Andreas und ich verließen den Saal. „Ich hätte ja Gedacht, dass du Julie für die Illusion nach unten holst und nicht ihre beste Freundin.", entgegnete Andreas, als wir draußen vor der Tür standen. „Ich hab' doch bemerkt, dass du sie gesehen hast." Das stimmt, ich habe sie gesehen, auch wenn sie sich geduckt hatte. Wie hätte sie mir verborgen bleiben können. Natürlich musste ich erst ein paar der Sitzreihen absuchen, doch ich hatte sie gefunden und ich glaube, sie hatte es auch bemerkt. Ansonsten hätte sie sich wohl kaum geduckt. „Das wollte ich auch erst, doch irgendwie wäre das doch zu auffällig gewesen, oder nicht?" Im Nachhinein bedauerte ich, dass ich nicht sie für die Illusion gewählt hatte. Andreas legte mir seine Hand auf die Schulter. „Bruder, du musst selber wissen was sie dir bedeutet. Du wirst schon die richtige Entscheidung für dich treffen. Da bin ich mir sicher. Aber komm, wir müssen weiter. Die nächste Vorlesung wartet", er zwinkerte mir zu und machte sich auf den Weg zum nächsten Saal, schließlich hatten wir noch einiges vor heute. Ich blieb noch ein Moment stehen, um über seine Worte nachzudenken. Ich musste unbedingt mit ihr reden. Ich wollte sie so gern besser kennenlernen, denn sie hatte mich komplett in ihren Bann gezogen. Kurz darauf wurde ich unsanft angerempelt und bekam auch gleich einen Dummen Spruch an den Kopf geknallt. Fast hätte ich sie nicht erkannt, diese Stimme die mir nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. Es war Julie, die mit tränen erstickter Stimme fragte, ob ich denn nicht wo anders rum stehen könnte. Ich drehte mich um und sah, das auch sie ziemlich erstaunt war mich anzutreffen. Denn kaum das ich sie an sah, wandte sie den Blick ab und war im Begriff in die andere Richtung zu laufen. Doch nochmal würde ich sie nicht gehen lassen. Ehe sie wegrennen konnte, packte ich sie am Arm und hielt sie fest. „Julie?", fragte ich mit sanfter Stimme und drehte sich vorsichtig in meine Richtung. „Geht es dir gut?" Anscheinend hatte sie geweint, dies hörte ich schon an ihrer Stimme als sie mich anschrie. Doch was war geschehen. War sie traurig, dass ich Liz und nicht sie für die Illusion gewählt hatte? Ich wusste es nicht, doch hoffte ich inständig dass sich das gleich ändern würde. Sie schaute zu Boden. Sie blickte mich nicht an, schaute nur stumm auf den Boden. Vergeblich wartete ich, doch wollte ich mich damit nicht zufrieden geben. Sie sollte merken, dass ich mich dafür interessiere wie es ihr geht. Langsam nah ich meine Hand und hob sacht ihr Kinn an, sodass sie gezwungen war auf zu schauen. Für den Bruchteil einer Sekunde schaute sie mich an, doch dann kniff sie die Augen zusammen und drehte den Kopf zur Seite. Es fühlte sich schrecklich an, dass sie meinen Blicken auswich und auch sonst kein Ton von sich gab. Langsam wusste ich nicht mehr was ich machen sollte und stieß einen Seufzer aus. Ich bemerkte wie ihr die Tränen über das Gesicht rannen und ich drohte innerlich zu zerspringen. Es war seltsam was dieses Bild von ihr in mir auslöste. Doch ehe ich weiter darüber nachdachte, wischte ich ihr die Tränen sanft mit meinem Daumen weg. Ich merkte nicht, dass ich näher an sie heran getreten war, doch nur wenige Zentimeter trennen uns noch. „Nicht weinen.", flüsterte ich und hoffte, sie so etwas beruhigen zu können. Am liebsten hätte ich sie in den Arm genommen. Sie öffnete ihre Augen und schaute direkt in meine und im nächsten Augenblick änderte sich die Atmosphäre schlagartig. Ohne Vorwarnung, stieß sich mich zur Seite und rannte weg. Eigentlich hätte ich ihr sofort hinter her rennen müssen, doch meine Beine bewegten sich keinen Millimeter. Ich stand wie angewurzelt auf dem Boden und blickte ihr nach, bis sie verschwand. Im nächsten Moment öffnete sich die Tür, von dem Saal aus dem wir gekommen waren und Liz stand vor mir. Vollkommen überrascht mich zu sehen. „Was machst du denn noch hier? Müsst ihr nicht weiter?", fragte sie und schaute mich verwundert an. „Ja, schon. Andreas ist auch schon in nächsten Saal. Ich hab Julie hier ganz zufällig getroffen...", ich konnte nicht weiter sprechen da Liz mir sofort ins Wort fiel. „Apropos Julie, wo ist sie denn? Ich wollte mich grade auf den Weg machen sie zu suchen." Noch bevor sie den Satz richtig zu Ende Sprach, ertönte ein schriller schmerzerfüllter Schrei. Mein Puls beschleunigte sich. Das konnte nichts Gutes heißen. „War das etwa...", begann ich meinen Satz und welchen Liz mit dem Wort ‚Julie" beendete. Wie von Blitz getroffen rannte sie los und ich ihr hinter her. Da sich Liz besser auskannte, war sie als erste bei Julie angekommen, was ich merkte, da auch sie einen Schrei ausstieß. Ich nahm die Beine in die Hand und kam vor der Damentoilette zum Stehen. Das Bild was mir bot war erschreckend. Der Boden war voller Spiegelscherben, welche Blutverschmiert waren und mitten drin lag Julie. Um die linke Hand hatte sie einen Verband gewickelt, welcher vollkommen Blut durchtränkt war. Liz kniete neben ihr in den Scherben, hielt ihre andere Hand und war vollkommen neben sich. „Oh mein Gott, du musst sofort einen Krankenwagen rufen.", schrie sie mir unter Tränen zu. So schnell ich konnte, kramte ich mein Handy aus der Hosentasche und rief einen Krankenwagen zur Uni. Nachdem ich das tat, betrat ich den Raum, ging auf Liz zu, wobei ich ihr eine Hand auf die Schulter legte. „Alles wird gut, die Ärzte sind unterwegs". Ich versuchte so ruhig wie möglich zu wirken, was gar nicht so einfach war. Während Liz ein paar Mal durch atmete, nahm ich ihre Blut verschmierte Hand von Julies Handgelenk. „Komm, geh dir erstmal die Hände waschen. Ich mach das schon" Liz stand auf und ging zu den Waschbecken um sich das Blut von den Händen zu waschen. Ich kniete mich nieder und nahm ihre Hand. In ihrem Handgelenk stecke eine größere Scherbe, welche ich versuchte ganz vorsichtig raus zuziehen. Nur wenige Zentimeter bewegte sie sich und es begann wieder stärker zu Bluten. Ich holte ein Tuch aus meiner Jacke und band es um ihr Handgelenk, in der Hoffnung damit die Blutung etwas zu stillen, damit sie nicht noch mehr Blut verlor. Dann hob ich sie auf meine Arme und machte mich auf den Weg Richtung Ausgang. Liz folgte mir und zeigte mir den Weg. Kurz bevor wir wieder in den Trakt kamen, wo sich der Audimax 1 und 2 befanden, in denen wir zuvor zauberten, kam auch schon Andreas auf mich zu gestürmt. „Was ist passiert? Geht es ihr gut?" Auch die anderen Schüler und auch die Lehrer hatten sich auf den Fluren versammelt. „Nein, sie muss sofort ins Krankenhaus!" Just in dem Moment, kamen auch schon die Rettungssanitäter in die Uni. Ich legte Julie auf die Trage die sie dabei hatten und sie sprinteten Richtung Ausgang. Alles ging so schnell, das ich kaum wusste was als nächstes kommt. Wir gingen den Sanitätern hinter her, nach draußen, wo auch schon der Krankenwagen bereit stand. Sie schoben sie hinein. „Können wir mit kommen?" Es war Liz, die diese Frage stellte und die Sanitäter nickten. Sie winkte mich zu sich und wir stiegen beide in den Krankenwagen, wo sie Julie an alle möglichen Geräte anschlossen. Mit Blaulicht und einen karacho sausten wir durch die Stadt zum Krankenhaus.