihn seit einem ganzen Monat nicht gesehen. Es ist kaum auszuhalten. Ich vermisse ihn so unglaublich fest. Jeden Morgen wache ich auf und taste automatisch nach seiner Hand. Wenn ich dann merke, dass er nicht da ist, gerate ich erst einmal in Panik, bis mir bewusst wird, dass er nur in Deutschland ist. Aber Deutschland reicht, damit er nicht hier sein kann.
„Noe, das war absolut fantastisch!", quietscht Müri und umarmt mich stürmisch. Sie ist extra gekommen, um mein Konzert besuchen zu können. Ich habe mein Bachelor Studium abgeschlossen. Mit Bravour. Heute habe ich im Berner Konzerthaus ein grosses Konzert gespielt. Es war wirklich unglaublich. Auch Chris und Hannah sind gekommen. Es hat mich riesig gefreut, als ich das erfahren habe.
Ich umarme meine Freundin. Sie strahlt mich an und deutet dann auf mein Kleid. „Vitos Kleid, was?"
Ich nicke nur und streiche über den Stoff. Beinahe spüre ich seine Hände auf meinen Hüften. Fast spüre ich, wie er seine Arme um meine Taille schlingt und mir einen Kuss in den Nacken drückt. Fast ist er bei mir. Aber eben leider nur fast.
„Gehen wir heute noch aus und feiern ein bisschen? Immerhin habe auch ich meinen Bachelor in Chemie geschafft. Das ist doch Grund zum Feiern", meint Müri. Ich lache und nicke. „Ich gehe nur schnell und hole meine Sachen. Bin gleich wieder bei dir." Mit diesen Worten ziehe ich mich in den Raum hinter der Bühne zurück, wo ich meine Sachen deponiert habe. Ich suche alles zusammen und will den Raum schon wieder verlassen, als etwas meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Mein Blick schweift zum grossen, schwarzen Flügel, der in der Mitte des Raumes steht. Ich kneife die Augen zusammen. Noten liegen dort. Gerade so, als ob jemand vor kurzem auf dem Instrument gespielt hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Noten nicht da waren, als ich vor dem Konzert das Zimmer verlassen habe. Jemand muss hier gewesen sein. Verwirrt sehe ich mich um, aber da ist natürlich niemand. Ich stelle meine Tasche noch einmal hin und setze mich auf den Klavierhocker. Mein Herz setzt einen Schlag aus, als ich die Noten genauer betrachte. Ich kenne sie. Es sind zwei Notenblätter, daneben klebt ein Zettel auf dem bloss ein Fragezeichen steht. Ich verstehe es nicht. Ich schaue mir die Noten genauer an. Das erste Notenblatt ist der Anfang zu Forever. Das zweite seine Hälfte unseres Stücks. Ich betrachte es sprachlos. Er hat dem Stück einen Namen gegeben. Together.
Ich spüre, wie mir Tränen in die Augen steigen, als ich die Nachricht endlich begreife. Es ist ein Satz. Nein, es ist mehr als das. Es ist eine Frage, ein Versprechen.
Forever Together ?
Ich sitze auf dem Klavierhocker und Tränen rinnen mir über die Wangen. Die Nachricht stammt von ihm. Sie stammt von Vito. Er ist hier. Ich schluchze leise und plötzlich spüre ich, wie mich von hinten jemand umarmt. Ich drehe mich um und blicke geradewegs in seine eisblauen Augen. Er lächelt mich an und zieht mich sanft hoch. Einen Moment lang stehen ich ihm total überwältigt gegenüber, dann falle ich ihm um den Hals und er drückt mich fest an sich. Ich spüre, wie auch ihm einzelne Tränen aus den Augen rinnen. Ich vergrabe mein Gesicht an seiner Brust und er streicht mir zärtlich über den Rücken.
„Ich habe dich so vermisst", flüstert er leise und drückt mir einen langen Kuss auf den Kopf. Als er sich schliesslich von mir löst, deutet er auf die Noten. Ich drehe mich kurz zurück zum Klavier und als ich mich wieder ihm zuwende, kniet er vor mir und hält mir etwas entgegen. Völlig verwirrt sehe ich das Ding in seiner Hand an. Es ist ein kunstvoll verziertes Rohretui. Was zum...?
„Mach es einfach auf", fordert er mich lächelnd auf. Mit zitternden Fingern greife ich danach und öffne das Kästchen. Beinahe hätte ich es fallen gelassen. Im Innern befinden sich nicht wie sonst Rohre. Nein, in diesem Rohretui befindet sich ein feiner Ring. Ich schlage mir die Hand vor den Mund und sehe Vito mit Tränen in den Augen an. Er schaut zu mir hoch. In seinem Blick liegt so viel Liebe, wie damals, als er mir gesagt hat, dass er sich in mich verliebt habe. Mein Herz vollführt einen Salto nach dem anderen, während ich noch immer weinend vor ihm stehe.
„Willst du für immer mit mir zusammen sein? Willst du mit mir alt und grau werden?", beginnt er irgendwann leise. Seine Stimme bebt vor lauter Emotionen. Er macht eine kurze Pause und sieht mir in die Augen. „Willst du meine Frau werden?", fragt er mich dann und ich weiss nicht, ob ich jemals in meinem Leben so etwas gefühlt habe. Mein ganzer Körper steht in Flammen, während mich sein liebevoller Blick einfach verschlingt.
„Ja", hauche ich, während meine Augen in Tränen schwimmen. Er steht auf und zieht mich in seine Arme. Ich presse mich an ihn, spüre seinen rasenden Herzschlag, seine Freudentränen an meiner Wange. Ich bin glücklich. Durch und durch. Wir sind wieder zusammen, mehr als das, wir sind verlobt.
Seine Finger zittern, als er mir den Ring ansteckt und mich dann küsst. Nie hätte ich mir so etwas zu träumen gewagt. Nie hätte ich gedacht, dass er hier auftauchen und mir einen Antrag machen würde. Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Und doch stehe ich hier, küsse die Liebe meines Lebens und habe einen Verlobungsring am Finger.
Das Leben spielt nicht so, wie man es erwartet. Es macht Umwege, führt einen zwischendurch in Sackgassen, lässt einen verzweifeln, leiden, und doch hat es irgendwo ein Ziel, das es verfolgt. Das Schicksal will einen an einem bestimmten Ort haben. Mich wollte es bei den Da Costas. Es wollte mich bei Chris und Vito. Und es hätte mich wirklich an keinen besseren Ort verschlagen können. Ich liebe diese beiden Menschen, jeden auf seine Art. Ich liebe diese Familie und nun werde ich wirklich ein Teil davon. Ich werde zu einer Da Costa. Ich werde nicht mehr Noemi Ivana Benkert sein, sondern nur noch Noe Da Costa. Und diese Tatsache macht mich unglaublich glücklich.
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Jetzt habe ich hier schon die zweite komplette Geschichte hochgeladen. Verrückt! :)
Ich hoffe, die Story von Noe und Vito hat euch gefallen und euch zwischendurch zum Nachdenken angeregt oder auch zum Schmunzeln gebracht! Dann wäre mein Ziel nämlich erreicht.Danke euch allen, dass ihr diese Geschichte gelesen habt und euch von mir in eine andere Welt habt entführen lassen!
Ein spezieller Dank geht hier an lilylou96, Kiwi2020 und StrangeRuby für eure zahlreichen Votes und die vielen lieben Kommentare, die mich immer mal wieder zum Schmunzeln gebracht haben und die mich motiviert haben, weiter zu schreiben, auch wenn ich zwischendurch am Verzweifeln war, weil sich Noe und Vito immer selbständig gemacht haben. (Liebe Figuren, ihr habt einen Ablauf an den ihr euch halten müsst!)Das war's von mir. Hoffentlich liest man sich mal wieder. Würde mich auf jeden Fall darüber freuen! :)
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Bis zum letzten Akkord
Teen FictionFortsetzung zu "Mein Lied für dich". Wenn Welten zerbrechen. Wenn man sich selbst zerstört. Wenn man alleine nicht mehr kann. Wenn man nicht mehr weiter weiss... Dann gibt es nur eins: sich zusammentun. Aber was, wenn die Person, die dir das Schicks...