Kapitel 08 - Miran

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»Miraaaan«, schrie ich mir meine Seele aus dem Leib, während ich mich auf meine Knie warf. Was war das für ein Schicksalspiel. Spiel war eher untertrieben, es war vielmehr ein Schicksalsschlag, ein fester Schlag, der mit einem durchlöchernden Schuss kam und mich unerwartet an meiner empfindlichsten Stelle getroffen hatte.

»Aliye«, hörte ich meinen Bruder vom weiten schreien, was dazu führte, dass ich noch lauter und inniger weinte.

»Miran bitte, bitte öffne deine Augen.« Ich legte meinen Kopf auf seinen Brustkorb und lauschte dem Herzschlad, der mich erleichterte. Die schnellen Schritte untergingen mir nicht, weshalb ich meinen Kopf aufrichtete und dahin schaute.

»Miran«, hauchte mein Bruder und kniete sich zu mir.

»Aliye was ist passiert ?« Seine Augen schauten mich durchstechend an. Innerhalb von Minutwn legte er seine Hand auf Mirans Brust und fing plötzlich an eine Herzmassage durchzuführen. Ich blickte nicht mehr durch und schaute wie gelähmt das Szenario an. Vorhin war doch noch alles in Ordnung gewesen, sein Herz war doch ganz normal am schlagen gewesen. Warum hatte sich diese Tatsache innerhalb kürzester Zeit verändert. Ich wollte das nicht.

»Miran du bist ein Kämpfer, komm schon«, hörte ich meinen Bruder sagen. »Lass uns nicht im Stich, lass deine Familie nicht im Stich. Sie braucht dich.« Mein Bruder wurde immer schneller und übte immer mehr Druck aus, was das Blut in meinen Sehnen zum stehen brachte.

»Aliye.« Nach einigen Minuten ertönte eine schwache Stimme aus Mirans Mude. Die Herzmassage hatte ihn wieder zu sich gebracht. Ich dankte Gott dafür und richtete mich auf um mich aus meiner Lähmung zu lösen. Aufmerksam  schaute ich in an. Er nahm meine Hand in seine, was ich nicht erwartet hatte.

»Adem.« Er machte eine Pause atmete langsam ein und dann wieder aus. »Wenn dann würde ich nur für sie kämpfen, für deine Schwester, für Aliye.« Der Gesichtsausdruck meines Bruders änderte sich, überrascht richtete er seinen Blick von Miran zu mir. Ich weinte nur noch mehr und drückte Mirans Hand und versuchte mich zu beruhigen um etwas sagen zu können.

»Dann kämpfe für mich Miran, werde für mich stark. Ich werde bei dir sein. Ich verspreche es dir, aber bitte lass uns nicht im Stich.« Mein Bruder schaute still zu uns, er sah genauso mitgenommen aus. Der verdammte Krankenwagen war immer noch nicht gekommen. Mitten auf einem dunkeln Parkplatz, indem sich keine Menschenseele außer uns befand, warteten wir vergeblich um Hilfe.

Mirans Augen schloßen sich wieder einmal. »Miran du darfst deine Augen nicht schließen, halt sie offen Bruder.«

»Schau mich an Miran«, sagte ich diesmal.

»Ich-« er schluckte, »habe gesagt, dass ich dir aus dem Weg gehen werde, aber siehst du ich kann es nicht. Dafür bist du zu tief in meiner Brust verankert.«

»Pscht, dass ist gerade nicht der richtige Moment dafür.« Während meiner Worte legte ich meinen Zeigefinger sanft auf seine Lippe.

»Du musst jetzt stark sein.« Ich wischte meine Tränen weg und versuchte zu lächeln um ihm Kraft geben zu können. »Das werden wir besprechen wenn du wieder fit vor mir stehen wirst«, ergänzte ich.

Auf meine Worte hin fühlte ich wie sein Körper einen Stillstand bekam. Als hätten meine Worte das Gegenteil bei ihm bewirkt. Unter dem Schock hörte ich sofort darauf die Sirenen des Krankenwages, die immer näher kamen.

»Sein Herz-« sagte, ich während mich eine Atemnot packte. »Es- es hat gerade eben aufgehört zu schlagen«, schrie ich während die Männer ihn auf die Liege legten. »Machen sie was«, schrie ich weiterhin und wendete mich zu meinem Bruder. Zu meinem Helden, der mir in jeder Notlage zur Seite stand.

»Sag ihnen, dass sie was machen sollen, bitte, ich flehe dich an.« Mein Bruder umarmte mich, doch auch seine starken Arme gaben mir nicht genug Kraft. Er fasste mich während meine Beine dabei waren nach zu lassen und trug mich zum Auto. Der Krankenwagen war schon vorbei gefahren und sofort raste mein Bruder diesem hinter her. Obwohl mein Bruder mir immer zur Seite stand wusste ich diesmal das nichts in seiner Hand lag. Diese Momente waren die schrecklichsten in meinem Leben. Es gab keine Worte, die diesen Schmerz, diese Last in Worte fassen konnten.

Die Autofahrt kam mir wie eine Unendlichkeit vor. Als wird dann endlich unser Ziel erreicht hatten, warf ich mich fast aus dem Auto und rannte ohne zu meinem Bruder zu schauen den Männern nach die Miran hektisch mit der Liege ins Krankenhaus führten. Sie führten ihn in die Intensivstation und ließen mich nicht rein. Voller Hoffnung wartete ich auf eine Nachricht, die mich aufblühen sollte.

Doch sie kam nicht. Ich bekam wieder Atemnot. Meine Luftröhre schnürte sich ein und als dann noch meine Beine mich nicht mehr hielten, war ich kurz davor zu fallen. Mein Bruder hielt mich ein zweites Mal gerade noch auf. Er schlang seine Arme um meinen Körper und ich fing an wie verbittert denn ganzen Schmerz aus meiner Seele zu weinen. Wie hätte man wissen sollen, das es einen Menschen den es gab plötzlich auf der nächsten Sekunde nicht mehr geben könnte. Zwar wusste man es, man sollte immer vorbereitet sein, wurde man immer wieder gewarnt, aber man wollte es nicht wahrhaben, dass war das problem. Man bindetete sich zu sehr an Menschen, deshalb konnte man ihre Abwesenheit nicht ertragen.

»Aliye«, hörte ich die tiefe Stimme meines Bruders sagen. Wir warteten vor der Intensivstation auf eine Nachricht. Noch immer flossen meine Tränen. Die Stimme meines Bruders führte dazu, dass ich mich von ihm löste. Er legte seine Hände auf meine Wangen und küsste meine Stirn.

Dieser Kuss gab mir so viel Kraft. Noch nie zuvor hatte er dies getan. Es war das erste mal und gleichzeitig hatte es so eine unbeschreiblich schöne Wirkung gehabt. Ich schloß meine Augen und versuchte wieder regelmäßig zu atmen, doch ein lauter inniger Schrei hielt mich davon ab.

*

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