19. Kapitel

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KADEN

Kaden sitzt zur Rechten des Königs und verfolgt das Geschehen mit einer einstudierten Gleichgültigkeit. Sein Vater hat darauf bestanden, dass er bei dieser Hinrichtung an seiner Seite sitzen soll, da es ja immerhin dem Prinzen zu verdanken ist, dass der Verbrecher verurteilt wird.

In Wahrheit macht Kaden sich jedoch Gedanken um Gwen. Sie ist nicht zum Zeitpunkt des Treffens aufgekreuzt und als er vorhin im Krankenhaus war, hat Marla gesagt, Gwen wäre früh genug aufgebrochen, um zum korrekten Zeitpunkt einzutreffen und hätte auch den Brief erhalten. Irgendwie wird er das Gefühl nicht los, dass sie ihm aus einem bestimmten Grund aus dem Weg geht.

Der Verurteilte hat seinen Platz auf dem Podest eingenommen, ihm gegenüber steht auf einem anderen Podest der Richter, der das endgültige Todesurteil verkünden wird. Dieser verliest die Anklage und sieht kurz zu uns herauf, um sich die Einverständniserklärung des Königs einzuholen, und verkündet mit dreimaligem Klopfen seines kleinen Richterhammers laut: »Hiermit wird Castor Hennings zum Tode durch den Strick verurteilt.« Damit verlässt der Beamte die Erhöhung und reiht sich neben einigen anderen Menschen ein.

Alle Blicke liegen nun auf dem Verurteilten, dessen Hände mit einem dicken, rauen Seil gefesselt sind. Hennings Kopf ist gesenkt, vielleicht aus Kraftlosigkeit, vielleicht aufgrund der Demütigung, vielleicht sogar, dass niemand die Angst in seinem Gesicht lesen kann.

Der Henker legt Hennings den Strick um den Hals und zieht die Schlaufe zu. Nur noch eine kleine Falltür und die Betätigung eines Hebels liegen zwischen ihm und dem Tod, und das scheint der Mann schnell zu begreifen, denn nun zeichnen sich Tränen auf seiner Haut ab.

Stille ist eingekehrt und scheint alles zu verschlucken. Es ist keine angenehme, friedliche Stille, sondern eine dunkle, verzehrende und böse, unheilverkündende Ruhe, die sich über den Platz legt wie undurchdringlicher Nebel, der einen denken lässt, man bekäme keine Luft mehr.

»Noch ein letzter Wunsch?«, fragt der König neben Kaden und veranlasst Castor dazu, aufzublicken, direkt in die Augen des Prinzen. Eine unendliche Leere liegt in diesem Blick und kurz schnürt es dem Prinzen die Luft ab, doch dann wendet der Verurteilte den Kopf ab und sieht in die Menge.

Kaden bemerkt die Veränderung in Castor sofort, er sieht sogar aus dieser Entfernung, wie der Mann sich versteift und sein Blick sich auf etwas oder jemanden fixiert.

Der Prinz folgt dem Blick und ihm stockt der Atem. Ganz vorne in der ersten Reihe ist eine Gestalt zu Boden gesunken und starrt Castor schockiert an. Instinktiv weiß Kaden, dass es sich um Gwen handelt, und er will aufspringen, doch dann besinnt er sich.

»Ja, mein König«, sagt Castor mit erstaunlich fester Stimme, »ich hätte einen letzten Wunsch. Ich hätte gerne den Segen der jungen Frau, die mich wissentlich in die Hölle schickt.« Er sagt es mit so furchteinflößender Stimme, dass sich alles in Kaden bei dem Gedanken daran zusammenzieht, dass Gwen ihm auch nur einen Schritt näherkommt, als sie sowieso schon an ihm dran ist.

»Abgelehnt!«, ruft der Prinz schnell, bevor der König etwas erwidern kann, und atmet tief durch, als er den Blick seines Vaters auf sich spürt. Leise fügt er hinzu: »Du hast doch gehört, weshalb er hingerichtet wird.«

Schließlich nickt der König und gibt das Zeichen. Mit einem Schrei stürzt Castor bis zur Taille durch die Falltür, sein Oberkörper pendelt hin und her. Scheinbar ist sein Genick nicht gebrochen, und so schnappt er noch verzweifelt nach Luft, während sich die Zuschauer an den paar Extrasekunden der Vorstellung erfreuen.

Kadens Blick schweift wieder zu Gwen, die sich die Hände vor den Mund geschlagen hat und jetzt auf dem Boden kniet, ihren Blick immer noch auf Castor gerichtet, der langsam blau im Gesicht anläuft.

✔A Servile CrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt