18. Kapitel

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Da meine Kleidung nach Seewasser und Schweiß stinkt, nehme ich die Qual auf mich und schleppe ich mich die unzähligen steilen Stufen hinauf, um zu duschen und mir neues Zeug zum Anziehen zu besorgen.

Eine halbe Stunde später stehe ich in meinem Zimmer, bereit, wieder als Architektin zu fungieren. Ich sehe auf die Uhr, die eine viertel Stunde vor zehn Uhr anzeigt, und bin augenblicklich sauer auf mich, weil ich kurz an Kaden und seine blöde Nachricht denke.

Was fällt ihm eigentlich ein? Als erstes lässt er mich beinahe absaufen und dann bildet er sich auch noch ein, mich herumkommandieren zu können?

Ich weiß, er ist der Prinz, und ich weiß, ich sollte mich bedeckt halten und einfach versuchen, nicht aufzufallen. Auf jeden Fall sollte ich die Befehle befolgen, die andere mir geben, aber alles in mir sträubt sich dagegen, mich mit Kaden zu treffen, und dann auch noch ausgerechnet am See!

Nein, sage ich mir, ich habe schon eine ganze Menge Regeln gebrochen, wenn ich mich recht entsinne, und bis jetzt ist nichts Schlimmeres geschehen als eine Nacht – wenn auch zugegeben eine sehr unangenehme Nacht – in einer kalten Zelle, und als einzige Gesellschaft einen betrunkenen Meister Ashan.

»Vergiss es, ich geh da sicher nicht hin«, sage ich und räume damit die restlichen Zweifel aus, ob ich nicht vielleicht doch zu diesem Treffen gehen sollte.

Seufzend lasse ich die Schultern hängen und mein Blick fällt auf mein Spiegelbild. Mein Gesicht ist bleicher als ein Laken und drei lange Linien ziehen sich quer über meine linke Wange. Ich trete einige Schritte näher und erkenne, dass es eindeutig Fingernägel gewesen sind, die diese Kratzer verursacht haben müssen. Wahrscheinlich habe ich mich in meiner Panik selbst verletzt, als ich im Wasser hilflos herumgetrampelt bin.

Obwohl ich weiß, dass ich heute nicht gerade eine Augenweide bin, verlasse ich den Raum, weil es mir gleichgültig ist, was andere denken. Die sind gestern ja auch nicht beinahe in einem See ertrunken.

Auf dem Weg nach unten kommt mir eine Person entgegen und ich bleibe erstarrt stehen, als ich Wenka erkenne. Zischend stoße ich die Luft durch zusammengebissene Zähne aus und starre sie an. Mir scheint es, als würde sie extra den Weg mit mir kreuzen.

»Hast du auf einmal keine Arbeit mehr?«, frage ich schnippisch und will an ihr vorbei, doch sie verstellt mir den Weg und ihre massigen Muskeln machen es mir unmöglich, da noch einen Schlupfwinkel zu finden.

Wenka reagiert nicht auf meine fies gemeinte Bemerkung, sondern mustert mich nur von oben bis unten und fast meine ich so etwas Besorgnis in ihrem Blick gesehen zu haben. »Hab gehört, was gestern geschehen ist.«

»Was soll denn geschehen sein?«, unterbreche ich sie unwirsch und sehe demonstrativ über ihre Schulter, um ihr zu bedeuten, dass sie mir gefälligst aus dem Weg gehen soll – was sie nicht tut.

»Na ja, du bist in den See gegangen und aus versehen zu weit in die Mitte gekommen, ausgerutscht und beinahe ertrunken. Wäre der Prinz nicht zufällig vorbeigekom...«, erklärt sie mir, stoppt dann aber und zuckt die Schultern. »Du weißt es ja sowieso. Was ich dich eigentlich fragen wollte: Geht es dir gut?«

Eines muss man Kaden lassen: er kann echt gute Lügenmärchen erfinden. »Klar geht es mir gut«, fauche ich, »meine Kehle brennt nur, als hätte ich Säure getrunken und danach eine Zitrone probiert, ich habe kaum Schlaf bekommen in den letzten achtundvierzig Stunden, und zusätzlich versperrt mir ein riesiges, petzendes Mädchen den Weg nach unten, sodass ich nicht zu Meisterin Meran kann, um meine Arbeit zu erledigen. Aber sonst ist die Woche wirklich grandios verlaufen. Noch irgendwelche Fragen?«

Endlich weicht Wenka zurück und ich gehe an ihr vorbei, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen. Ich bin zu müde, um fröhlich zu sein, ich bin zu müde, um höflich zu sein, ich bin zu müde, um mich wenigstens anzustrengen und so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung.

✔A Servile CrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt