Kapitel 31 - Verreinte Seelen

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Ich sah in seinen Augen die Flut, die ihn überwältigte. Den Kampf zwischen tun und nicht tun. Zwischen loslassen und festhalten, zwischen Ruhm und Armut.

Es fiel uns schwer Dinge loszulassen. Gerade bei denen wir glaubten sie würden uns Profit geben, sie uns aber nichts weiteres als Schaden brachten.

Im Leben mussten wir lernen uns von Dingen zu distanzieren, die uns nicht gut tan und feste an Dingen halten, bei denen wir mehr als nur sicher waren, dass sie uns gut taten.

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Aliye Şahin

Sie atmet heißt es. Ihr geht es gut. Sie soll ihn vergessen. Es gibt kein zurück für ihn.

Mit einem Mal erhebe ich von meinem Platz und range nach Luft. Der große Raum in dem wir uns befinden, fühlt sich erdrückend an. Die Wände fallen auf mich. Es wird immer enger und da wo ich glaube zu fallen, hällt mich etwas fest. Die Stimmen will ich nicht hören, denn sie zerreißen mich. Sie zerreißen und mich und ihn. Sie reißen uns bevor wir uns finden können. Das erlaube ich nicht. Meine Augen schauen verschwomen auf. Shirin. Shirinamin. Ich will fallen. Meine Augen schließen können. Sie lässt es nicht zu, ihr halt wie ein Gefel. Jegliche Kraft einfangend lächele ich meiner besseren Lebenshälfte zu. Wie kann ein Mensch der genauso viel leidet, so viel Kraft verspüren lassen. Zittern tue ich, als Shirins Mutter mitten im Raum zu uns kommt und uns in ihre Arme zieht. Tränen wollen nicht stillen, während ich weiß, dass sie fließen müssen, weil sie uns sonst umbringen.

Sie nimmt meinen Kopf an sich, ihre Hände umgreifen meine Wangen und ihre Lippe legt sich sanft auf meiner Stirn nieder. Ich fühle wie sie meinen Duft in sich zieht "Keça min (Meine Tochter)", halt es aus ihren Lippen und ich merke wie es in mir erzittert, so als würde meine Mutter vor mir stehen. Sie war nicht meine leibliche Mutter doch ich hatte eine unheimlich schöne Bindung zu ihr. Sie gab einem das Gefühl richtig bei ihr zu sein. Richtig in den Armen eines Engels.

Sein Duft hatte sich auf dem Pullover eingezogen, den mir seine Mutter in die Hand reichte. Eine Träne fiel und ich nahm ihn an mich erst an meine Brust drückend. An meine Brust drückend, so als würde sein Herzschlag meine Brust durchdringen. Dann nahm ich es an meine Nase und roch an diesem, als sei er for mir und würde mir seinen himmlischen Duft preisgeben. Das ganze fühlte sich wie eine Existenz und eine Abwesenheit an. Ich wollte nicht ein Stück umarmen. Ich wollte ihn. Seine Seele liebkosten. Mich von seinem Duft bereichern lassen. Seine Existenz spüren und ihm sagen, wie sehr dieses Herz führ ihn Schlug. Das alles wartete wie verrückt darauf ausgelebt zu werden.

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Nabil Ayan

„Bruder er öffnet seine Augen !" halt Karans Stimme und ich höre die Freude heraus während ich das Auto fahre und meine Fingespitzen sich fester an das Lenkrad drücken. Aus Freude, weil ich meinem Schöpfer zutiefst danke. Er sitzt neben mir und auch ich bemerke das seine trüben Augen sich öffnen. Vorsichtig richtet er sich. „Wer seid-" er unterbricht sich. „Du hast mir geholfen." Ich sage nichts dazu, ich möchte das er etwas klar kommt, sich selbst an das ganze erinnert soweit er den kann. Wir sind gleich beim ihm zuhause, so sagt es der Navi der möchte, dass ich die nächste Ausfahrt nehme. „Warum schweigst du ?" Er dreht sich und sieht die anderen Jungs, die ihn alle brüderlich anlächeln. Verwundert erwidert er das Lächeln und lacht kopfschüttelnd. „Was ist das nur für ein Leben. Hayat ich schwöre bei Gott du bist eine Kahba", ertönt seine Stimme und ich sehe, dass er grinst, während er sich umschaut und ich mir daraufhin sicher werde, dass der Typ mit dem ich gesprochen hatte uns keine falschen Informationen gegeben hat.

Die Jungs lachen alle laut auf. „Inta arabia (Bist du Araber) ?", will Huseyn wissen, der selbst Araber ist. „Ana Kurdi Habibi (Ich bin Kurde Schatz)", halt seine Stimme und diesmal grinse auch ich.

„Bist gleich zuhause Bruder", spreche ich diesmal und seine Blicke drehen sich zu mir. Seine Hand legt sich auf meine Schulter und er klopf auf diese. „Erst meine Familie. Danach haben wir lange was zu bereden." Ich sehe die Ruhe in seinen Augen und biege das Auto in die Straße rein, in der das vermeintliche Haus sein soll.

„Komm mit", sagte er und steigt aus während ich zugleich überrascht aber ihm folgend das Auto verlasse. Vor der Tür öffnet sie uns jemand und lässt uns reinretten. Aber schaut uns nicht mal ins Gesicht. Ich höre Stimmen des Leides und der Trauer. Er bewegt seine Schritte in eines der Räume und ich folge ihm. Keiner von uns sagt was, es erinnert mich an den Tag als ich meinen Bruder verlor und in das Haus eintrat, in der alle Gäste warteten, die gekommen waren um uns Beileid zu wünschen.

„Miran wird kommen. Ich fühle es", halt eine Stimme. „Bei Gott, ich fühle es einfach." Alle Blicke drehen sich zu uns und ich sehe die schockierten Gesichtszüge. „Ich möchte nicht mein Lebenlang an Pullover umarmen, der seinen Duft aufgefangen hat. Ich möchte ihn", sagte das Mädchen mitten im Raum, welche ihren Rücken zu uns gedreht steht. Keiner kann was sagen, als hätten alle im Raum ihre Zunge verschluckt. Bei dem letzten wird sie ruhiger, sie flüstert fast schon. Ihre Hoffnung ist da, doch sie leidet unheimlich das höre ich heraus.

Miran lässt sie nicht lange warten und dreht sie zu sich. Ich sehe wie ihre Augen aufgehen und sie ihre Arme um seine legt. Sie weint und ihr lautes Schluchzen halt im ganzen Raum. Er drückt sie fest an sich und ich schwöre bei Gott alle im Raum sind wie versteinert, als wären sie in der Kälte erforen während die beiden in der Mitte wie glühendes Feuer füreinander brennen.

*

Hallöchen da bin ich mal wieder nach einer sehr sehr langen Zeit. Ich hatte leider überhaupt keine Zeit zum schreiben, doch habe es endlich geschafft heute ein Kapitel zu schreiben. Ich hoffe es gefällt euch.

SchmerzensrufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt