Der Aufprall war schmerzhaft. Obwohl ich mich abrollte, hatte ich das Gefühl, mir würde es beide Beine und noch einen Haufen anderer Knochen brechen. Um ehrlich zu sein, hätte ich damit rechnen müssen. Im Nachhinein war es vermutlich eine ziemlich dumme Idee gewesen, aus einem fliegenden Hubschrauber zu springen. Das ich dabei nicht umkam, war wahrscheinlich auch nur eine glückliche Fügung des Schicksals gewesen.
Atemlos rollte ich mich auf den Rücken, froh darüber, überhaupt noch etwas zu spüren. Über mir in der Luft kam der Helikopter von seinem Kurs ab. Schlingernd driftete er nach links, während er weiter aufstieg. Das Spiegelwesen, das inzwischen kaum noch aussah wie Sawyer, hing noch immer dort oben. Es hatte offenbar auch nicht vor, loszulassen. Ich war mir zwar fast sicher, dass es einen Absturz überleben würde, aber es blieb an Ort und Stelle hängen.
Keuchend richtete ich mich auf. Der Schmerz, der mich von den Rippen aus durchzuckte, kam unerwartet. Mit verzerrtem Gesicht presste ich beide Hände auf die Stelle. Fluchend versuchte ich aufzustehen. Nach einigen Anläufen klappte es dann tatsächlich. Das Rauschen der Rotoren wurde allmählich leiser. Ich fragte mich, wie lange die Reflektion brauche würde, um zurückzukommen. Andererseits könnte es tatsächlich sein, dass sie starb.
Soweit ich wusste, konnten sie nur einen begrenzten Zeitraum in unserer Welt bleiben, bevor sie einfach schmolzen. Gönnen würde ich es ihm ja. Jetzt musste ich nur hoffen, dass er lange genug brauchen würde, um wiederzukommen. Noch immer war ich mir nicht sicher, warum das Wesen nicht einfach losgelassen hatte. Was machte schon ein Sprung aus einigen Metern Höhe für jemanden, der ohnehin nicht sterben konnte. Vielleicht verspürten sie ja doch eine Art Schmerz.
Aber das glaubte ich eigentlich nicht. Da hielt ich es noch für wahrscheinlicher, dass es seine Krallen nicht mehr aus dem Metall bekam und jetzt festhing. Sie waren also keine unschlagbaren Gegner, auch wenn man im Kampf selbst wohl keine Chance hatte. Wegrennen dagegen schien ausgesprochen gut zu funktionieren. Gebückt schlich ich über das Dach. Ich hoffte, dass es irgendwo eine Leiter nach unten gab, sonst säße ich wohl hier fest.
Während ich mit dem einen Arm meine Rippen an Ort und Stelle hielt, schirmte ich mit der anderen meine Augen von der hellen Nachmittagssonne ab. Eigentlich hätte ich meine Freiheit genießen müssen, aber dazu saß der Schreck noch zu tief. Hier draußen war es genauso unerträglich warm, wie ich es in Erinnerung gehabt hatte. Ich ließ meinen Blick über die karge, ausgedörrte Landschaft schweifen.
Wir befanden uns wohl immer noch an den Ausläufern der Rockys. Irgendwo mitten in der Wüste rechnete schließlich auch niemand damit, einen Unterschlupf vor Spiegelwesen zu finden. Wenn man es sich recht überlegte, rechnete man hier gar nicht mit Leben. Dabei war Las Vegas nichts anderes, als eine Metropole mitten in der Wüste. Trotzdem war man hier abgeschottet und ich bezweifelte, dass in den nächsten Jahren jemand auf die Idee kommen würde, hierherzukommen.
Zunächst mal war es riskant; hier gab es kein Wasser und Menschen waren nicht dumm genug, um sich dennoch hierher zu wagen. Außerdem suchte ja auch gar niemand nach diesem Haus hier. Die Menschheit hatte aktuelle wohl andere Probleme. Nachdem ich in ziemlichem Schneckentempo eine Runde über das gesamte Dach gedreht hatte, konnte ich mit Sicherheit sagen, dass es hier keine Treppe gab. Wenigstens eine Feuertreppe hätte man doch anbauen können! Aber das half mir jetzt leider auch nicht.
Wie sollte ich hier wieder runterkommen? Regenrinnen gab es hier nicht, es regnete schließlich auch so gut wie nie und selbst wenn, waren es lediglich kurze Schauer. So kam ich hier jedenfalls nicht runter. Stattdessen kam ich auf die glorreiche Idee, mich rückwärts über die Kante zu schieben, um mich auf eines der Simse im dritten Stock fallen zu lassen.
Es war zwar ein selten dämlicher Versuch, von einem Dach herunterzukommen, aber das merkte ich erst, als ich dort hing. Angespannt atmete ich ein und aus und spürte dabei genau, wie meine Rippe sich an Stellen schob, an die sie nicht gehörte. In dieser Position war der Schmerz zwar erträglich, aber meine Muskeln würden das auch nicht ewig mitmachen. Bis zu dem Fensterbrett war es nicht weit; vielleicht ein halber Meter aber nicht viel mehr.
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Reflektionen (Ross Lynch/R5)
Hayran KurguReflektionen. Spiegelbilder. Nichts als Kopien unserer selbst. Sie begleiten uns von Anfang an durch unser Leben. Aber woher kommen sie? Woher willst du wissen, dass das, was ein Spiegel zeigt, tatsächlich du bist? Vielleicht ist dein Gesicht ganz a...