Prolog ~ BESCHENKTE

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TEIL I - VERSKLAVT


Es gehört meist mehr Mut dazu, einfach menschlich, statt heldenhaft heroisch zu sein.

Hermann Hesse



Ich habe meine Eltern verloren.

Mein Vater starb vor langer Zeit, es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, eine weit zurückliegende Erinnerung an ein Leben, bevor mich das Unglück heimsuchte.

Meine Mutter jedoch verlor ich schon viel früher, als sie sich von mir und meinem Dad abwandte und sich einen anderen Mann suchte. Jemanden, der ihr mehr zu bieten hatte, mehr Geld, mehr Sicherheit.

Als mein Vater in der Arbeit tödlich verunglückte, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ich wollte nicht zu Mum und ihrer neuen Familie, in der ich eindeutig nicht willkommen war, aber mir blieb keine andere Wahl, wenn ich nicht auf der Straße enden wollte.

Ich weiß nicht, ob sie mich hasst - ich glaube es nicht - aber sie will mich auch nicht in ihrer Nähe haben, weil ich Gefahr bedeute. Und nicht nur das: Ich bin nicht nur selbst eine Gefahr, ich ziehe sie auch an wie ein Magnet. Eigentlich entspricht es einer traurigen Ironie, dass ausgerechnet meine Mum mich dafür verurteilt, was ich bin, da doch sie der Grund dafür ist und wissen müsste, dass ich rein gar nichts dafür kann.


Lasst es mich so ausdrücken: Mein Leben ist kompliziert, mehr als es sich ein normaler Mensch vorstellen kann.

Ich muss mich verstecken, denn man darf nie herausfinden, wer oder was ich bin. Sollte es trotzdem jemand erkennen - keine Ahnung, was dann geschieht.

Es gibt noch andere wie mich, mit ähnlichen Problemen. Man nennt uns die ›Beschenkten‹, wir besitzen eine gewisse, außergewöhnliche Gabe, die von dem beschenkten Elternteil - in meinem Fall meine Mum- auf das erstgeborene Kind übergeht.


Seit jeher sind die beschenkten Familien untereinander verfeindet, sie liefern sich einen Konkurrenzkampf, obwohl es viel wichtigere Dinge gäbe, um die sie sich Sorgen machen müssten - die Oberschicht zum Beispiel.

Das wahre Übel liegt nämlich in der Monarchie, die versucht, alle Beschenkten ausfindig zu machen und zu eliminieren. Die Königsfamilie und deren überzeugte Anhänger haben Angst vor uns, weil sie wissen, sie können uns nicht kontrollieren, dazu sind einige von uns zu stark.

Ich bin vergleichsweise unbedeutend, was einer der Gründe ist, weshalb ich noch nicht gefunden und verschwunden oder getötet worden bin. Bei meiner Mutter ist das Gen nur sehr schwach ausgeprägt, und auch ich bin nicht sehr viel stärker, ich kann noch nicht einmal kontrollieren, wann und wie es geschieht.

Und dies ist das Gefährliche daran: Nur einen Moment der Unachtsamkeit, in dem ich unbewusst beobachtet werde und mein Leben ist verwirkt. Und das meiner Familie.

Ich glaube, das ist der Grund, weshalb meine Mum mich um jeden Preis loswerden will. Und ich kann es ihr noch nicht einmal verübeln.

✔A Servile CrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt