„Man kann sie einsperren", rief ich triumphierend und schwenkte das Blatt, ohne darauf zu achten, es nicht zu beschädigen. Jetzt wo ich wusste, wie wir sie besiegen konnten, war alles egal. „Sie können keinen Spiegel betreten, solange sich in ihm ein weiterer Spiegel spiegelt. Wenn wir sie in einen Raum sperren können, der von allen Seiten mit Spiegeln verkleidet ist, sind sie machtlos. So wurden sie auch vorher festgehalten, aber sobald sich einer befreit hatte, konnte er die anderen befreien. Keine Ahnung, wie das möglich war. Jetzt ist es egal, weil wir endlich einen Weg kennen, wie wir sie aufhalten können. Oder zumindest können wir damit einen Aufschub bewirken, der uns Zeit gibt, eine endgültige Lösung zu finden."
Ich wünschte nur, Juvia wäre hier, damit ich es ihr sagen könnte. Das war das einzige, das meine Euphorie trüben konnte. Wo war sie nur? Wahrscheinlich immer noch zwei Schritte vor uns. „Meinst du, meine Schwester hat das für uns zurückgelassen?", fragte Hadiya und betrachtete mich eindringlich. Um ehrlich zu sein, war ich mir nicht sicher. Einerseits traute ich es ihr zu, aber warum sollte sie ihrer Schwester die Information nicht einfach so gegeben haben? Außerdem würde sie nie freiwillig ihre Familie in Schwierigkeiten bringen.
„Ich glaub eher nicht. Aber sie wollte aus irgendeinem Grund, dass ihr herkommt, also muss hier auch irgendwas sein." Wo würde Juvia etwas verstecken und was? Warum hatte sie ihre Familie hergeschickt? Sie konnte eigentlich nicht gewusst haben, dass wir wieder hierherkommen würden und selbst wenn, wäre das keine Erklärung. „Das hat doch keinen Zweck", mischte sich nun Jackson ein. Sein Gesichtsausdruck erinnerte mich an eine starre Maske, die er aufgesetzt hatte, um seine wahren Gefühle zu verbergen. „Lasst uns das hier einfach vergessen."
Victoria schüttelte energisch den Kopf: „Kommt nicht in Frage. Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber hier liegt ein Teil der Ursache für die Angriffe der Spiegelwesen und wenn wir die Chance haben, sie aufzuhalten, dann werden wir diese auch ergreifen." Der Reihe nach schaute sie uns in die Augen. „Ich wurde dazu erzogen, anderen Leuten zu helfen, wenn sie in Not sind. Wenn ihr jetzt einfach so geht, ist die Gefahr groß, dass ihr die nächsten Wochen nicht überlebt. Also bleibt ihr und rettet, was von der Zivilisation noch übrig ist, oder geht ihr und wartet darauf, umgebracht zu werden?"
Ich hätte es ihr nicht zugetraut, so eine gänsehautverursachende Rede zu halten, geschweige denn danach wieder in Schweigen zu verfallen, was für Vicky nun doch eher unüblich war. Weil niemand etwas sagte, ergriff ich als erster das Wort: „Irgendjemand muss den Helden spielen." Hadiya grinste: „Ich bin dabei!" Fehlten nur noch Jackson und Nicole; er betrachtete sie und sie musterte interessiert den Boden. Schließlich seufzte sie: „Also gut, dann spielen wir eben die Helden." Widerwillen spiegelte sich in Jacksons Zügen, doch er legte seiner kleinen Schwester eine Hand auf die Schulter und nickte verbissen.
„Irgendjemand muss ja auf euch aufpassen", grummelte er und seine Mundwinkel zuckten. „Na dann, wissen wir ja, was zu tun ist!", rief Victoria fröhlich. „Ähm, nein, um ehrlich zu sein, wissen wir das nicht." Ich spürte die Anspannung, die in der Luft lag und versuchte, sie auszublenden. Es würde nicht leicht werden, Victorias Plan zu erfüllen, egal wie er aussah. „Wir müssen ihnen ein Grab schaufeln...", begann die Söldnerin. Hadiya nickte: „Und dann müssen wir dafür sorgen, dass sie uns in die Falle tappen." „Und wie soll die aussehen?", fragte Jackson. „Wie ein Spiegelkabinett."
„Wie tötet man einen Vampir am einfachsten?" Erwartungsvoll warteten wir darauf, dass Victoria ihre Frage beantwortete. „Am einfachsten, wenn man ihm vergiftetes Blut gibt. Er wird nicht einmal wissen, dass er sein Todesurteil unterschrieben hat. Und bei den Spiegelwesen ist es nicht viel anders. Wir brauchen einen Köder und dann vermasseln wir ihnen die Tour. Ganz einfach." Letzteres bezweifelte ich zwar und ich sah in den Gesichtern der anderen, dass es ihnen ähnlich ging, aber der Rest erschien mir plausibel.
.-.-.-.
Die nächsten Tage verschwammen in endloser Planung, wie eine Waschmaschine, aber letztendlich drehten wir uns nur im Kreis. „Damit das funktioniert, brauchen wir intakte Spiegel. Keine Risse oder sonst was. Und sie müssen groß genug sein, damit unser Köder auch hineinpasst." Hadiya tigerte angespannt im Kreis herum. Sie hatte schon seit Stunden nichts mehr gesagt und lauschte nur. „Die Spiegel und den Raum kann ich besorgen. Ich bin eine Söldnerin, meine Auftraggeber haben genug Geld, um das wahr zu machen. Das einzige Problem ist, dass niemand die Spiegel freiwillig in Position bringen wird. Dafür ist das Risiko zu hoch, dass man dabei getötet wird."
Kurz ließ jeder das auf sich wirken, dann ergriff Jackson das Wort: „Letztendlich bleibt uns also nichts anderes übrig, als es selbst zu machen, richtig?" Beschwichtigend legte Nicole ihm eine Hand auf die Schulter, wodurch er sich tatsächlich beruhigen ließ. „Wenn man will, dass etwas funktioniert, muss man es ohnehin selbst machen", erwiderte Victoria. „Wir müssen so schnell sein wie möglich, bevor noch mehr unschuldige Menschen sterben. Um es auf das Wichtigste herunterzubrechen, besteht unser Plan aus zwei Schritten: dem Errichten der Falle und das Hineinlocken der Spiegelwesen. Euch muss aber klar sein, dass ein Köder nicht reichen wird. Wir haben es mit ungefähr 100 dieser Wesen zu tun und eine Falle wird nicht genug sein. Außerdem müssen wir damit rechnen, dass sie sich gegenseitig warnen werden. Deshalb muss alles sehr schnell gehen."
„Du hast recht, Nicole. Allein schaffen wir das nicht." Ich musste daran denken, dass ich meine Familie –mein Team- ohne ein Wort des Abschieds zurückgelassen hatte. Wahrscheinlich dachten sie wirklich, ich wäre tot. „Ich werde Aaron und Nicholas kontaktieren. Die beiden werden uns helfen, außerdem bin ich mir sicher, dass Verstärkung organisieren können. Aber das wird nicht reichen. Wir werden an die 200 lebensmüde Helfer brauchen, wenn das klappen soll."
„Dann sollten wir anfangen, zu rekrutieren", sagte Hadiya. Überrascht drehten sich alle zu ihr um, es hatte niemand mehr mit einer Beteiligung ihrerseits gerechnet. „Ich gehe mit Ross und Victoria." „Kommt nicht in Frage, du kommst mit mir", widersprach Jackson. Ernst sah sie ihm in die Augen: „Ich kann auf mich selbst aufpassen. Außerdem ist so unsere Chance größer, dass wir Juvia wiederfinden." „Hadiya, ich hab schon eine Schwester verloren, nicht dich auch noch", er schüttelte langsam den Kopf und ich sah, wie sehr es ihm widerstrebte, sie mit uns gehen zu lassen.
„Du hast keinen von uns verloren. Juvia würde uns nie aufgeben. Ich vertraue ihr, sie wird das Richtige tun und das musst du jetzt auch tun. Wie Mum und Dad immer sagen: ‚Wenn du glaubst, weiß Gott es und wenn du an dich und deine Mitmenschen glaubst, tut auch Er es.' Sie glaubt an dich." Auch wenn die Worte nicht an mich gerichtet waren, fühlte es sich so an, als würden sie etwas in mir kurzschließen. „Ich werde meine Familie um Hilfe bitten."
Die Worte verließen meinen Mund, bevor ich länger darüber nachdachte, aber ich bereute sie keinesfalls. Ich wollte sie nicht in Gefahr bringen, aber sie würden mir helfen und ich glaubte daran, dass wir es gemeinsam schaffen konnten. „Meine Familie ist fort", sagte Nicole leise, „aber ich bin mir sicher, dass wir Unterstützer finden werden. Die Leute sind sicher bereit, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, wenn wir ihnen sagen, worum es geht. Wir müssen nur aufpassen, dass die Spiegelwesen nichts von unserem Plan mitbekommen, sonst wird unsere Falle nichts nützen."
Alle nickten zustimmend und Hadiya blieb endlich stehen. Sie hatte mich mit ihrem ständigen Im-Kreis-Laufen schon ganz nervös gemacht. „Vorauf warten wir dann noch? Es hat lange genug gedauert, bis wir soweit waren. Lasst uns keine Zeit mehr verlieren."
DU LIEST GERADE
Reflektionen (Ross Lynch/R5)
FanfictionReflektionen. Spiegelbilder. Nichts als Kopien unserer selbst. Sie begleiten uns von Anfang an durch unser Leben. Aber woher kommen sie? Woher willst du wissen, dass das, was ein Spiegel zeigt, tatsächlich du bist? Vielleicht ist dein Gesicht ganz a...