Dinner 3

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„Robin, komm mal her." Manuel machte einen Wink. Ich trat bis vor die Bühne.

„Hey Manu. Ihr spielt echt gut.", sagte ich, als hätte ich nie damit gerechnet ihm ein solches Kompliment zuzugestehen.

„Willst du auch mal? Vielleicht spielen wir dann ja noch besser? Komm schon, lass dich einfach darauf ein." Verblüfft von diesem Angebot grinste ich vertrottelt und zuckte die Schultern. Die Aussicht mit Manuels Band zu spielen, war zuckersüß.

Der Gedanke mal mit anderen zusammen zu musizieren, reizte mich sehr. Aber sollte man das nicht vielleicht wenigstens etwas geübt haben, bevor man sich auf so einer Veranstaltung auf die Bühne stellte?

„Das darf ich doch gar nicht, oder?" Bedeutungsschwer sah ich mich um.

„Wer ist hier der Bandleader?"

„Du nicht, Manu.", mahnte die Gitarristin grinsend und stellte ihre Wasserflasche zurück auf den Boden,

„Klar darfst du, Robin. Der wichtigste Teil, also der Hauptgang, ist schon vorbei und hier sind doch eigentlich alle ganz locker drauf."

Ich verzog das Gesicht, Manu nickte mir auffordernd zu, winkte und streckte mir kurzerhand die Hand entgegen. Stur drehte ich mich auf den Fersen nach hinten und schob meine Daumen in meine Tasche.

„Wenn du diesen Akkord nicht spielen kannst, habe ich als Lehrer versagt.", er zwinkerte mir zu. Das hieß, was auch immer er mir zeigen würde, war sehr einfach, richtig?

„Okay." Ich überwand mich, nahm seine Hand und er zog mich auf die Bühne. Zu einem unhörbaren Song nickend, hängte er mir seinen Bass um. Er lächelte mir zu und nahm mit zwei vorsichtig gesetzten Rückwärtsschritten Abstand, als würde ich den Bass von meinem Hals reißen und weglaufen, wenn er eine unerwartete hektische Bewegung machte – was durchaus eine begründete Sorge war. Auch seine Bandkollegen nahmen sich wieder ihrer Instrumente an.

Ich fuhr auf, „Warte, welche Akkorde?"

Manuel grinste schelmisch. „Lass deinen Rhythmus durch deine Finger fließen.", murmelte er kryptisch, setzte sich auf eine Cajón und spielte auf dem Holz einen Takt an. Meine Gesichtszüge entgleisten. Wie jetzt? Er wollte, dass ich improvisiere?


Offenbar deutete er meinen heruntergeklappten Unterkiefer richtig. „Du bist gut.", versuchte er mich zu überreden. Gut genug um vor Publikum aufzutreten, war ich aber noch lange nicht. Bedröppelt stand ich in der Ecke, in einem Halbkreis mit den anderen Musikern. Mit anderen Musikern zusammenzuspielen setzte meiner Meinung nach viel mehr voraus, als das was ich konnte und dann auch noch spontan...

Manus Bandkollegen stiegen nacheinander mit ein. Überfordert zischte ich die Luft durch meine Zähne aus.


Die Leute interessierten sich im Moment gar nicht für uns. Diese Erkenntnis löste einen unsichtbaren Rucksack voller Gewichte und machte es mir huntertmal leichter, mich auf das hier einzulassen. Es war geschehen: Zur Abwechslung mal eine Feststellung, die konstruktiv war obwohl ich sie meiner Diebeshaltung verdankte.

Ich zögerte und ließ ihre Melodie auf mich einprasseln. Plötzlich hatte ich etwas im Ohr, das gut zu dem passte was die anderen spielten, aber ich packte es nicht den Einfall umzusetzen. Die Grundidee stimmte jedoch, ich schlug die Saiten an, probierte aus, änderte nochmal den letzten Griff und fand, dass das ganz passabel klang. Es war nur eine simple Tonfolge, die jedoch geschmeidig im Hintergrund der anderen Instrumente schwang, ihren Klang hervorhob und das Lied mit einem doppelten Boden unterlegte. Langsam bekam ich ein Gefühl für das, was wir hier taten.

Die Gäste setzten sich wieder alle um die lange Tafel und widmeten sich dem Nachtisch. Jetzt wurde es etwas ruhiger und man konnte uns besser hören. Nervös sah ich von den Saiten auf. Ein zittriger, ziemlich verhauener Ton entkam meinem E-Bass, kurz sah ich wieder auf das Instrument, korrigierte mich und beobachtete wieder unruhig meine Beobachter. Wenn ich den Auftritt vergeige, geht das auf Manuels Kappe, dachte ich, beruhigte mich etwas, bekam aber eine Gänsehaut von dem Gefühl, jetzt wirklich irgendwie im Mittelpunkt zu stehen.

Die Gäste aßen und redeten untereinander. Sie sahen nur manchmal zur Band, trotzdem fühlte ich mich unwohl, als würde ich mitten im Rampenlicht stehen, was, wenn man es wortwörtlich nimmt auch zutraf.

Plötzlich wechselte Manuel den Rhythmus, die ganze Band zog nach. Perplex griff ich einen anderen Akkord und landete einen Glückstreffer. Der Bass schrillte auf und verlieh dem Lied einen Aufschwung, auf den der Trompeter sofort ansprang und eine extravagante Einlage improvisierte, die die speisenden Werwölfe dazu veranlasste, uns angetan anzustarren. Grinsend lauschte ich, in meinen Ohren klang das großartig, der Blechbläser hatte es echt drauf.

Bevor ich mich von der plötzlichen Aufmerksamkeit wieder ablenken ließ, senkte ich den Blick, spielte abgestimmt auf die Band und hütete mich davor, an unsere Zuschauer zu denken.


„War gut, oder?", grinste Manuel breit.

„Sehr.", nickte ich, streifte das Band über meinen Hals und lehnte das Instrument an eine der Boxen.

„Weißt du, Kleiner, manchmal lohnt es sich über seinen Schatten zu springen.", sagte Manuel, seine Stimme klang völlig high. Über seinen Augen lag ein trüber Schleier. Wie weit nahm er mich und seine Umgebung noch wahr?

„Danke, Manu. Das hat echt Spaß gemacht."

„Arschtritte geben ist mein Spezialgebiet. Immer wieder gerne, Robbie." Für einen kurzen Moment blitzte die Erkenntnis durch, dass er meine Liebe zur Musik auf einer neuen Ebene entfacht hatte. Wegen ihm wollte ich E-Bass spielen lernen und für mich eröffnete sich dadurch eine Perspektive, die mir Halt geben würde, bis ich mich um meine Angelegenheiten gekümmert hatte.

Alles was ich im Augenblick dazu sagen konnte, war ein ehrlich gemeintes Danke. Fahrig strich er über meine Haare, lächelte mir ermutigend zu. Spielerisch boxte ich gegen seine Schulter. Wir grinsten uns an. Dann ließ ich ihn mit seiner Band alleine.

Die Diebe des MondamulettsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt