Er hatte keine Wunden. Es war weder ein Tropfen Blut geflossen, noch hatte ihn jemand angegriffen. Ich war zwar kein Arzt, aber dass sein Tod völlig überraschend gekommen war, konnte sogar ich sehen. Als ich ihn berührte, war seine Haut noch recht warm. Ich hatte also rechtbehalten und wir konnten nicht ohne unsere Spiegelbilder leben. Das war ebenso beängstigend wie verstörend.
Eine Weile dachte ich darüber nach, was ich jetzt machen sollte. Dwight war mir jetzt keine Hilfe mehr. Wirklich Mitleid hatte ich nicht mit ihm. Es war seine Schuld, dass die Spiegelwesen in diese Welt gekommen waren und es war vermutlich auch seine Schuld, dass sie immer noch hier waren. Selbst wenn er von Anfang an kontrolliert worden war, konnte ich ihm nicht verzeihen.
Er hatte Juvia auf dem Gewissen und das würde ich nicht vergessen. Unter seinem Hemd zeichnete sich die Silhouette des kleinen Spiegels ab, den er um den Hals trug. Ich zog sie ihm über den Kopf legte den Anhänger mit der reflektierenden Seite nach unten auf den Boden. Kein Licht - kein Spiegelbild. Anschließend durchsuchte ich seine Taschen. Ich fand Schlüssel, ein Bonbon und ein Taschentuch, ansonsten trug er nichts bei sich.
Weil ich ihn nicht im Gang liegenlassen wollte, schleifte ich ihn bis zum nächsten Zimmer, schob ihn auf das Bett und deckte ihn zu. Zugegebenermaßen ekelte es mich an, einen Toten zu berühren, dabei war er ja noch nicht einmal lange tot. Zurück im Flur hob ich die Kette hoch. Ich hatte vor, sie draußen zu vergraben. Mit einem ausgestreckten Arm versuchte ich den Anhänger so weit von mir wegzuhalten wie möglich.
Das Schwingen, das durch meine Schritte ausgelöst wurde, war fast schon hypnotisierend. Spärliches Licht drang durch die Fenster herein und tauchte den schmalen Gang in silbernes Licht. Die Umgebung wirkte farblos und trist und das änderte sich auch nicht, als ich durch das Tor nach draußen trat. Der braune Boden schien grau und die wenigen Pflanzen, die hier wuchsen, schienen sich vor dem Mond zurückzuziehen.
Hier war es nicht einmal schwül, die kühle Nachtluft wurde von einem angenehmen Wind Richtung Westen getragen. Die Kälte hinterließ ein leichtes Kribbeln auf meiner Haut. Ich entfernte mich ein Stück vom Haus, ging in die Knie und begann mit bloßen Händen zu graben. Unter meinen Fingernägeln sammelte sich der Dreck und der trockene Wüstenboden wollte einfach nicht nachgeben, aber nachdem ich eine Weile gegraben hatte, versenkte ich die Kette darin.
Gerade als ich die Erde wieder zurück in die Grube schieben wollte, schob sich eine Hand durch den Spiegel. Mein erster Gedanke war es, wegzulaufen. Dann erst kam ich auf die Idee, dass das ja nicht wirklich funktionierte. Das blanke Grauen ließ mich zurückweichen, am liebsten wäre ich gerannt. Mir war klar, dass ich mich schnellstmöglich aus dem Staub machen sollte, aber aus irgendeinem Grund, den ich heute selbst nicht mehr verstehe, blieb ich.
Völlig untätig blieb ich allerdings nicht; mit einem gezielten Tritt gegen die Hand brach ich sie. Ich hörte das Knacken und Sekunden später ein zweites Mal, als der Knochen heilte. Instinktiv trat ich einen Schritt zurück und stolperte dabei über einen Stein. Für einen Moment war die drohende Gefahr vergessen und ich kämpfte darum, mein Gleichgewicht wiederzuerlangen.
Bis ich den Blick wieder hob, stand das Spiegelwesen in seiner silbern schimmernden Grausamkeit direkt vor mir. Mit großen Augen starrte ich es an. Ich sah mein eigenes Gesicht, das sich in den pupillenlosen Augen spiegelte. Ein plötzliche Ruhe ergriff mich und eine dumpfe Taubheit breitete sich in mir aus. Und dann wurde das Wesen mit der Gestalt eines jungen Mannes von mir weggerissen.Ich zuckte zusammen, als ein zweites silbernes Geschöpf sich auf ihn stürzte. Es war dunkler, und schmaler und ich bezweifelte, dass es eine Chance hatte. Sie rammten sich gegenseitig spitze Krallen durch den Oberkörper und veränderten sich fortwährend. Nach einer Weile konnte ich nicht mal mehr sagen, wo der eine Körper aufhörte und der andere anfing.
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Reflektionen (Ross Lynch/R5)
FanfictionReflektionen. Spiegelbilder. Nichts als Kopien unserer selbst. Sie begleiten uns von Anfang an durch unser Leben. Aber woher kommen sie? Woher willst du wissen, dass das, was ein Spiegel zeigt, tatsächlich du bist? Vielleicht ist dein Gesicht ganz a...