9. Kapitel

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Ich schwebe im Nichts, gefangen in alles verschluckender Dunkelheit, in die ich mich geflüchtet habe, um dem Alptraum in der Wirklichkeit zu entkommen. Aber nun schwebe ich zwischen Jetzt und Nie, zwischen Überall und Nirgends.

Und auf einmal verspüre ich den dringenden Wunsch, wieder zurückzukehren, egal, welche Schrecken mich erwarten, wenn ich wieder aufwache. Noch viel schlimmer ist es, für alle Zeiten in diesem unendlichen Nichts gefangen zu sein.

Aber ich kann mich nicht freikämpfen, ich habe keinen Anhaltspunkt, der mich leiten könnte, der mir den richten Weg zeigt, damit ich zurück in die Realität finde.

Panik durchflutet mich und verhindert jeden rationalen Gedanken, aber dann ist da auf einmal eine Stimme, die mich lockt und leitet und ich spüre, wie ich langsam die Dunkelheit hinter mir lasse. Das Gefühl der Schwerelosigkeit verschwindet und ich spüre wieder meinen Körper.

Noch halte ich die Augen geschlossen, in der Hoffnung, die Wahrheit noch ein wenig hinauszuzögern, aber trotz allem beginne ich zu weinen, zuerst leise, dann stärker.

»Schon gut«, sagt eine tiefe, männliche Stimme und ich schlage alarmiert die Augen auf. Instinktiv fahre ich auf und stehe auf den Beinen, noch bevor ich richtig verarbeitet habe, was los ist.

Gehetzt sehe ich mich um und mein Blick bleibt an der Person hängen, die zu mir gesprochen hat. »Du bist nicht Castor«, stelle ich schließlich fest und vergesse alle Regeln der Höflichkeit, während ich den Mann vor mir anblinzle, die abwehrende Haltung jedoch beibehalte.

»Nein, das bin ich nicht«, bestätigt er und sieht mich aufmerksam an, sodass ich mich bald wie ein Wurm auf einem Objektträger unter einem Mikroskop fühle.

Auf einmal fällt mir wieder ein, dass mein Gesicht Tränen überströmt sein muss, und ich wische mir schnell mit dem Arm über die Wangen.

»Was ist passiert?«, frage ich und versuche, meine Stimme fest klingen zu lassen, obwohl sich in meinem Inneren etwas gänzlich anderes abspielt. Am liebsten hätte ich mich ganz klein gemacht, irgendwo in einem Erdloch zusammengerollt und geweint, bis ich vor Erschöpfung eingeschlafen wäre.

Eine Weile erwidert der Fremde nichts darauf, sondern starrt mich nur an, dann dreht er den Kopf und ich sehe seine verkrampften Kiefermuskeln.

»Was ist geschehen?«, wiederhole ich meine Frage mit Nachdruck und sehe ihn herausfordernd an.

Er dreht den Kopf wieder und beobachtet mich direkt und ohne Scheu.


** *

KADEN

Er kann es kaum glauben, als sie abrupt aufspringt und einige Meter weiter eine Abwehrposition einnimmt. Das Mädchen wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und brennt mit ihrem Blick ein Loch in seine Stirn.

Etwas Kämpferisches blitzt in ihren Augen auf, als sie ihn fragt, was geschehen sei. Zuerst wendet Kaden den Blick ab, weil er aus irgendeinem Grund kaum aussprechen kann, was mit ihr geschehen ist oder beinahe passiert wäre, aber als sie ihn herausfordernd mustert, sieht er ihr direkt in die Augen und erblickt trotz ihrer Stärke etwas Verletzliches darin.

Er legt den Kopf schief und mustert sie. Ihr T-Shirt ist immer noch ein wenig hochgerutscht und entblößt einen kleinen Teil ihrer Haut. Als sie seinen Blick bemerkt, sieht sie an sich herunter und zieht schnell das Oberteil wieder glatt.

»Bekommen, was du wolltest?«, zischt sie voller Verachtung und für einen kurzen Augenblick verliert er die Fassung. Er kann kaum glauben, dass sie jetzt so selbstbewusst vor ihm steht, als wäre nichts geschehen. Andere wären an ihrer Stelle hemmungslos in Tränen ausgebrochen.

✔A Servile CrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt