Es stellte sich heraus, dass ich massig Zeit gehabt hätte. Beziehungsweise hatte, denn ich hatte noch einige Male versucht, das Glas zu zertrümmern. Mein Erfolg war zwar eher gering gewesen, aber wenigstens wusste ich jetzt mit Sicherheit, dass ich auf diesem Wege nicht aus dem Haus kommen würde. Wäre ja auch irgendwie zu schön gewesen, um wahr zu sein.
Die Sonne war vor kurzem untergegangen, stattdessen war durch die Fenster nun das Firmament zu erkennen. Sterne und Mond beleuchteten das Zimmer vollkommen ausreichend, aber ich erschrak trotzdem, als plötzlich jemand im Zimmer stand. Das Licht wurde angeschaltet und die Scheiben spiegelten nun das Zimmer wieder und nicht mehr den Himmel. Während ich mein Spiegelbild für einen Moment anblickte, schloss Dwight die Tür hinter sich.
„Entschuldige, dass ich dich so lange warten habe lassen." „Kein Problem", gab ich zurück, denn das war es nun wirklich nicht. Wenn ich nicht gerade versucht hatte, die Fensterscheiben einzuschlagen, hatte ich mir eine möglichst glaubhafte Geschichte ausgedacht, die hoffentlich jede Frage abdecken würde, die er mir stellen konnte. Ich bezweifelte zwar, dass er wirklich wert auf die Details legte, aber schaden konnte sie nicht. „Wollen Sie mich wirklich foltern?"
Irgendwie konnte ich noch immer keinen richtigen Sinn darin erkennen. Er zog die Augenbrauen zusammen, als hätte er keine Ahnung, wovon ich sprach. „Hab ich das gesagt?" Verwirrt nickte ich. Das hatte ich mir doch nicht bloß eingebildet, oder? Da war es wahrscheinlicher, dass er ein ziemliches Rad abhatte. Allerdings hatte ich auch nichts anderes erwartet, schließlich war er es, der für den ganzen Schlamassel verantwortlich war, in dem wir uns befanden.
„Ja, Sie haben das gesagt." Irgendetwas stimmte mit seinem Gedächtnis nicht. Um meine Theorie zu überprüfen, musste ich mir wohl schnell etwas einfallen lassen. So eine Chance konnte ich schließlich nicht einfach so verstreichen lassen. „Direkt nachdem Sie mir gesagt haben, warum es hier Strom gibt, obwohl doch alle Leitungen lahmgelegt worden sind." Ich war zuvor schon auf die Idee gekommen, dass es wohl einfach Generatoren sein mussten, die das Haus mit Elektrizität versorgten.
Vielleicht gab es auch Solarzellen auf dem Dach, aber Dwight hatte das vorhin mit keinem Wort erwähnt. Seine Reaktion war interessant. Für einen Moment sah es so aus, als hätte er keine Ahnung, wovon ich sprach, doch dann hellte sich sein Gesicht auf. „Ja, richtig! Das hatte ich ja ganz vergessen. Und ich werde dich nicht foltern, jedenfalls nicht, wenn es sich vermeiden lässt." Er redete noch ein bisschen weiter, über Dinge, die mich in diesem Moment nicht weniger interessieren könnten.
Irgendetwas stimmte mit diesem Mann ganz und gar nicht, aber mir fehlte die Erklärung für die falschen Erinnerungen. Oder, warum er so tat, als könnte er sich an Dinge erinnern, die nie passiert waren. Das ergab keinen Sinn, warum sollte er sowas behaupten? Spielte er ein Spiel mit mir? Wollte er mich verwirren? Das war vorerst die einzige Erklärung, die überhaupt einen Sinn ergab, also versuchte ich, daran zu glauben.
Trotzdem spielte er die Rolle zu schlecht, als dass er sich das vorher gründlich überlegt haben könnte. Soweit ich wusste, plante er Dinge im Voraus, spontanes Handeln gehörte nicht zu seinen Stärken. Was wiederum seltsam war, schließlich hatte er ganz spontan auf Juvia geschossen. Sie war allerdings auch eine Ausnahme. „Der Tod meiner Freundin wäre ja wohl auch zu vermeiden gewesen, oder etwa nicht?"
„Sie hat mich angegriffen!", verteidigte er sich und obwohl es natürlich stimmte, rechtfertigte das nicht, warum sie jetzt tot war. „Ihnen ist klar, dass sie ihnen niemals ernsthaft etwas getan hätte? Dafür ist sie gar nicht stark genug. Sie haben einfach geschossen und damit ein Leben beendet, das mehr wert war, als Ihr eigenes." Seine Augen verengten sich. Mir war nur zu gut bewusst, dass ich das besser nicht gesagt hätte, aber jetzt konnte ich es auch nicht mehr zurücknehmen.
DU LIEST GERADE
Reflektionen (Ross Lynch/R5)
FanfictionReflektionen. Spiegelbilder. Nichts als Kopien unserer selbst. Sie begleiten uns von Anfang an durch unser Leben. Aber woher kommen sie? Woher willst du wissen, dass das, was ein Spiegel zeigt, tatsächlich du bist? Vielleicht ist dein Gesicht ganz a...