Kapitel 9 - Lauter Fehler

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Es war Samstag. Der zweite Samstag nach den grossen Sommerferien und schon stieg die erste Party. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust hinzugehen. Ich fühlte mich müde und am liebsten wäre ich einfach unter meine Bettdecke gekrochen und hätte geschlafen, aber um Punkt neun Uhr klingelte es oben an der Haustür, genau wie abgemacht. Ich stöhnte leise. Jemand öffnete meinen Freunden die Tür und kurze Zeit später hörte ich ihre Schritte auf der Treppe. Ich stand noch immer vor dem Kleiderschrank und wusste nicht, was ich anziehen sollte. Ich hatte nichts passendes.

Meine Zimmertür ging auf und Müri grinste mich an. Hinter ihr stand Aiden und winkte mir fröhlich zu. Ich liess mich auf mein Bett fallen.

„Was ziehe ich da an?", wollte ich von meiner besten Freundin wissen. Sie runzelte die Stirn.

„Willst du jemanden beeindrucken?"

Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte ganz sicher niemanden beeindrucken. Ich wusste auch niemanden, den ich beeindrucken sollte.

„Gut, Aiden komm her", befahl sie dann. Aiden machte ein fragendes Gesicht und trat zu Müri, die nun vor meinem Kleiderschrank stand. „Du bist ein Mann, was gefällt dir?"

Ich liess stöhnend den Kopf auf meine Matratze fallen. Was hatte sie an, ich will niemanden beeindrucken, nicht verstanden?

Aiden lachte auf. „Ist das dein Ernst?"

Ich drückte mich hoch, sah ihn an und schüttelte den Kopf. „Nein, ist es nicht", antwortete ich an Müris Stelle. Sie strafte mich deswegen mit einem bösen Blick.

„Natürlich ist das mein Ernst, was denkt ihr beiden denn!", empörte sie sich. Ich verdrehte die Augen.

„Du willst also wirklich mich, ein männliches, testosterongesteuertes Wesen fragen, was die kleine süsse Noe anziehen soll?" Aiden grinste frech. Das konnte nicht gut kommen.

Müri schien eine Sekunde zu überlegen. „Okay, nein, das ist keine gute Idee. Zudem kenne ich deine Antwort bereits."

Aiden lachte auf. „Kurz und eng", meinte er. Müri schlug ihm gegen den Hinterkopf und zitierte ihn aus dem Zimmer.

„Du wartest draussen", befahl sie ihm streng, bevor sie ihm die Zimmertür vor der Nase zumachte. Danach wendete sie sich wieder mir zu. „Also, steh auf und komm her."

Ich wusste, dass ich mich nicht gegen sie wehren konnte, also tat ich einfach, was sie sagte. Ich trat zu ihr und sie hielt mir eine kurze schwarze Hose und ein dunkelrotes Top hin. Beides hatte ich noch kaum einmal angehabt.

„Schlicht, aber hübsch", meinte sie und drückte mir die Kleider in die Hände. „Zieh dich um und dann bastle ich etwas aus deinen Haaren. So kannst du unmöglich mitkommen."

Da hatte sie vermutlich recht. Meine Haare standen mir wirr vom Kopf ab, weil ich eigentlich den ganzen Tag im Pyjama verbracht hatte und keine Lust gehabt hatte, sie zu bändigen.

Also zog ich mich um und Müri versuchte sich dann mit einer Frisur, die ihr aber misslang und sie schliesslich zur Kapitulation zwang.

„Wir lassen die Haare offen", entschied sie kurzentschlossen.

Als wir mein Zimmer endlich verliessen, atmete Aiden erleichtert auf.

„Das hat ja ewig gedauert!", beklagte er sich. Wir gingen nicht auf seinen Einwurf ein, sondern stolzierten an ihm vorbei zur Treppe. Er stöhnte hörbar, folgte uns aber.

Es war echt schwer in den Schuhen, zu denen Müri mich verdonnert hatte, die Treppe hochzusteigen. Meiner Meinung nach war der Absatz um 10 cm zu hoch. Ich hatte dieses Exemplar nur ein einziges Mal in meinem Leben getragen, und zwar an meiner Konfirmation und auch dort nur während der kirchlichen Zeremonie. Ich wusste, meine Füsse würden mich in ein paar Stunden umbringen, aber ich war in diesen Schuhen 10 cm grösser, was mir auch nicht schaden konnte.

Bis zum letzten AkkordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt