Kapitel 21 - Der letzte Akkord

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Das Klingeln eines Telefons riss mich aus meinen Träumen. Ich kniff die Augen zusammen und drehte mich murrend auf die andere Seite. Dann spürte ich, wie Vito aufstand, aber ich war zu müde, um mir gross Gedanken darüber zu machen. Ich hörte, wie er ins Nebenzimmer ging und das Telefon abnahm.

„Vito Da Costa", hörte ich ihn sagen. Lange war es still und ich war schon fast wieder eingeschlafen, als plötzlich etwas zu Boden fiel. Zwei Sekunden später riss Vito die Zimmertür auf und rüttelte mich an der Schulter.

„Steh auf, Noe!" Seine Stimme war panisch. Sofort war ich hellwach. Was war passiert? Ein Blick zum Wecker, der auf Vitos Nachttisch stand, reichte und mir wurde kotzübel vor Angst. Es war vier Uhr morgens.

„Komm schon!", schrie Vito. Seine Stimme überschlug sich beinahe. In seinen Augen lag pure Angst. Ich sprang aus dem Bett und in Windeseile hatte ich mich angezogen. Vito raste schon die Treppe nach unten.

„STEEVEN!", brüllte er in sein Handy. „Wach endlich auf, Alter! Kannst du uns abholen?"

Ich stand unter Schock am Fusse der Treppe. Meine Gedanken jagten nur so durch meinen Kopf.

„Was ist passiert?", fragte ich meinen Freund zittrig, als dieser aufgelegt hatte. Er strich sich völlig fertig übers Gesicht. „Dad hatte einen Unfall", antwortete er mir tonlos.

„Nein!", stiess ich hervor und schlug mir die Hände vor den Mund. „Sag mir, dass das nicht wahr ist!"

Vito kam zu mir und umschlang mich mit seinen Armen. „Doch, es ist wahr", krächzte er. Er klammerte sich an mich und ich spürte, wie ihm stille Tränen aus den Augen rannen. Sanft strich ich ihm über den Hinterkopf, während ich selbst versuchte, Ruhe zu bewahren. Wir durften nicht beide den Verstand verlieren.

„Wo ist er jetzt?", fragte ich meinen aufgelösten Freund möglichst ruhig.

„Im Inselspital", murmelte er an meinen Hals. Es tat mir im Herzen weh, ihn so sehen zu müssen. Ich wusste, wie stark die Bindung zwischen ihm und seinem Vater war. Ich wusste, dass Vito in ein tiefes Loch fallen würde, wenn Chris sterben sollte. Das wollte ich mir gar nicht erst ausmalen. Er durfte einfach nicht sterben.

„Holt uns Steeven ab?", fragte ich weiter, um meinen Gedankengang zu unterbrechen. Vito nickte. „Okay, setzt dich aufs Sofa, bis er hier ist", sagte ich leise und führte ihn ins Wohnzimmer, wo ich ihn auf der Couch platzierte, bevor ich mein Handy holte, um Michael und Bria zu informieren. Sie mussten es auch wissen. Ich wählte Michaels Nummer und hielt mir das Handy ans Ohr, während ich unruhig im Wohnzimmer auf und ab tigerte. Vito sass wie ein Häufchen Elend auf dem Sofa und stierte vor sich hin. Ich warf ihm einen traurigen Blick zu.

„Was ist passiert?", erklang auf einmal Michaels panische Stimme am anderen Ende der Leitung. Er wusste, dass ich ihn nicht wegen irgendwas morgens um sieben nach vier aus seinem Hotelbett klingelte. Er hatte schon begriffen, dass etwas ernstes passiert sein musste. „Noe, was ist los?", schrie er schon fast, als ich nicht sofort antwortete.

„Chris hatte einen Unfall. Sie haben ihn ins Inselspital eingeliefert", erklärte ich ihm mit belegter Stimme.

„Scheisse!", flüsterte Michael und ich konnte fast sehen, wie er sich verzweifelt die Haare raufte. „Was ist mit Vito?", fragte er nach einer Weile, in der wir einfach nur geschwiegen hatten. Ich drehte mich Vito zu. Er sass mit leerem Blick dort auf dem Sofa und rührte sich nicht.

„Es geht ihm nicht gut", antwortete ich leise und ging in die Küche, weil ich nicht wollte, dass Vito das mit anhören musste. Ich lehnte mich gegen die Ablage und legte meinen Kopf in den Nacken. Mit geschlossenen Augen stand ich da und lauschte Michaels Stimme.

Bis zum letzten AkkordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt