Schuld - Kapitel 2

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„Das gleiche haben sie mit mir gemacht.“, sagte ich und nahm einen Schluck von meinem Milchshake. Tom und Felicia hatten mich nach der Schule mit in ein Café geschleppt und erzählten mir Steves Geschichte. Sie unterschied sich nicht wesentlich von meiner Geschichte, wenn man mal von meinem Schulwechsel und seinem Selbstmord absah.

„Er hatte nie wirklich etwas gesagt. Er winkte es ab und meinte, es gäbe ja Schlimmeres. Klar, wenn es zu schlimm wurde, dann kam er bei mir an und ließ sich trösten. Aber das war nicht oft. Ich wollte auch nicht nachfragen, weil ich wusste, dass ich keine Antwort bekommen hätte.“

Plötzlich legte Tom den Kopf in die Hände und schluchzte vor sich hin. Felicia strich ihm über den Rücken und schaute mich kurz an. Mit einem Schulterzucken drehte sie sich wieder zu Tom. Sie wusste wohl auch nicht, was plötzlich in ihn gefahren war. Während Steves ganzer Geschichte wirkte Tom ziemlich gefasst, doch vom einen auf den anderen Moment brach er zusammen.

„Tom, du kannst nichts dafür, dass Steve nicht mehr leben wollte. Daran sind ganz allein diese Ärsche schuld.“, sagte Felicia und strich sich mit dem Handrücken über das linke Auge.

Tom nickte und schniefte noch einmal, ehe er mich anschaute.

„Theo, hattest du jemals solche Gedanken?“, fragte er völlig unerwartet. Ich zucke mit den Schultern und zog noch einmal an meinem Milchshake. Die Augen von Felicia und Tom lagen auf mir und schauten mich gespannt und verdammt traurig an. Ich gewöhnte mich langsam an diese außergewöhnlichen Blicke, die verschiedenste Emotionen miteinander paarten.

„Theo?“ Felicia griff über den Tisch hinweg meine Hand und drückte sie. Ich schaute ihr in die Augen und sah die pure Angst, ich könnte mich in selbstverletzendes Verhalten stürzen.

„Ja, ich hab mal darüber nachgedacht. Aber ich hätte es nie durchziehen können. Hatte dabei wohl zu viel Angst.“, sagte ich und zuckte wieder mit den Schultern.

„Wenn irgendwas sein sollte, kannst du gerne zu uns kommen.“, sagte sie und drückte wieder meine Hand. Ich nickte und lächelte sie an. Auch, wenn sie überrascht wirkte, lächelte sie dennoch zurück.

„Warum haben sie dich gemobbt?“, fragte Tom und klang schon fast wieder normal. Seine Nase war leicht zu und seine Augen waren ein kleines bisschen geschwollen. Ansonsten klang und sah er immernoch aus wie ein verdammter Sexgott.

Ich zuckte wieder mit den Schultern. „Ich bin schwul, klein, schwächlich und ein somit leichtes Ziel.“

Felicia senkte den Blick und murmelte etwas, ehe sie mit Tränen in den Augen wieder hochschaute.

„Was hast du gesagt?“, fragte Tom und schaute sie an.

„Er ist Steve so ähnlich.“, sagte sie etwas lauter aber immernoch ziemlich leise. Dann war dieser Steve wohl auch schwul. Das erklärte noch mehr, warum diese bigotten Schwachmaten sich auf ihn warfen wie die Hyänen auf das kleine Gnu. Es tat weh das zu hören und machte mich wütend und traurig zugleich.

„Erzählt mir von Steve.“, sagte ich. Beide schauten sie mich irritiert an.

„Das habe wir doch.“, meinte Tom und zog die Nase hoch.

„Ja, aber ich meinte jetzt nicht seine letzten Tage. Was war Steve für ein Mensch, was hat er gerne gemacht, was hat ihn ausgemacht?“, fragte ich und stützte mein Kinn auf meine Handfläche. Ich war einfach neugierig, das gab ich auch gerne zu. Steve wurde von Mal zu Mal interessanter und das auch, weil er mir anscheinend wirklich so ähnlich war.

„Steve war immer freundlich, zuvorkommen, hilfsbereit. Er hat mir immer geholfen, wenn ich ihn brauchte und war immer da. Außerdem war er richtig tollpatschig und richtig süß dabei. Er hatte die Angewohnheit, wenn er mal hingefallen ist, auf dem Boden sitzen zu bleiben und dich anzugrinsen, als wäre nichts passiert.“, sagte Felicia und lächelte leicht bei den Erinnerungen an ihn.

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