Kapitel 01 - Erinnerungen

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Nabil Ayan

Ich öffnete den verkalkten Wasserhan und gab das kalte Wasser auf mein sich nach kühle sehnende Gesicht. Es machte sich wie eine Erlösung auf meinem Gesicht fühlbar und führte gleichzeitig dazu, dass das stehen gebliebene Blut in meinen Wehen zum fließen kam. Mit einemmal schloss ich meine Augen, dessen inneres mit einer Erschöpfung umhüllt waren. Sie waren geschlossen, doch trotz dessen fähig durch meine Seele bis hin zum tiefsten, ertrunkenen Gedanken in mir zu blicken. In meiner Seele gab es Erinnerungen an Tage, die sich dort verankert hatten und dem Glauben waren nicht mehr wieder erlebt werden zu können. Wie Bilder, die im Sande vergraben wurden, um nie wieder mehr ans Lichte kommen zu können. Es lag in meiner Hand, ob diese Bilder zu Erkenntnis kommen konnten oder ob sie auf ewig dort vergraben bleiben sollten.

Wie als wäre es gestern gewesen konnte ich mich ziemlich gut daran erinnern, wie ich angeregt auf dem großen Platz saß und mit einem grinsen, sowohl das Spiel, als auch der Kommunikation lauschte. Die sich zwischen den beiden abspielte, die meine Vorbilder, Brüder und Wegweiser waren.

»Shiraz pass den Ball zu mir«, sagte mein Bruder Yasir aufgeregt und hatte seine ganze Aufmerksamkeit dem Ball gewidmet, den Shiraz mit seinen perfekt an Fußbälle gewohnten Füßen führte. Shiraz ignorierte meinen Bruder Yasir jedoch bewusst, in dem er schelmisch grinste. Ab und zu schielte Shiraz nur so, dass ich es, als Zuschauer bemerken konnte zu Yasir und lachte, da mein Bruder immer ungeduldiger wurde. Genau das gefiel ihm, er machte seinen besten Freund, seinen Bruder gerne wütend.

»Nach wem rufe ich die ganze Zeit, reagier doch verdammt.« Mein Bruder atmete tief ein und aus, schloss seine Augen und versuchte ruhig zu bleiben.
»Shiraz reg mich nicht auf«, prustete er was daraufhin deutete, dass sein Geduldsfaden geplatzt war. Seine Stimme hatte sich diesmal erhoben und mit seinen finsteren Augen durchbohrte er regelrecht die Augen seines besten Freundes. Ich beobachte lachend das Ereignis. Es war nur ein einfaches Fußballspiel, wie jedes Mal, doch mein Bruder war mal wieder total in seinem Element. Er wollte den Sieg. Nicht alleine sondern immer mit seinen Mitmenschen, doch wenn Jemand diesem Sieg im Wege stand dann wurde er wütend. Mein Vater sagte nicht umsonst mein Bruder sei der Mann des Sieges.

»Shiraz warte ab ich werde dich umbringen«, schrie er diesmal auf, wodurch im ganzen Stadion seine Stimme halte. Er rannte wie ein verrückt gewordener hinter ihm her, packte ihn und stürzte sich auf ihn.
»Du kleiner Bastard immer ziehst du die selbe Scheiße ab«, sagte mein Bruder Yasir und lachte auch auf. Während die beiden auf dem Riesenfeld lagen und alberten, stand ich von meinem Platz auf und begab mich in deren Richtung, wie ich es jedes Mal tat wenn das Spiel auf diese Art und Weise beendet wurde. Ich hatte die Freundschaft dieser beiden schon immer bewundert. Sie hatte so einen festen Kern, dass man schon vorhersehen konnte, das sie nie zerbrechen würde.

Das war gleichzeitig auch eine Freundschaft, die mir vieles gelehrt hatte. Für mancher Freund war es Wert zu sterben und für mancher war es nicht mal Wert seinen Atem zu verschwenden. Denn egal wie viele Atemzüge du für diesen Menschen opfern würdest, es wäre wie ein Meer dessen Wellen dir deine Luft entziehen würden. Du hattest nur gutmütig gehandelt und diesem Menschen einen freien Zutritt in dein Herz gewährt, doch dieser Mensch hatte es nicht verdient darein zu kommen. Du warst der Mensch, der sich freiwillig in das Meer gelegt hatte. Jedoch nicht wissend, dass die Wellen so grausam waren. Du dachtest du könntest ihnen vertrauen, sie würden dich schützen. Doch das alles hatten diese Wellen nicht gemacht. Sie hatten dein Vertrauen missbraucht. Du warst bereit diesen Wellen vom ganzen Herzen zu vertrauen, doch diese hatten dir ihren kalten Rücken gezeigt. Sie hatten dir ihre Stärke gezeigt, die Stärke mit der sie dich ertränkt hatten. Sie hatten sich auf dich gestürzt und dich mit einem Mal in die Schlucht gezogen. In die Schlucht, in der du nie wieder mehr rauskommen konntest. In der du auf ewig gefangen warst.

