Alles, was danach geschah, passierte ziemlich schnell.
Ich konnte erst alles verarbeiten, als ich vorn übergebeugt im Krankenhaus saß und darauf wartete, dass sie Vincent untersuchten. Mama saß neben mir und strich mir über den Rücken, während wir auf die Ärzte warteten. Gleichzeitig warteten wie auf seine Mutter, die Papa direkt angerufen hatte, als Mama und er sich ins Auto setzten und dem Krankenwagen hinterherfuhren.
Aber erst mal von vorn.
Papa stand an der Tür und wartete dort auf den Rettungsdienst, der auch ziemlich bald kam. Sie gaben ihm nichts, nachdem ich ihnen sagte, dass es eine Panikattacke sei. Das was sie taten war, eine Atemmaske auf über sein Gesicht zu legen, damit sie sich normalisieren würde. Und ich hätte beinahe vor Vorfreude aufheulen können, als er wieder völlig normal, wenn auch sehr erschöpft weiteratmete. Als Vince wieder bei sich war, krallte er sich an mir fest und ließ mich nicht los. Er weinte nicht mehr, sondern schien irgendwie weggetreten. Dennoch schien es so, als sei ich ein Rettungsring, der ihn vielleicht irgendwann in Sicherheit bringen würde, ihn wirklich retten würde.
Die Rettungskräfte sagten, dass sie Vincent gern ins Krankenhaus bringen würden, wo er durchgecheckt werden würde, ob nicht doch andere Dinge für das Ganze verantwortlich waren. Sie erläuterten es nicht weiter, sondern führten Vince und mich in den Rettungswagen. Es ging nicht anders, da er sich immernoch krampfhaft an mir festhielt.
Und im Krankenhaus dann, musste ich ihn loslassen. Ich versprach ihn mit Sicherheit um die dreitausend Mal, dass ich auf jeden Fall auf ihn warten würde. Seien wir mal ehrlich, ich würde für den Rest meines Lebens auf ihn warten. Diese Nacht hat mir erst einmal gezeigt, was Vincent mir wirklich bedeutete. Nur fühlte ich mich dabei ganz und gar nicht gut. Ich war mir noch nie in meinem Leben meiner Gefühle so bewusst. Aber warum musste es ausgerechnet in so einer Situation passieren?
Ich malte mir aus, wie alles gewesen wäre, wenn Steve sich nicht umgebracht hätte. Vielleicht wären wir beide ganz gute Freunde geworden. Ich hätte Vincent von weitem beobachtet und ihn für einen einfachen sexy Adonis mit grausigen Freunden gehalten. Und es wäre so vieles einfacher und besser gewesen. Ich hätte sogar Mobbingattacken in Kauf genommen, solange es Vincent nur gut ging. Ich wollte es zu dringend und die Tatsache, dass es nicht so war, ließ mich verzweifeln.
Ich atmete tief durch.
„Theo, es wird alles wieder gut. Jetzt können sie versuchen ihm zu helfen", sagte Mama immer wieder. Papa war in der Zwischenzeit auf der Suche nach einem Kaffeeautomaten. Das war sein Elixier, wenn er gestresst war. Dass beide hier mit mir waren, bedeutete mir sehr viel. Ich wüsste nicht, was ich ohne sie tun würde. Schon allein die Tatsache, dass sie für meinen Freund hier waren und damit gleichzeitig für mich, war mir ein Zeichen, wie sehr sie mich liebten. Und Vincents Eltern?
Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie sie reagierten, als mein Papa, ein für sie fremder Mann, angerufen hatte und ihnen sagen musste, dass ihr Sohn ins Krankenhaus kam. Es war schon fast ekelhaft zutreffend, wie viel Sorgen sie sich gemacht hatten, als ich nachfragte, ob Vince bei mir schlafen konnte.
„THEO!", hörte ich im sehr stillen Gang der Notaufnahme. Ich blickte auf und sah Vincents Mutter und seinen Vater auf mich zurasen. „Wo ist er? Was ist passiert?", fragte sein Vater und hockte sich vor mich. Seine Mutter setzte sich neben mich und beide schauten sie mich panisch und erwartungsvoll an.
Das brach mich vollständig. Ich fing hemmungslos an zu weinen und konnte mich selbst nur schwer beruhigen. Erst, als jeweils links und rechts Arme um mich geschlungen wurden, konnte ich mich zumindest soweit beruhigen, dass ich einigermaßen erklären konnte, was los war.
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Schuld
Teen FictionTheo Theodor musste die Schule wechseln. Auf seiner alten Schule hatte er es gelinde gesagt nicht einfach. Nun hofft er, dass auf seiner neuen Schule alles besser wird. Doch die dunkle und niederschlagende Atmosphäre macht ihn stutzig. Genauso stutz...