Kapitel 34 "Bruderdank"

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Zwei Stunden später war ich endlich zum Aufbruch bereit. Ich hatte Wasser und Essen zusammengepackt und zusammen mit meinen sonstigen Habseligkeiten im Buggy verstaut. Mindestens eine halbe Stunde lang hatte ich gerätselt, wie ich den fahrbaren Untersatz aus dem Zimmer bekommen sollte, bis ich die kleine Erhebung in der Wand gefunden hatte.

Sie war ähnlich der, die auch den Zugang zu dem Geheimgang öffnete. Und tatsächlich, als ich dagegen drückte, schwang die Wand zur Seite. Ich konnte es kaum erwarten, endlich wieder unter Menschen zu kommen, auch wenn ich fürchtete, dass die Katastrophe ihre Opfer gefordert hatte. Wie viele Leute wohl schon ums Leben gekommen waren? Ich wollte mir lieber keine Zahl vorstellen, da unterlag ich lieber der Illusion, dass alles in Ordnung kommen würde.

Als ich mich ans Steuer setzte, fühlte es sich ungewöhnlich fremd an, einen Wagen zu steuern. Obwohl es erst zwei Wochen her war, dass ich zum letzten Mal gefahren war, kam es mir wie eine Ewigkeit vor. Der Weg durch die Wüste, fürchtete ich, würde sich in die Länge ziehen, selbst wenn ich mich beeilte und keine Pausen einlegte. Leider wusste ich auch nicht so genau, wohin ich fahren sollte; also musste ich hoffen, dass ich überhaupt irgendwo ankommen würde.

Da hier ohnehin alles mehr oder weniger gleich aussah, hatte ich beschlossen, immer dieselbe Richtung beizubehalten, was gar nicht so einfach war, weil die Umgebung felsig war und oftmals plötzlich abfiel. Die Rockys mussten irgendwo im Osten liegen und weil ich mit diesem Wagen nicht durch die Berge kommen würde, fuhr ich nach Westen. In dieser Richtung lagen auf jeden Fall einige Metropolen an der Küste, aber was noch wichtiger war; dort gab es Straßen, denen ich folgen konnte.

Vielleicht würde ich sogar ein Auto finden, dass ich stehlen konnte. War es überhaupt noch Diebstahl, wenn der eigentliche Besitzer schon tot war? Ich schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte mich darauf, den Wagen zu steuern. Der Boden war nicht wirklich eben und der trockene Boden unnachgiebig und spröde. Hinter mir stoben kleine Staubwolken auf, aufgewirbelt von den breiten Reifen des Buggys.

Da sich die Aussicht nicht ein einziges Mal wirklich veränderte, hatte ich stetig das Gefühl, mich die ganze Zeit nicht von der Stelle zu bewegen. Es wunderte mich nicht, dass ich mich bereits nach kurzer Zeit langweilte und mir umso mehr wünschte, dass es bald vorbei wäre..-.-.-.Bis ich endlich eine Straße erreichte, war bereits ein neuer Tag angebrochen. Obwohl ich die ganze Nacht über kaum etwas gemacht hatte, konnte ich kaum noch die Augen offen halten.

Ich hatte schon mehrfach in Betracht gezogen, eine Pause einzulegen, hatte mich bisher aber immer dagegen entschieden. Die Hoffnung, dass direkt hinter dem Horizont endlich ein Stück Zivilisation liegen würde, war zu groß, um ihr zu widerstehen. Jetzt wo ich endlich gefunden hatte, wonach ich gesucht hatte, ließ ich den Buggy langsam ausrollen. Der Boden war mit der Zeit immer dunkler geworden und inzwischen bewegte ich mich über verdorrtes Gras.

Die Hitze der letzten Wochen hatte offenbar überall ihre Spuren hinterlassen. Genau wie die meisten Straßen Amerikas, verlief auch diese hier kerzengerade, links und rechts von der Fahrbahn befand sich nichts als tote Wiese. Es gab viele dieser Orte, an denen man schon immer auf die Idee gekommen war, dass das ganze Land vollkommen verlassen war.

Aber normalerweise sah man trotzdem ab und an ein Auto vorbeiziehen und fragte sich, ob eine Straße vielleicht doch ins Nichts führen konnte. Inzwischen bezweifelte ich, dass überhaupt noch sonderlich viele Fahrzeuge unterwegs waren. Ich hielt nach einem Schild Ausschau, das mir sagen konnte, wie weit es noch bis Los Angeles war, da ich es für sinnvoll hielt, meine Suche in der Umgebung unseres Zuhauses zu starten. In die Stadt selbst wollte ich nicht, zu groß war das Risiko, dabei ums Leben zu kommen.

Mal ganz davon abgesehen, dass sie dort mit Sicherheit nicht mehr waren. Langsam wurde es wohl Zeit, sich zu überlegen, wo sie untergekommen sein könnten. Falls sie immer noch Hoffnung hatten, dass ich am Leben war, würden sie sich sicher irgendwo aufhalten, wo ich sie finden konnte. Das Problem war nur, dass die Umgebung von LA praktisch unendlich groß war und ich keine Ahnung hatte, wo ich meine Suche beginnen sollte.

Reflektionen (Ross Lynch/R5)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt