Der Schlüssel

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Das war ja noch ein Teenager. Als Sophie über Felix gesprochen hatte, hatte ich angenommen, es handele sich um einen Erwachsenen. Er war höchstens siebzehn.

Er hatte eine unheimliche Aura. Die Wangenknochen stachen aus dem Gesicht des Silberkillers hervor, Schatten verdunkelten den Kiefer und das Kinn. Er trug ein weißes Hemd, die Ärmel hochgekrämpelt, wie Jemand der irgendwie mit den Händen arbeitet, aber dazu passte das Weiß seines Hemdes nicht. Eine dunkelblaue Markenjeans schien trotz etwas Staub und Sägemehlspäne schick und hochwertig. Wären die Sachen sauber gewesen, hätte er locker ohne aufzufallen in den selben teuren Restaurants wie Sophies wohlhabende Familie essen gehen können. Durch die Haut an seinem Hals deuteten sich sehnige Strukturen an und ein spitzer Kehlkopf ragte hervor. Für einen Moment dachte ich, er hätte dunkle Augen. In Wahrheit waren sie sehr hell, doch sie wirkten verschleiert und dunkel, so lange man sie nicht genauer ansah.

Er machte einen Schritt auf mich zu. Sofort sprang ich auf die Füße. Er grinste und sah dabei wahnsinnig aus.

„Du benutzt nur selten die Eingangstür? Robin Seelvert?", fragte er, als ob er sich das im Hinterkopf notieren würde. Er kannte meinen Nachnamen. Ich biss die Zähne aufeinander. Während er erzählte, griff er hinter sich und holte einen handlichen, silbernen Camcorder aus seiner Tasche von der Werkbank. Ohne eine Antwort zu erwarten, klappte er das Display der Cam aus, plötzlich blinkte ein winziges Lämpchen rot auf. Ich konnte es ja schon allgemein nicht leiden gefilmt zu werden: Man wusste nie, wann soetwas gegen einen verwendet werden konnte. Aber von einem Killer gefilmt zu werden ließ meine Nerven durchbrennen.

„Was soll das?", presste ich durch die Zähne hindurch.

„Du hast mir den Mondsplitter natürlich nicht mitgebracht. Oder irre ich mich, Welpe? Nein,", beantwortete er sich die Frage selbst, „sonst stündest du jetzt nicht hier, nicht in dieser Gestalt. Schon in Ordnung." Mit jedem Wort kam er auf mich zu, sein Blick schweifte zwischen mir und seiner Cam hin und her.

„Was willst du dann?", fragte ich, meine Stimme nur der Schein von Selbstsicherheit.

Dann stand er vor mir. Mit weit geöffneten Augen legte er mir seine freie Hand auf die Schulter. Für einen Moment hatte ich vergessen, wie stark ich war. Ich rempelte mit meiner ganzen Kraft gegen ihn, er fiel um, sein Kopf stieß gegen eines der Metallregale und brachte den ganzen verstaubten Inhalt zum Klingeln und Rasseln. Benebelt verdrehte der Silberkiller die Augen, der Camcorder schlitterte über den Boden.

Ich hastete zu seiner Tasche auf der Werkbank. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Riko fieberhaft an seinem Schloss arbeitete. Wir brauchten den Schlüssel.

Klebeband, ein gerahmtes Foto, eine Visitenkarte. Ich ließ die Karte in meine Hosentasche wandern, bevor ich weiter kramte. Rikos silbernes Feuerzeug. Beherrscht hielt ich mich davon ab, meinem Kumpel einen Blick zuzuwerfen und dadurch Zeit zu vergeuden. Hinter mir raschelte es und ich ging in die Knie um schnell reagieren zu können, falls der Kerl wieder auf die Beine kam. Handys. Sams Handy, Nekos Handy mit den Anime-Katzen, ich schluckte. Eine zusammengefaltete Landkarte? Noch ein Handy, vielleicht Rikos. Wo war der Schlüssel?

„Robbie, er hat ein Messer!"

„Weg von meiner Tasche!", fauchte der Kerl, mit vor Zorn irrem Blick. Ich sprang zur Seite. Der Silberkiller hielt besagtes Messer auf mich ausgerichtet.

„Du bist stark für einen Jungen in deinem Alter." Drohend stieß der Entführer das Messer in meine Richtung, ich wich zurück und traf mit meinem Hintern gegen die Werkbank. Blitzschnell griff er erneut an und zielte auf meinen Hals. Ich hob die Arme um ihn abzuwehren. Mit festem Griff packte er meine Handgelenke. Die Klinge drückte mit der flachen Seite gegen meine Haut, das Silber brannte auf. Ich biss die Zähne zusammen. Ruckhaft zog ich meine Arme zu mir, der Typ stolperte nach vorne, ich trat ihm mit dem Knie in den Magen.

Die Diebe des MondamulettsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt