5. Kapitel

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Konzentriert kerbe ich immer wieder eine kleine Schicht Holz aus der kleinen Tür eines Schränkchens. Langsam nimmt das Muster Form an und lässt sich erkennen.

Zufrieden streiche ich etwas Späne beiseite und arbeite weiter, mein Werkzeug liegt nach den langen Stunden, die ich schon damit gearbeitet habe, leicht in meiner schwieligen Hand.

Meister Kant, Führer der königlichen Schreinerei, geht durch die Reihen und prüft die Arbeiten der Sklaven und Bediensteten. Er steuert direkt auf mich zu und schnell senke ich meinen Blick wieder auf die Tür, um keinen Ärger zu bekommen, weil ich mein Schnitzen für einen Moment unterbrochen habe.

Als er neben mir steht, nehme ich die Hand vom Holz, um ihm einen besseren Blick auf meine Arbeit zu verschaffen, sehe ihm jedoch nicht direkt in die Augen. Leute hassen es, von Sklaven direkt angesehen zu werden, daher habe ich mir angewöhnt, nie direkten Blickkontakt herzustellen.

»Weitermachen«, fordert er mich nach einer Weile barsch auf und sofort mache ich mich wieder ans Werk. Meister Kant ist ein kleiner, untersetzter Mann mit Augen, die in seinem runden Gesicht zu klein wirken, der Kopf auf dem Körper jedoch zu groß zu sein scheint, und er verteilt Lob nur äußerst sparsam, daher bedeutet es schon viel, wenn man keinen Ärger bekommt. Mit einem Lächeln auf den Lippen kerbe ich weiter in das Holz ein und vertiefe das Muster, schleife mit einem Schleifpapier die Kanten stumpf und puste immer wieder den feinen Holzstaub weg.

Als die Tür zur Schreinerei aufgerissen wird, schrecke ich zusammen und gleite ab. Mein erster Gedanke gilt meiner Arbeit und ich erkenne zutiefst erleichtert, dass die Tür keinen Schaden angenommen hat, doch dann spüre ich auf einmal den Schmerz.

Ich beiße mir auf die Zunge, aber der Aufschrei dringt trotzdem durch den halben Raum. Sofort versiegle ich die Lippen, doch alle Blicke sind schon auf mich gerichtet. Meine Finger umschließen den Griff des scharfen Werkzeuges, das tief in meinem Unterarm steckt, und ziehen es mit einem Ruck heraus.

»Nicht!«, höre ich noch jemanden rufen, doch da habe ich das Werkzeug schon in meiner Hand. Sofort verstärkt sich der Blutfluss und erschrocken lege ich eine Hand darüber, um nicht alles mit meinem Blut zu besudeln.

Knurrend kommt der Meister auf mich zu und packt mich am unverletzten Arm, dann zerrt er mich aus der Schreinerei. Wir kommen an der Person vorbei, die die Tür so heftig aufgerissen hat, und Kant bedeutet dem Jungen, der sich als Lays entpuppt, uns zu folgen.

Kurz schließe ich die Augen, um das Schwindelgefühl loszuwerden, dann folge ich mit zusammengepressten Lippen dem Meister und lasse mir die Schmerzen nicht anmerken. Erschrocken bemerke ich, wie das Blut unglaublich schnell zwischen meinen Fingern hindurch sickert, und bald liegt hinter mir eine Spur aus Blutstropfen zurück.

»Du hättest die Klinge nicht herausziehen dürfen!«, maßregelt mich der Schreinermeister und schüttelt den Kopf. »Das hätte die Blutung aufgehalten. Aber jetzt ist es sowieso zu spät.« Seufzend marschiert er weiter und wendet sich an Lays. »Warum bist du hier?«

»Meister Ashan schickt mich, um Gwendolyn an ihren neuen Arbeitsplatz zu begleiten«, erklärt Lays und wirft mir einen kurzen Blick zu.

»So?«, fragt Kant und runzelt die Stirn. »Aber sie ist doch erst seit wenigen Wochen hier angekommen. Warum wechselt sie so schnell?«

Lays lupft eine Augenbraue, als er den Widerwillen des Meisters bemerkt, geht jedoch nicht weiter darauf ein. »Die Beweggründe erläutert mir Meister Ashan nicht, ich weiß nur, dass ich Gwendolyn zu den Architekten bringen soll.«

Bei dem Wort ›Architekten‹ hebe ich schnell den Kopf und Hoffnung erfüllt mich. Möglicherweise hat Ashan mir endlich verziehen und kapiert, dass ich als Architektin am besten dienen kann, weil ich durch meinen Vater, der hier als Architekt gearbeitet hat, schon einiges gelernt habe.

✔A Servile CrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt