Kapitel 36

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Der Wind zieht heftig an mir und durchwirbelt meine Haare. Sie fliegen umher und ich muss sie mir immer wieder aus dem Gesicht streichen.
Die Stadt rauscht an uns vorbei, schemenhaft sind Häuser, Straßen und Menschen zu erkennen. Ohne an Geschwindkeit zu verlieren fährt der Zug an dem alten Ken Gebäude vorbei.
Ken. Ferox. Amite. Ich wusste nie, wo ich hin gehöre. Und jetzt, wo ich weiß, dass alles was ich glaubte zu wissen, eine Lüge ist, komme ich mir vor, wie in einer fremden Welt. Fraktionen haben mir nie wirklich viel bedeutet. Natürlich, sie waren da und bestimmten unser Leben, aber es war nie eine Frage, welchen Weg mein Leben nehmen würde. Seit ich mich erinnern kann, wollte ich eine Ken sein. Wollte ich sie wirklich sein? Oder ist es nur einer der eingebauten Erinnerungen?
Ich weiß es nicht. Und ich fürchte, ich werde es auch nie erfahren. Mein gesamtes Leben war eine Lüge und es gibt nichts mehr, an das ich mich festhalten kann.
"Claire" Ist das überhaupt mein richtiger Name? Peter stellt sich neben mich an die offene Tür des Zuges. Seine Statur wirkt müde und gleichzeitig wachsam. Er ist angespannt und doch entspannt. Es beruhigt mich, dass wenigstens er mit mir und Cia und Four geflohen ist. Eric ist es nicht. Als wir den Raum verließen, saß er nach wie vor an Ort und Stelle und sah mich an. Ich wusste nicht, ob er mir noch etwas sagen wollte, warum er nicht mitgekommen ist und was nun sein wird. Alles was ich weiß ist, dass ich hier stehe, mit drei Leuten, die genau wie ich in nun in einer Welt zurecht kommen müssen, wo sie Gejagte sind. Jeanine ist nicht tot. Dazu war keine Zeit. Hätten wir sie getötet, vielleicht, ja vielleicht würden wir dann jetzt Frieden haben. Und doch haben wir es nicht getan und müssen nun fahren. Soweit, wie uns der Zug bringen wird.

Ich habe einmal gesagt, dass Eric und Ich einander immer als Anker dienen werden, wenn unsere Welten zebrechen. Und das tun sie gerade. Trotzdem sind wir getrennt, kämpfen auf unterschiedlichen Seiten und sind von dem heutigen Tag an Feinde.
Ich kann nicht sagen, ob Eric und Ich jemals die selbe Meinung hatten. Aber wir waren für einander da, ganz egal was war. Diesesmal jedoch, diesesmal können wir uns nicht aufeinander stützen. Jeder muss nun alleine zu recht kommen, alleine kämpfen. Eines Tages vielleicht werden wir uns gegenüber stehen und darauf aus sein uns zu töten. Aber ich denke, und ich hoffe, dass dieser Tag in weiter Ferne liegt.
Eric und Ich waren nie für einander bestimmt. Er war ein Ferox, Ich eine Ken. Er war ein Anführer, Ich eine Rebellin. Er steht auf Jeanines Seite, Ich kämpfe für die Unbestimmten. Trotz all dieser Dinge, die uns trennen, haben wir einander gefunden und gelernt zu lieben. Wahrscheinlich wird es noch so viel mehr geben, was sich zwischen uns stellt, aber eines ist sicher:

Ich werde kämpfen.

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