Du warst gefangen, doch hattest Erfahrungen gesammelt. Du hattest gelernt einen verdorbenen Apfel von einem guterhaltenen zu unterscheiden. Du hattest gelernt den Wert eines saftigen Apfels viel mehr zu schätzen. Du konntest den Wellen nicht böse sein, sie hatten ihre Aufgabe gemacht. Sie waren für das ertränken da. So waren auch manche Menschen indirekt dazu verpflichtet den Hass in ihrem Herzen auszuleben. Den Verrat in ihrem Herzen freizulassen. Sie hätten ein reines Herz haben können. Sie hätten Menschen nicht verletzen müssen. Aber das war ihr Weg, sie hatten diesen gewählt. Sie wussten aber nicht, dass sie jeden Menschen den sie im stich gelassen hatten, jeden Menschen denn sie verraten hatten, jeden Menschen den sie in ihrer Seele ertränkt hatten, eines Tages noch einmal auftreffen sollten. Die Betroffenen hatten die Chance sich zu Rächen, doch sie wollten ihrem Feind, nicht das selbe Gefühl empfinden lassen. Wissend das diese es nicht anders verdient hätten.

Und so nahm das Leben immer seinen Lauf. Die einen waren so, die anderen so. Die einen lebten für sich, die anderen für andere, um Ihnen etwas geben zu können, um sie glücklich machen zu können. Vielleicht schien das von außen so, dass die, die egozentrisch Lebten glücklicher waren, mehr im Leben hatten oder sogar Sieger waren, weil sie ihre Zeit nicht für andere verschwendeten. Aber um ehrlich zu sagen waren genau diese die Verlierer. Sie hatten alles, aber keine Menschen um sich, einzig allein die Einsamkeit leitete Ihnen Gesellschaft. Manchmal war es schön von der Einsamkeit gefangen zu sein, man brauchte auch Momente wo man nachdenken musste, wo man Zeit für sich brauchte. Doch die Einsamkeit dieser Menschen, war nicht diese Schöne, kurzfristige, sondern die langfristige, grausame Einsamkeit. Sie hatten sich im Grunde selbst in der eisernen Dunkelheit verfangen.

Meinen Blick stur nach vorne gerichtet lief ich nachdenklich durch die engen Gassen und gab den Menschen um mich herum keinerlei Beachtung. Die Errinerungen die sich verstaut hatten, wiederholten sich wie vorhin ständig in meinem Kopf. Wie eine kaputte Dvd, die immer nur die selbe Stelle des Filmes zeigte. Diese Szenen hatte ich vor fünf Jahren hautnah erlebt. Jetzt waren sie wie vom Winde verweht worden. Der Wind hatte aber noch seine Staubspuren hinterlassen, die mich an diese Zeiten erinnerten, wenigstens noch das. Ein Lächeln huschte über meine pochende Lippe, ein schmerzhaftes Lächeln. Ein Lächeln das seine wahre Bedeutung verloren hatte. Ein Lächeln das aufgrund eines Ereignisses im tiefsten der Erde vergraben wurde.

Diese Gassen erinnerten mich an die Gassen meiner Kindheit. Die Zeiten in denen wir stets aufrecht und loyal gelebt hatten. Damals als alles noch friedlich war oder es uns so vor kam, weil wir uns im Paradis befanden. Eins war offensichtlich, so älter man wurde, desto klarer wurde die Sicht. Man fühlte, und wurde Zeuge dabei, dass die Welt nicht nur von dem Guten umgeben war. Wir waren von Heuchlern und Verrätern umzingelt und es lag einzig allein in unserer Hand, mit wem und was wir uns identifizieren wollten.

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Willkommen bei Schmerzensruf, in der Geschichte, in der ich mich in den tiefsten Spuren meiner Seele verlieren werde.

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