Schuld - Kapitel 11

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Inhalt könnte für einige als Trigger wirken. 

Vincent legte den Kopf schief und kratzte sich am Kopf. „Okay, aber wenn du da runter springst, wie kannst du dir da sicher sein, dass das Seil nicht reißt?"

„Kannst du nie sein. Es gibt genug Videos, in denen Leute runter springen und deren Bungeeseil reißt oder es ist nicht richtig befestigt ist", gab ich mit einem Grinsen zurück. „Aber wo bleibt da dann der Nervenkitzel?"

„Ich könnte auch gut ohne den Nervenkitzel leben", murmelte Vince und schüttelte den Kopf.

„Aber auch nur, weil du ein Angsthase bist." Ich grinste, als er mir die Zunge raus streckte. Mit einem Seufzen ließ er sich auf sein Bett zurückfallen. Wir hingen bei ihm ab. Das taten wir seit ungefähr drei Wochen, seit wir nachts dieses Telefonat hatten.

Vincent lockerte unglaublich auf und ich lernte ihn von einer ganz neuen Seite kennen. Er war richtig liebenswert, witzig und manchmal auch ein bisschen albern. Zum Beispiel hatten wir ganz normal in seinem Zimmer gesessen und uns einen Film angeschaut, als er plötzlich laut „Buh" in mein Ohr rief und sich danach kaputt lachte, weil er mich erschreckt hatte. Und genau darauf ritt er jetzt herum.

„Du bist selbst ein Angsthase und willst dich von einer Brücke schmeißen, befestigt an einem Gummiband."

„Elastisches Seil..", verbesserte ich ihn, aber er schien nicht zu lachen. Er schien plötzlich etwas ernster.

„Alles okay?", fragte ich und setzte mich etwas auf, um ihn besser sehen zu können. Ich saß auf dem Boden, angelehnt an einen Haufen Kissen in der Ecke des Raumes. Er nannte es sein „Sofa" und so bequem wie eines war es auch. Nur eben auf dem Boden.

„Was, wenn das Seil wirklich reißt?", fragte er, wieder seufzend.

„Hast du etwa Angst, dass ich draufgehen könnte?", fragte ich. Er setzte sich wieder auf und zuckte mit den Schultern.

„Schön wäre es nicht, oder?", meinte er und seufzte. Ich musste lächeln, denn das war auch eine neue Seite, die ich an ihm kennenlernen durfte. Die mit den kindlichen Ängsten. Freunde und Familie verlieren wäre für ihn vermutlich das schlimmste auf der Welt. Außerdem durfte ich erfahren, dass er Paprika nicht mochte und das, obwohl er sie noch nie gegessen hatte. Er war auf eine Art und Weise schon durchgeknallt. Aber in einer guten und liebenswerten Art.

„Nein, schön wäre es nicht. Aber egal. Ich habe eh nicht das Geld dazu." Ich lächelte leicht aufmunternd, was er erwiderte. Wir schwiegen einige Momente. Das war auch in Ordnung und etwas, was wir häufig machten. Es schien uns beiden ganz gut zu tun, für uns selbst zu sein, wenn wir aber nicht allein sein konnten und wollten.

„Sag mal...", fing Vincent an, schien dann aber zu stocken. Ich ließ ihn zunächst nachdenken und er sah auch so als, als würde er seine Worte weise wählen wollen. Es dauerte lange und ich ließ ihm auch die Zeit. Als er dann schließlich sprach, war es eher leise und unsicher, als laut und bedacht. Aber das störte mich nicht.

„Hat dich der Typ von letztens noch mal belästigt?"

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, er hat seltsamerweise sein Versprechen gehalten und lässt mich in Ruhe. Hoffe ich zumindest."

Vincent ließ ein Seufzen raus und lächelte. Ich lächelte zurück und lehnte mich wieder zurück.

„Das ist gut."

Ich nickte, zustimmend. Seine Besorgnis um mich war schon fast süß. Mir zeigte es, dass ich ein Level in der Freundschaft erreicht hatte, in dem er auch zurück gibt und nicht nur nimmt.

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