Der Weg aus der Stadt war langwierig. Viele Straßen waren von verlassenen Autos versperrt. Manche rauchten sogar noch ein wenig. Es hatte in der ganzen Hektik wohl mehr als nur einen Unfall gegeben. Aber es war niemand mehr hier, der die Straßen räumen könnte. „Ich hab die Stadt noch nie so leer gesehen. Es kommt mir vor, als wäre es jetzt eine Geisterstadt."
„Wenigstens gibt es keine Geister hier", antwortete ich daraufhin. Nachdem ich mit den Spiegelwesen Bekanntschaft gemacht hatte, hätte es mich nicht einmal gewundert, wenn es auch Geister gäbe. War es mir zu verdenken? „Glaubst du an das Leben nach dem Tod?", fragte sie unvermittelt.
Wir hatten uns seit Beginn der Autofahrt kaum unterhalten, unter anderem, weil die leeren Straßen so ein bedrückender Anblick waren. „Ich weiß es nicht, um ehrlich zu sein. Du?" Ich konnte mir nicht vorstellen, dass alle Seelen einen Platz bekamen. Wo auch immer sie hinkamen, falls sie sich nicht mit dem Tod auflösten. „Ja, ich glaube an Himmel und Hölle."
„Und wie stellst du dir die Hölle vor?" Ich glaube jeder hatte dieselbe Vorstellung vom Himmel; keine Sorgen, kein Hunger, kein Mangel an irgendwas. Im Grunde war es wie das Schlaraffenland. Aber keiner wollte sich wirklich mit der Schattenseite des Glaubens befassen. „Dunkel und kalt. Einsam und leer", antwortete sie mir. Zumindest letzteres traf aktuell auch auf Los Angeles zu. Aber hier war es schon fast unerträglich warm.
Ohne die Klimaanlage wäre ich schon längst an einem Hitzschlag gestorben. Seltsam, dass solche banalen Dinge noch funktionierten, während beispielsweise das Internet nicht mehr ging. Wie war das überhaupt möglich? Konnte man das einfach so abschalten? Und wenn ja, was hatten dann die Spiegelwesen damit zu tun? Sie schienen mir nicht unbedingt interessiert daran, unsere Kommunikation zu stören.
Aber ich war keiner von ihnen, also hatte ich auch keine Ahnung von ihren Zielen. „Also ist die Hölle für dich wie der Nordpol?" Es war kein übermäßig guter Versuch, die Stimmung zu lockern, aber es schien zu funktionieren. Ein kleines Lächeln stahl sich auf Juvias Lippen. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie sie den Anhänger anstarrte. Die Kette schien ihr wirklich etwas zu bedeuten.
„Immerhin glaub ich nicht daran, dass da unten ein roter Ziegenbock herumspringt und mit einem Dreizack herum wedelt. Es gibt so dermaßen viele verschiedene Vorstellungen von der Hölle, dass niemand mehr durchblicken kann. Aber es wird auch nie jemanden geben, der uns davon erzählt, wie sie wirklich ist, falls es sie denn gibt." Der Wagen wurde langsamer. „Ich dachte, du glaubst daran, dass es sie gibt?" Sie wirkte nicht einmal verunsichert, als sie antwortete: „Nur weil ich etwas glaube, bedeutet das nicht, dass es so sein muss. Wenn du etwas siehst, wovon du annimmst, dass es ein Objekt ist, das du identifizieren kannst, muss es doch nicht zwangsläufig so sein."
Verwirrender hätte man es nicht ausdrücken können. Aber sie war noch nicht fertig, also ließ ich ihr einen Moment Zeit, um Luft zu holen. „Nehmen wir an, du würdest Zwillinge kennen. Wir nennen sie mal X und Y. Also: du siehst X, bist aber der festen Überzeugung, dass es Y war. Letztendlich hast du aber doch X gesehen, egal was du glaubst. Der Glaube verändert nicht die Tatsachen, er gaukelt uns lediglich vor, dass wir recht haben."
Ich musste zugeben, dass mich ihre Worte überraschten. Sie war religiös und stellte trotzdem einiges in Frage. Das widersprach sich eigentlich auf ganzer Linie. Aber sie schien es trotzdem hinzubekommen. Anerkennend nickte ich ihr zu: „Nicht schlecht für jemanden, der Zwillingen die geistreichen Namen X und Y verpasst hat." Sie zog eine Augenbraue hoch.
„Das ist das was du gehört hast. Vielleicht hab ich in Wirklichkeit etwas ganz anderes gesagt. Sinnestäuschungen sind so einfach wie genial. Man kann unserem Gehirn praktisch alles vorgaukeln." Der Wagen fuhr jetzt nur noch Schritttempo. Juvia war auf ihre Weise sehr faszinierend, und mindestens genauso verwirrend wie eine Sinnestäuschung.
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Reflektionen (Ross Lynch/R5)
FanficReflektionen. Spiegelbilder. Nichts als Kopien unserer selbst. Sie begleiten uns von Anfang an durch unser Leben. Aber woher kommen sie? Woher willst du wissen, dass das, was ein Spiegel zeigt, tatsächlich du bist? Vielleicht ist dein Gesicht ganz a...