Kapitel 11 - Der Verräter

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Abeds Worte verdrängte ich, denn ich wollte ihn zur keiner Erklärung drängen. Er hatte die folgenden Worte ausgesprochen, deshalb sollte er sie auch weiterführen. Minuten verstrichen. Still standen wir in der Abenddämmerung und lauschten den Autos auf der Straße. Obwohl es ziemlich dunkel war, waren noch recht viele Autos unterwegs. Mal schaute ich auf die eine Seite, von der die Autos kamen und mal zur anderen. Es wirkte jedoch alles anders auf mich. Still. Verlassen und Verdunkelt. Die vollen Straßen blendete ich ab. Die Realität blendete ich im ganzen ab. Denn ich wollte weder in der Vergangenheit, noch in der Gegenwart oder in der Zukunft sein. Ich wollte einfach die Sanduhr stoppen. Zeitlos und Grenzenlos sein. Ich wollte nichts fühlen, meinem Herzen und meiner Seele eine Auszeit geben. Sie von den Lasten und Schmerzen befreien.

Meine Blicke richteten sich zum Mond, als ich mitbekam wie Abed neben mir durchgängig dahin blickte. Dort verlor ich mich einen Augenblick. Im Lichte der Finsternis, vielleicht aber auch im Lichte der Reine.

Ich nahm meine Blicke vom Mond und schaute zu Abed. Er stand dicht neben mir, um sein Gesicht anschauen zu können musste ich jedoch meinen Kopf etwas in die Höhe richten.

»Siehst du diesen Mond.« Er nahm seine Blicke nicht vom Mond. Ich jedoch schaute immer noch zu ihm.
»Schau ihn dir an.« Erst nach seiner zweiten Aufforderung richtete ich meinen Blick von ihm, zu dem über uns im Lichte ruhenden Mond.

»Manchmal ist einer von uns wie der Mond. Er steht über den anderen, belichtete sie, gibt ihnen halt, stärkt Ihnen den Rücken. Holt sie aus der Dunkelheit und führt sie zum Licht.«
Mit offenen Ohren lauschte ich seiner Worte und lächelte dabei, wie er die Freundschaft, sogar viel eher die Brüderschaft, die zwischen den Jungs herrschte in Worte gefasst hatte.

»Und weißt du wie wir ohne unseren Oberhaupt sind, unbelichtet und verlassen. Wenn mein Bruder nicht da ist dann bin ich nichts. Er ist ein Teil von mir. Wenn ein Teil von ihm brennt, dann glühe ich Aliye, dann kann ich nicht. Dann gibt es mich auch nicht.«

Ich fühlte einen unheimlichen Stich an meinem Brustkorb, eine Träne und anschließend die nächste Träne folgte aus meinen Augen. Da merkte ich, dass man seinen Gefühlen keine Auszeit geben konnte. Denn Gefühle waren nicht kontrollierbar, wenn etwas Schmerzhaftes passierte, dann konnte man nur Schmerz füllen. Deshalb war es auch immer überflüssig einem Menschen der tief in seinem Inneren einen fast schon unerträglichen Schmerz spürte zu sagen, dass alles vergehen würde. Ja es wird vergehen du Blitzmerker, aber die Narben werden stets bleiben. Sie wird niemals vergehen können. Menschen die nicht wissen, wie sie einen Menschen halt geben können, kennen das nicht was ihr Gegenüber fühlt. Sie haben da die Wahl, entweder versuchen Sie diesen Menschen zu verstehen oder aber sie lassen es einfach. Denn es gibt manche Menschen, sie wollen helfen, aber mit ihren darauf kommenden Worten und Taten zerstören sie alles noch viel mehr.

Abed hatte sich zum Teil mir geöffnet.
Glückshormone überhäuften mich wenn Menschen mir Persönliches von sich anvertrauten. Denn das hieß, dass sie mir Vertrauten, dass ich ihnen das Gefühl vermitteln konnte, immer ein offenes Ohr zu haben, gleichzeitig gaben sie mir auch die Möglichkeit, mich für Sie und ihre Sorgen einsetzen zu können, welches wahrlich das Schönste für mich war. Wer würde den nicht seinem Liebenden aus der Grube helfen, wenn dieser fallen würde.

Meinen Körper drehte ich in seine Richtung. Er schaute immer noch geradewegs zum Mond, zu seinem halt.

»Abed«, sagte ich, meine Stimme klang leise, ich schluckte laut und legte meine Hand auf seine Schulter. Mein Herz brannte auch. Meine Seele schmolz auch, mein Brustkorb engte sich auch ein. Seine blicke wendete er in meine Richtung. Ich sah diesen Schmerz in seinen Augen, von wegen ein Mann fühlte nichts. Ich sage es euch, Männer können den Schmerz spüren und wie sie diesen Schmerz fühlen können. Manchmal haben sie es sogar viel schwieriger. Denn sie dürfen ihren Schmerz nicht zeigen, im Gegensatz zu uns Frauen, weil die Gesellschaft meint, der Mann würde nicht fühlen, er würde nicht weinen können. Er sei immer stark. Eins muss man jedoch klarstellen, dass ist unmöglich. Das geht einfach nicht. Wir sind Menschen und ein Mensch kann nun nicht immer den Schmerz unterdrücken. Er kann nicht immer stark bleiben, denn irgendwann kommt das Fas zum Überlaufen. Vielleicht baut er eine Fassade um sich, doch der Schmerz in seinem Brustkorb ruht weiterhin dort.

Gefühle zeigen bedeutet niemals Schwäche zeigen. Ich weiß nicht zur welcher Kategorie Mensch ich gehöre, denn so einfach ist das nicht zu sagen, aber eins kann ich sagen, wahrlich ist der am Stärksten, der seinen Gefühlen einen freien Lauf lässt. Denn dieser hat keine Angst davor bei den anderen als "Schwacher", anzukommen. Und wer keine Angst hat, der bekommt meinen Respekt.

Er schaute zu mir, er wartete auf Worte die ihm einen halt geben sollten. Doch das alles was ich in mir spürte, dass alles was in meiner Seele verankert war und raus wollte, war wie in mir versperrt. Wie als hätte jemand einen Schloss um meine Lippen gelegt um den Worten die meine Lippe verlassen wollten keinen Austritt zu Gewehren. Stumm schaute ich deshalb zu ihm.

Als jedoch meine Hand, die auf seiner Schulter ruhte keinen Halt mehr hatte und fast stürzte, merkte ich wie Abed von mir weggezerrt wurde.

»Wie konntest du nur«, hörte ich den Jungen neben ihm schreien und schon landete eine Faust auf Abeds Gesicht. Erschrocken schrie ich auf.
»Schämst du dich nicht«, mit voller Aggression folgte die zweite Faust.
»Schämst du dich nicht, während Miran da liegt, hier sich an seine Geliebte ran zu machen«, die dritte Faust folgte sofort darauf. Abed blieb stumm ohne jegliche Reaktion, er wehrte sich kein einziges Mal.
»Miran und ich haben euch auch auf der Hochzeit gesehen.« Seine Atmung war schnell, ich hörte regelrecht wie er ungeduldig ein und aus atmete, so wie als würde ihm die Luft wegbleiben.
Die Wut, die er in sich verspürte, die Schläge, die er durch die Fäuste ausgeübt hatte, kosteten ihm Kraft.
»Antworte mir du Verräter«, schrie er so laut, dass alle aus dem Krankenhaus raus stürmten. Bei seinen letzen Worten hatte er seine Hände auf Abeds Kragen gelegt und hielt ihn dort fest. Wie gelähmt stand ich da und konnte nichts machen. Weder bewegten sich meine Füße, noch konnte mein Mund sich öffnen und sich von den Schlössern, die um sie gelegt waren lösen. Ich konnte meinen Ohren nicht trauen, entweder waren sie im Rausche verfangen oder sie brachten nur die Wahrheit ans Lichte, welche der Nebel in seiner Dunkelheit verdeckt hatte.

*

Meinungen über das Kapitel sind sehr gerne erwünscht meine süßen Leser.

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