Schuld - Kapitel 16

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„Ich verstehe nur nicht, warum ich das Projekt mit ihm zusammen machen muss. Sonst wurden wir auch nie dazu gezwungen." Felicia nahm einen Löffel Eis in den Mund und schnaufte. Ihre Laune hatte den Tiefpunkt erreicht. Grund dafür war eine Projektarbeit in Biologie, in der sie einen Partner zugeteilt bekommen hat, so wie jeder andere in dem Kurs auch. Nur hatte sie das Vergnügen das mit Vincent zusammen zu machen. Tom und Felicia redeten nicht mehr viel über Vincent. Sie ignorierten ihn viel mehr und beachteten ihn nicht. Jetzt, wo Felicia allerdings dazu gezwungen war mit ihm zusammen zu arbeiten, ging die Hetzjagd wieder los und das gefiel mir gar nicht.

„Haben die ihn sonst nicht auch allein arbeiten lassen?", fragte Tom gelangweilt. Er nahm einen Schluck von seinem Milchshake und lehnte sich in seinem Sitz noch weiter zurück.

Felicia nickte und seufzte. „Jedenfalls muss ich mit ihm zusammenarbeiten. Und je schneller ich das hinter mir habe, desto besser. Also habe ich ihn hierhergebeten, damit wir das schnell machen können, also seid mir nicht böse, aber er wird in ein paar Minuten hier sein."

Mit jedem einzelnen Wort wurde Felicia schneller und schneller und versank weiter in dem Polster ihres Sitzes. Tom schluckte und starrte sie einen Moment lang an, ehe er aufstand und den Kopf schüttelte.

„Ich muss sowieso los. Viel Spaß", sagte er und ging zielstrebig aus dem Café raus. So ganz verübeln konnte ich es ihm nicht. Er hatte einen ziemlichen Hass auf Vincent und das würde sich auch so schnell nicht lösen. Es sei denn, ich konnte beweisen, dass Vincent keine Schuld am Tod von Steve hatte. Aber wie sollte ich das tun? Alle waren davon überzeugt, selbst Vincent selber. Und es sprach auch nicht wirklich etwas für ihn.

Ich seufzte.

„Theo? DU bleibst doch, oder? Lass mich bitte nicht allein mit dem", flehte Felicia und riss die Augen weit auf. Ich lächelte und versicherte ihr, dass ich nicht abhauen würde. Musste sie ja nicht wissen, dass ich das aber eher für Vincents Wohl tat und auch ehrlichgesagt ein wenig aus Neugierde. Wie würde er sich wohl verhalten?

Meine Gedanken wurden von der Cafétürglocke unterbrochen. Unsere Blicke wanderten zur Tür und es war, wie erwartet Vincent. Er sah sich um und erblickte Felicia. Ich meinte ein kleines Lächeln zu erkennen, als er mich anschaute, es verflog aber genauso schnell, wie es gekommen war und seine Gesicht verwandelte sich wieder in diese blanke und leere Maske. Er machte seinen Weg zu uns und setzte sich dort hin, wo Tom vorher gesessen hatte, direkt neben mich. Schweigend holte er eine Mappe und einen Stift raus und starrte Felicia an.

„Was starrst du mich so an?!", zischte Felicia. Es war nicht einmal eine Frage, viel mehr ein Vorwurf. Vince schien unbeeindruckt und ignorierte, was sie sagte.

„Wie willst du das Thema gestalten?", sagte er mit trockener Stimme. Das war das einzige, was ihn verriet. Er räusperte sich ein paar Mal und starrte auf den Text, den sie bearbeiten sollten. Felicia seufzte, fing aber dann doch recht professionell an, mit Vince zu arbeiten.

Es war eine ganz andere Erfahrung die beiden so zu sehen, so zivilisiert und höflich zueinander. Sie redeten über nichts Anderes als ihr Projekt und schienen darin zu versinken. Felicia stimmte Vincent sogar zu, nachdem er eines ihrer Argumente völlig zunichtemachte. Das war was ganz Neues. Und für Vince wahrscheinlich auch.

Seine Nervosität war förmlich zu spüren, vor allem, weil er jeden Mal, wenn Felicia etwas sagte, sein Bein einmal kurz gegen meins stupste. Es störte mich nicht, ganz und gar nicht. Wenn es ihn bei seiner Nervosität half, würde ich sogar seine Hand über dem Tisch nehmen, aber dann würde er vermutlich auch einfach durchdrehen. Ich wünschte mir für Vincent einfach, dass er glücklich wäre und ein ganz normales Leben hätte. Und ich war auch der festen Überzeugung, dass Felicia und Vincent sich super verstehen würden, wenn diese ganze Steve Geschichte nicht passiert wäre. Die beiden hatten einen ziemlich ähnlichen Humor, machten sich auch gerne über andere lustig.

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