4. Kapitel

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Wenka verschwendet nur einen Blick auf mich, dann hilft sie mir hoch, wobei ich ein Wimmern ausstoße, als sie meine von zu viel Sonne gerötete Haut mit ihren Fingern berührt, doch sie zerrt mich aus dem Zimmer und in das gegenüberliegende Waschzimmer.

Ohne ein Wort verlässt sie mich, und ich drehe den Schlüssel um.

Mit verzerrter Miene streife ich das Kleid ab und betrachte mich im kleinen Spiegel, der an der Wand hängt. Man sieht deutlich, wo die Sonne mich erwischt hat und auf welcher Schulter ich andauernd die Balken getragen habe.

Zwar habe ich nur die leichten Dinge getragen, dafür hat Ben gesorgt, wofür ich ihm überaus dankbar bin, aber es macht sich bemerkbar, dass ich etwas in dieser Richtung nie zuvor getan habe.

Als ich mit einer Hand über die in Mitleidenschaft gezogene Schulter streiche, zische ich laut. Einige Holzschiefer haben sich tief in meine Haut gegraben und senden Schmerzen durch meinen ganzen Arm.

Bevor ich den Mut verliere und vor den Schmerzen zurückschrecke, greife ich nach der Pinzette und ziehe die dicken Holzstückchen eins nach dem anderen heraus, dann lasse ich sie ins Waschbecken fallen und spüle sie zusammen mit dem Blut weg.

Erst danach streife ich meine restlichen Sachen ab und steige unter die Dusche. Es macht mir nicht einmal etwas aus, dass es nur kaltes Wasser gibt, ich genieße einfach das Gefühl der Frische und wie der Schweiß, das Blut und der Dreck von meiner Haut gewaschen wird.

Seufzend lege ich den Kopf in den Nacken und lasse das Wasser ungehindert auf mein Gesicht fallen. Nach den vergangenen Stunden fühlt sich das kalte Nass auf meinem Körper an wie der Himmel auf Erden.


Meister Ashan lässt mich über eine Woche lang dafür büßen, dass ich ihm widersprochen habe, indem er mich bei den Trägern lässt, erst dann erbarmt er sich meiner und versetzt mich zu den Malern, die gerade dabei sind, eines der Häuser nicht weit vom Palast neu zu streichen.

Zwar ist diese Arbeit nur wenig einfacher, aber zumindest macht sie mir Spaß. Je besser ich meinen Aufträgen nachkomme, desto schneller arbeite ich mich hoch – und das nicht nur auf die Hierarchie bezogen. Der beste Platz eines Malers ist der ganz oben auf der Leiter, da diese Personen nur noch die Kleinigkeiten machen müssen und mit einem feinen Pinsel die Wandabschnitte streichen, die direkt an die Holzbalken des Dachfirsts angrenzen. Die meiste Zeit sitzt man nur herum und quatscht mit anderen.

Mein Ehrgeiz wächst, je länger ich den vereinzelten Leuten dabei zusehe, wie sie oben auf der Leiter arbeiten. Jeden Tag habe ich Angst, ich würde vor Müdigkeit zusammenbrechen, und jedes Mal erweist sich die Treppe als mein ärgster Feind, aber langsam bemerke ich einige Veränderungen an mir.

Muskeln bilden sich an meinen Armen und Beinen, ich sehe durch die regelmäßigen, einigermaßen sättigenden Mahlzeiten nicht mehr abgemagert aus, mein Körper wird straffer und sehniger.

Habe ich mich in den ersten Nächten noch in den Schlaf geweint, so fehlt mir dazu jetzt die Kraft, jede Sekunde, die ich geschlafen habe, macht sich am nächsten Morgen bemerkbar, wenn ich mich für den Tag fertigmachen muss, indem ich mich ausgeschlafen fühle – oder eben auch nicht.

Ich habe gelernt, den Mund zu halten, wenn man mich nicht zum Sprechen auffordert, und ich habe gelernt, dass ich Beleidigungen an mir abprallen lassen kann, statt mich darüber aufzuregen oder auf die betreffende Person loszugehen.

Ja, ich habe viel gelernt, aber noch lange nicht alles.


Shalta drückt mir einen kleinen Eimer mit einem dünnen Pinsel in die Hand und ich blicke überrascht auf. Ich habe nicht damit gerechnet, schon so schnell an die Spitze der Leiter zu dürfen, daher blinzle ich die Meisterin irritiert an.

✔A Servile CrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt