Schuld - Kapitel 1

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Eine seltsame Atmosphäre umgab mich, als ich mein neues Schulgebäude betrat. Na toll. Sollte es etwa genauso werden, wie an meiner alten Schule, an der es für mich an der Tagesordnung war herumgeschubst zu werden?

Genau. Ich wechselte die Schule, ja sogar die Stadt, so schlimm wurde es irgendwann mit den Schikanen, Schlägen und all diese Sachen. Der ausschlaggebende Punkt war, als mich drei Jungs im Schulklo einsperrten und ich dort die ganze Nacht verbringen musste. Hatte ich dabei erwähnt, dass sie sich vorher die Mühe gemacht hatten, mich „ein bisschen“ zu verprügeln und meinen Kopf in die Toilette zu stecken, bei der ich dann letztendlich eingesperrt wurde?

Als man mich am nächsten Tag fand, rief man sofort meine Eltern an, die nicht lange fackelten und mich direkt von der Schule nahmen. Mein Vater drohte dem Direktor sogar mit Prügel, nachdem dieser sagte, ich könne nicht einfach von der Schule genommen werden ohne an einer anderen angemeldet zu sein.

Nun, mein Vater ist Rechtsanwalt und hat meinem Direktor (oder jetzt wohl eher Ex-Direktor) gedroht ihn und seinen Arsch so hoch zu verklagen, dass der sich letztendlich nur noch als Straßenbettler einen Namen machen könnte. So wie ich jedoch hinterher von meinem Vater erfahren hatte, wäre es nie so weit gekommen. Aber das wusste der Direktor ja nicht. Man musste ihm nur ein bisschen Angst machen. Achja, mein Vater war schon toll. Er war einer dieser knallharten Anwälte, die zudem einer dieser total toleranten Menschenfreunde war, so wie meine Mutter. Sie hatten sich damals bei einer Demo kennen und lieben gelernt.

Sie waren so tolerant, dass sie mich in allem unterstützten, was ich tat und mich liebten, auch wenn ich ihnen vor zwei Jahren erzählte, dass sie nie eine Schwiegertochter von mir erwarten konnten, sondern nur einen Schwiegersohn.

Sie akzeptierten, dass ich mich als schwul geoutet hatte. Ganz anders als meine Schule. Daher war ich nun in der neuen Schule.

Aber ich konnte immernoch nicht das unbehagliche Gefühl abschütteln, was mich umgab.

Ich bewegte mich auf das Sekretariat zu und ging rein.

„Hallo, mein Name ist Theo. Ich bin neu hier und sollte mich im Sekretariat melden.“, sagte ich zu der Sekretärin, die mit einem bitteren Gesichtsausdruck auf ihren Computer schaute. Als sie mich anschaute wurde ihr Blick jedoch weicher und fast schon mütterlich.

„Theo Theodor?“, fragte sie und suchte dann einige Zettel für mich raus. Ich nickte. „Ja.“

„Hier hast du deinen Kursplan und einen Lageplan. Ich habe von deiner alten Schule gehört. Glaube mir, hier wird alles besser. Es tut mir nur leid, dass du zu so einer unschönen Zeit an diese Schule wechseln musst.“, sagte sie und machte mich damit etwas stutzig. Was meinte sie? Ich nickte und bedankte mich dennoch und ging wieder raus auf den Flur. Ich schaute auf den Plan und machte mich auf zu meinem ersten Kurs, Biologie.

Den Raum hatte ich schonmal gefunden, also ging ich rein und wurde direkt von einem bärtigen Mann mit dicker Hornbrille begrüßt.

„Bist du mein neuer Schüler?“, fragte er und schaute auf seinen Plan. Wieder nickte ich. „Ja.“

„Gut, dann setz dich mal dahinten hin. Die Stimmung ist immernoch ein bisschen gedrückt, aber es wird besser. Es ist ja immerhin schon einige Wochen her.“, meinte er ein wenig schwermütig. Wieder vollkommen irritiert von dem, was man zu mir gesagt hatte, wollte ich schon den Mund öffnen, aber er schien zu konzentriert auf seine Papiere zu schauen.

Ich setzte mich also auf meinen Platz und schaute umher. Viele der Leute sahen einig nachdenklich aus, selbst als sie mit anderen Leuten sprachen.

An was für eine Schule war ich hier nur geraten? Waren hier alle depressiv oder was war vor Wochen passiert, dass die Stimmung so war?

SchuldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt