Kapitel 12 - Ausgelöscht

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Mein Kopf fühlte sich tonnenschwer an. Die Watte fiel langsam von mir ab. Ich kam zurück in die Realität. Was tat ich noch hier?
Aus weiter Ferne hörte ich Stimmen. Sie sagten irgendwas. Die Wörter gaben für mich keinen Sinn. Mein Kopf pochte. Meine Brust stach. Ich liess mich wieder wegtreiben. Die Stimmen verstummten. Ich glitt zurück in einen traumlosen Schlaf.

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Als ich das nächste Mal zu mir kam, spürte ich, wie jemand meine Hand hielt, aber ich war zu schwach um die Augen aufzuschlagen und nachzusehen, wer neben mir sass.

„Sie muss endlich anfangen zu kämpfen", ertönte eine schwache Stimme. Aiden. Mir wurde warm ums Herz. Er war da. Ich war nicht mehr alleine. Er drückte sanft meine Hand. Er sass neben mir.

„Ich weiss nicht, ob sie das noch kann", gab eine andere, noch dünnere Stimme traurig zurück. Müri. Ich hatte sie noch nie so sprechen gehört. Eine unfassbare Angst nistete sich in meinem Körper ein.

Was war passiert?

Ich versuchte verzweifelt, die Augen zu öffnen, aber es ging nicht. Ich wollte schreien, aber es ging nicht. Ich konnte meinen Körper nicht bewegen. Er gehorchte mir nicht. Die Angst wuchs ins Unermessliche. Ich begann mich gegen den erdrückenden Zustand zu wehren, was es nur noch schlimmer machte. Regelrechte Panikattacken überkamen mich, als ich ihre Stimmen nicht mehr wahrnehmen konnte.

Was ging mit meinem Körper vor sich? Was war los?

Ich wollte gerade wieder versuchen zu schreien, als ich mit einem Schlag erneut weg war. Es war, als hätten sie mir den Stecker gezogen. Dunkelheit umhüllte mich. Ich spürte gar nichts mehr.

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„Wach auf", flüsterte mir jemand zu. „Hörst du, du musst zu dir kommen."

Die Stimme kam mir vage bekannt vor, aber es war weder Müri noch Aiden.

„Es ist nicht vorbei! Du lebst. Du lebst und du darfst nicht aufgeben, Noemi", redete die Person auf mich ein. „Ich lasse dich nicht gehen! Verstanden! Du wirst das überleben!"

Ich wollte dem Menschen sagen, dass ich nicht wusste, wie Überleben ging. Es grenzte schon an ein Wunder, dass ich überhaupt noch hier war, dass ich diese Worte überhaupt noch hören konnte. Ich wusste, ich war gestorben. Ich war dort auf dieser dunklen, nassen Strasse gestorben. Es konnte nichts anderes gewesen sein. Das war der Tod gewesen. Und doch war ich noch immer hier. Irgendjemand hatte mich zurückgeholt. Irgendjemand hat es mit dem Sensenmann aufgenommen und ihn niedergerungen. Irgendjemand hatte mich gerettet. Irgendjemand wollte, dass ich lebte. Irgendjemand wollte, dass ich blieb.

Ich war irgendjemandem wichtig.

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„Glaubst du, sie wird das schaffen?"

„Hör auf, Aiden. Ich will mir nicht vorstellen, was passiert, wenn sie es nicht tut."

„Ich mir auch nicht. Komm her."

Rascheln, dann leises Schluchzen. Jemand weinte.

Aidens ruhige Stimme. „Sie packt das schon."

Wieder schluchzte jemand.

„Sieh mich an, Muriel."

Stille.

„Sie packt das! Du darfst nicht daran zweifeln. Okay?"

„Okay."

Stille. Dann spürte ich, wie sich jemand zu mir beugte. „Wenn du stirbst, kriegst du es mit mir zu tun!", flüsterte jemand in mein Ohr. Es war Müri. Ich strengte mich an. Ich wollte ihr sagen, dass ich da war. Ich wollte, dass sie wusste, dass ich sie hörte. Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen machte.

Bis zum letzten AkkordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt