24. Kapitel

77 13 3
                                    

Als ich das erste Mal wieder volles Bewusstsein erlange, ohne dass mir Schmerzmittel den Verstand vernebeln, erkenne ich, dass ich länger das Bett gehütet habe, als ich zuerst angenommen habe.

Anstatt der vermuteten Stunden sind mehrere Tage vergangen und das Erste, was mir einfällt, ist, dass mein Bruder nun tatsächlich am Rande des Todes steht, wenn er nicht schon längst aufgegeben hat.

James. Es würde mir den letzten Rest meines Willens nehmen, auch noch ihn zu verlieren. Er ist der winzige Rest, der mir noch von meiner Familie geblieben ist. Weder Steve noch meine Mutter kann ich als Elternteil betrachten, und meine Halbschwester Liza hätte es schon immer lieber gesehen, mich in die Gosse zu schicken als bei sich daheim wohnen zu lassen.

Mein Halbbruder ist mittlerweile schon sechs Jahre alt, vor einigen Wochen hat er seinen Geburtstag gefeiert und ich habe es wirklich bedauert, ihm nicht einmal gratulieren zu können.

Stöhnend rolle ich mich aus dem Bett und will aufstehen, doch ein Bein knickt wir weg und ich stütze mich gerade noch mit dem Ellenbogen auf dem Bett ab.

»Mir scheint, als wolltest du doch noch einen Rekord aufstellen«, meint Marla, die ich erst jetzt bemerke.

»Was?«, will ich etwas verwirrt wissen.

»Wie oft du innerhalb kürzester Zeit hier auftauchst. Dieser Rekord scheint dir ja sehr wichtig zu sein und ich glaube, du liegst sehr weit vorne.«

»Ach so.« Ich streiche mir die Haarsträhnen aus dem Gesicht und denke bei diesem Anblick daran, dass ich als allererstes unter die Dusche muss, wenn ich aus dem Krankenhaus raus bin.

Marla seufzt. »Du kannst echt von Glück reden, dass dich diese Rettungsaktion nicht den Kopf gekostet hat.«

»Das habe ich schon mal gehört.«

»Weil es wahr ist. Aber du hast Ruby das Leben gerettet, und wie auch immer du das angestellt hast, ich finde, das war sehr mutig von dir.« Marla legt den Kopf schief und mustert mich mit einer Intensität, dass ich den Wunsch verspüre, mich in Luft aufzulösen.

»Danke«, erwidere ich und kaue betreten auf meiner Unterlippe. »Kann ich ... Kann ich gehen?«

Sie zieht eine Augenbraue hoch. »Fühlst du dich denn schon in der Verfassung dazu, zu gehen? Die Schwellung an deinem Knöchel ist noch nicht ganz zurückgegangen.«

Frustriert ziehe ich mich wieder auf die Matratze und seufze. »Ich weiß, aber ich kann nicht tatenlos hier herumsitzen, während ...« Abrupt stoppe ich, doch Marla nickt verständnisvoll.

»Ich will gar nicht wissen, was ihr beiden schon wieder ausheckt, aber so, wie Kaden kurz nach eurer letzten Unterhaltung davongerannt ist, scheint es etwas Wichtiges zu sein.« Sie schnalzt mit der Zunge. »Dass ihr euch nur nicht wieder in Schwierigkeiten bringt, ja?«

»Ja«, antworte ich.

»Na gut«, meint die Krankenschwester mit einem leicht verwunderten Kopfschütteln, »dann will ich dich mal nicht länger aufhalten.« Sie zieht den Vorhang beiseite und der Prinz kommt auf mich zu.

»Gute Besserung, Gwen. Und ich will dich hier so schnell nicht wieder sehen«, verabschiedet sich Marla.

Ich lächle und sehe ihr hinterher, wie sie geschäftig durch den Krankenhausflügel geht und Leute versorgt.

»Und du bist hier, um mich zum Wohnhaus zu begleiten?«, will ich wissen.

Er hebt mich hoch und lässt seinen Blick über meinen Körper wandern. »Nicht ganz«, meint er mit einem verhaltenen Grinsen und mir wird bewusst, dass der Krankenhauskittel nur sehr kurz und sehr durchscheinend ist.

✔A Servile CrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt