Bewahrer

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Montag Morgen. Fünf Uhr. Jemand war gerade in mein Zimmer geplatzt. „Wach auf.", flötete Nicki. Ich blinzelte müde. „Steh auf! Schlafmütze!" Zur Antwort warf ich mein Kissen nach ihr. Sie fing das Kissen und warf es mit Karacho zurück. Murrend drückte ich es auf mein müdes Gesicht. Gedämpft drang ihre Stimme durch die Federn, „Sophie und ich gehen joggen." Sofort zog ich das Kissen weg und scheuchte Nicki aus meinem Zimmer, damit ich mich anziehen konnte. Schmunzelnd zog sie ab.


Hitzig preschten wir zu dritt durch den Wald. Jeder Atemzug schmeckte nach Tau und Sommer. Die Dämmerung nahte, die Dunkelheit wich einem hellblauen Himmel und perfekten weißen Wolken. Kaum Geräusche von anderen Menschen, nur zwei Autos brummten kurz in der Ferne, bevor sie verschwanden. Frühe Vögel stimmten ihr Konzert an.


Nach dem gemeinsamen Frühstück mit Arno und Madelaine gingen Sophie und Nicki in die Schule. Es war ein komisches Gefühl, ohne die Beiden in diesem Haus zurückzubleiben. Mittlerweile war es mir vertraut, nichtsdestoweniger war ich hier fremd. Sehnsüchtig und etwas unsicher starrte ich auf die Tür, die hinter den Schwestern ins Schloss gefallen war.

Madelaine und Arno hatten sich von ihren Töchtern verabschiedet und standen mit mir im Flur. Ich wandte mich an sie.

„Soll ich..", ich zögerte, „Soll ich meine Eltern bitten, mich vom Unterricht abzumelden?"

„Oh, das machen wir. Für eine zweimonatige Schulkrankmeldung müsstest du zu einem Arzt.", Arno sagte das, als wäre das ausgeschlossen, „Wir machen das, keine Sorge." Er zwinkerte.

In Sophies und meiner Schule konnten nur Erziehungsberechtigte Krankmeldungen bekanntgeben.

Verwundert zuckte ich die Schulter, „Okay."

Madelaine rief in meiner Schule an. Strikt, mit kühler Höflichkeit verlangte sie den Direktor. Niemand der keinen Ärger wollte, würde ihr jetzt etwas ausschlagen. Ich spürte ihre Autorität, ohne Zweifel genossen Sophies Eltern Einfluss.

Wenn Schüler selbst anriefen, wurde ihre Krankmeldung als Ausrede abgetan und sie handelten sich eine Verwarnung ein, auf die bei Wiederholung ein Verweis folgen konnte. Ich musste es ja wissen. Auch andere Erwachsene hatten nicht die Autorität einen Schüler vom Unterricht zu befreien. Wenn die Schule nicht wusste, dass Madelaine die Anführerin eines Werwolfrudels war und deshalb eine Ausnahme machte, musste es an ihrer sozialen Stellung liegen. An ihrem Beruf. Oder an dem von vor ihrem Namen, das einen Adelstitel nahe legte. Ich hatte so wenig über Sophies Umfeld gewusst, als ich sie angesprochen hatte. Schuldbewusst spannte ich die Schultern an. Mein Herz ging schneller, eine seichte Welle Schmerz, eine weitere Welle. Schnell kramte ich entspannte Erinnerungen aus meiner Speicherfestplatte und verdrängte meine sorgenvollen Gedanken. Noch hatte ich mich nicht nach dem Beruf ihrer Eltern erkundigt. Den Hinweisen nach, hatten sie zumindest das Wochenende frei. Mich überkam der starke Wunsch rauszugehen und mich auszutoben. Den Kopf frei zu kriegen. Dem Verwandlungsimpuls nachzugeben.

Madelaine stellte das Telefon auf die Ladestation. Das mit meinen Fehltagen - beziehungsweise Monaten - war innerhalb weniger Floskeln geklärt worden. „Vielen Dank, Madelaine."

Sie lächelte mit kalten, blauen Augen, „Dafür nicht." Ihre Stimme war dafür umso freundlicher. „Bis später Schatz." sie küsste ihren Mann.

Palome zog sich ihre kleinen Sandalen an und stürmte zur Tür heraus, „Tschüß Robin!", sie drehte den Kopf über die Schulter, bevor sie endgültig im Garten verschwand. Madelaine machte sich ebenfalls für die Arbeit fertig, auf dem Hinweg würde sie Pao im Kindergarten absetzen. Ich konnte mir kaum vorstellen, wie der kleine Frechdachs in einem Kindergarten zurechtkam.

Die Diebe des MondamulettsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt