Kapitel 20

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»Bringt sie in den Behandlungsraum und guckt nach dem Bein.«, ertönt eine laute und kalte Stimme. Eine Frau, komplett in weiß verlässt den Raum und gibt die Anweisung weiter. Doch Narie kann sich nicht bewegen. Sie ist wie in Trance.
Jegliche Gefühle sind aus ihren Augen verschwunden, die übliche Kälte ist aus ihren Augen verschwunden und wurde durch Emotionslosigkeit ersetzt. Narie hat einen Schock.
Marvel sieht ihr an, dass Narie nicht in der Lage ist sich selbstständig in den Raum mit den Ärzten zu bewegen.
Das Hovercraft ruckelt kurz und sie taumelt. Schnell schlingt er die Arme um sie, bevor sie auf dem Boden aufkommen kann.
Dann legt er schnell seine Arme unter ihren Rücken und in ihre Kniekehlen und trägt sie zu den Ärzten. Dort setzt er sie auf der Liege ab und zieht sich einen Stuhl heran. Er versucht dagegen anzukämpfen, doch ehe er sich versieht ist er eingeschlafen. Während er schläft versorgen die Ärzte seine Wunden, auch wenn er nicht so viele Wunden hat wie Narie. Marvel hatte Glück, seine jahrelange Ausbildung hat dafür gesorgt, dass er sich sehr gut schützen kann. Einzig und allein die Kratzer von der Flucht vor den Mutationen und der Kampf mit Cato hat Spuren hinterlassen.
Das erste was Narie spürt, als sie wieder zu sich kommt ist etwas Schweres um ihre Taille. Sofort schreckt sie auf, greift nach dem Objekt und schleudert es von sich. Dann springt sie auf. Sie tastet nach ihren Waffen, doch findet sie nicht. Sie gerät in Panik. Schnell sieht sie sich um. Sie befindet sich in einem Zimmer. Die Wände sind kahl und bei genauerem Hinsehen sieht sie, dass es ihr Zimmer ist, das Zimmer im Kapitol, in dem sie so viel Zeit verbracht hatte, bevor sie in die Spiele musste.
Als Narie das realisiert, keucht sie erschrocken auf. Hatte sie die Spiele gewonnen? Träumt sie? Ihr Atem geht immer noch schnell. Erst nach und nach kommt ihr alles wieder in den Sinn. Wie sie Jade verloren hatte, danach Rue und Katniss. Wie Marvel ihr geholfen hatte, der Kampf am Füllhorn gegen Clove, die Flucht vor den Mutationen, wie Cato beinahe gewonnen hätte und wie sie schlussendlich die Beeren essen wollten.
»Narie?«, ertönt eine sanfte Stimme hinter ihr und sie dreht sich ruckartig um. Erschrocken sieht sie die Person vor sich an. Jetzt realisiert sie, was vorhin auf ihr lag. Es war ein Arm, der um ihre Taille geschlungen war.
»Blight!«, ruft sie fröhlich und erleichtert aus und stürmt auf ihn zu.
Ohne es zu wollen laufen ihr Tränen die Wange herunter. Freudentränen.
Sie ist so erleichtert, dass ihr bester Freund wieder vor ihr steht.
»Du hast es geschafft!«, meint er erfreut und drückt sie erneut.
»Ja, sieht so aus.«, gibt sie jedoch nur zurück. Sie denkt an die Tribute die sie getötet hatte. Der Junge, der Jade angegriffen hatte. Sie hatte ihn ohne zu zögern umgebracht. Und an Catos Tod war sie ja im übertragenen Sinne auch Schuld. Wobei es bei Cato eher ein Gnadenschuss war, denn die Mutationen hätten ihn am Ende noch bei lebendigem Leibe aufgefressen.
»Ich habe Menschen getötet.«, flüstert sie plötzlich, erschrocken von dieser Erkenntnis.
Das ist der Moment, wo auch bei Blight die Tränen zu laufen beginnen.
Er hatte gehofft, dass Narie die Ereignisse aus der Arena kalt lassen, doch das hatten sie nicht. Auch die stärkste Person kann irgendwann nicht mehr...
Die Arena hatte Narie gebrochen.
Es klopft an der Tür und kurz darauf kommt Lorena fröhlich ins Zimmer gestöckelt. Einen kurzen Moment lang ist Narie froh, dass sie da ist, doch dann realisiert sie, wie fröhlich Lorena ist und ist augenblicklich angeekelt von ihr. Der starke Duft ihres Parfüms steigt ihr in die Nase. Sofort läuft Lorena auf Narie zu und zieht sie in eine Umarmung.
»Ich bin so stolz auf dich. Du hast gewonnen!«, quietscht sie fröhlich.
Wieder steigt dieses ungute Gefühl in ihr auf, dieses Mal ist es jedoch mit Wut getränkt.
»Indem ich Menschen umgebracht habe!«, zischt sie und sieht Lorena böse an. Diese ist sichtbar entsetzt von Naries Tonfall.
»Also nicht in diesem Ton, Junge Dame!«, gibt sie empört zurück.
Narie wird noch saurer.
»Dann tue nicht so, als wäre das, was ich gemacht habe etwas worauf man stolz sein könnte! Du hast keine Ahnung!«, gibt sie zischend zurück, versucht ihre Wut noch zu kontrollieren und geht an ihr vorbei. Dabei streift sie absichtlich ihre Schulter mit der von Lorena und Lorena stolpert ein paar Schritte in Blights Richtung. Naries bester Freund wiederum weiß ganz genau, dass man Narie jetzt für einen Moment lang alleine lassen sollte und so geht er ihr nicht hinterher. Er nimmt sich lieber die Zeit und erklärt Lorena, wieso sie so etwas in Naries Gegenwart nie wieder erwähnen sollte.
Aufgebracht stürmt Narie aus dem Raum. Was bildet sich Lorena eigentlich ein? Sie hat doch keine Ahnung!, denkt sie wütend. Narie läuft ohne zu gucken weiter in Richtung Fahrstuhl. Sie weiß gar nicht so genau, wieso sie das tut, doch es ist ihr in diesem Moment völlig egal. Sie möchte nur weg von Lorena.
»Narie!«, reißt sie eine tiefe, aber angenehme Stimme aus den Gedanken. Sie sieht auf und sieht in die unverkennbar meergrünen Augen von Finnick Odair.
»Finnick!«, gibt sie nun auch erfreut zurück und genau wie Blight und sie fallen sie sich und die Arme. Sie weiß gar nicht genau wieso, doch sie ist froh Finnick zu sehen. Und sei es nur, weil sie mit Finnick eine weitere Person hat, die sie hier kennt. Sie mag Finnick, ja, das war ihr in der Arena klar geworden, und sie könnten gute Freunde werden.
»Hey, was bist du denn so aufgebracht?«, fragt er plötzlich, sodass Narie sich wundert, woran er merkt, dass sie aufgeregt ist.
»Lorena.«, gibt sie daraufhin nur zurück. Finnick nickt und scheint zu verstehen. Die Leute hier aus dem Kapitol verstehen nicht, wie es ist in die Spiele zu müssen. Aber noch weniger verstehen sie, wie es ist, wenn man als Sieger von ihnen zurück kommt.
»Ich sagte doch, dass wir uns nach den Spielen sehen.«, murmelt er dann und versucht das Thema zu wechseln. Nun fällt es auch Narie wieder ein. Vor den Interviews kam er zu ihr und meinte, als Abschiedsklausel
»Wir sehen uns nach den Spielen.« Schon als er das gesagt hatte, fragte Narie sich, ob er damit andeuten wollte, dass sie die Spiele gewinnen könne. Nun hatte sie die Bestätigung. Ja, er wollte ihr damit unbemerkt Mut machen und ihr zeigen, dass er an sie glaubt.
»Als du mir das gesagt hast habe ich daran gezweifelt.«, meint sie nun ehrlich. Finnick beginnt leicht zu schmunzeln.
»Und trotzdem stehst du jetzt hier mit mir. Erstaunlich, oder?«, seine Stimme hatte einen leicht sarkastischen Ton angenommen. Daraufhin lacht sie leise.
»Ja, es grenzt schon an ein Wunder.«, gibt sie zurück.
»Wenn man bedenkt, wie oft Marvel mir das Leben gerettet hat, dann grenzt es wirklich an ein Wunder.«, fügt sie dann noch leise murmelnd hinzu. Sie weiß immer noch nicht, wieso Marvel ihr so häufig geholfen hatte, obwohl sie nur ein Mal miteinander geredet haben.
»Ich muss zu ihm.«, meint die Schwarzhaarige, als ihr bewusst wird, dass auch er gewonnen hatte und nun mit ihr zusammen hier im Kapitol ist.
»Hat er irgendwas gesagt?«, fügt sie dann noch schnell hinzu und sieht zu Finnick auf. Dieser streicht sich grade die karamellblonden Haare aus dem Gesicht.
»Nein, er hat nichts mehr gesagt. Er hat geschlafen, genau wie du.«, kommt nur die Antwort. Es ist verständlich, dass er genau wie Narie erst einmal eine Menge Schlaf nachzuholen hat, denn in der Arena war kaum Zeit zum Schlafen. Wenn man dort überhaupt einschlafen konnte, dann war es ein unruhiger und überhaupt nicht erholsamer Schlaf, denn man lebte in der ständigen Angst, dass man im Schlaf von einem anderen Tribut getötet werden würde. Dieses Gefühl wurde zwar mit dem Bündnis etwas abgeschwächt, doch so erholsam wie hier in Sicherheit war der Schlaf bei weitem nicht.
»Wie sah er aus? Geht es ihm gut?«, fragt sie dann. Finnick zögert einen kurzen Moment bevor er antwortet.
»Er sah fertig aus, aber es geht ihm gut.«, antwortet Finnick und Narie sieht beruhigt zu ihm.
»Gut. Ich dachte schon der Kampf mit Cato hätte bei ihm Spuren hinterlassen.«, erleichtert atmet sie ein. Finnick sieht sie an.
»Nein, keine Sorge.«, murmelt Finnick und sieht kurz hinter sie.
»Narie, was hältst du davon, wenn du dich noch etwas schlafen legst, bis deine Stylisten kommen um dich für das Interview fertig zu machen? Du siehst, tut mir Leid, wenn ich das jetzt sage, aber du siehst schrecklich kaputt aus. Aber das ist ja verständlich.«, sanft sieht er zu ihr runter und als sie zur Bestätigung nickt, schiebt er sie langsam in die Richtung ihres Zimmers.
»Finnick?«, fragt sie dann jedoch und Finnick sieht zu Narie.
»Ja?«, sanft sieht er sie an.
»Kannst du noch etwas bei mir bleiben?«, möchte sie wissen und sieht zu ihm.
»Ja, natürlich.«, antwortet er auf ihre Frage. Er selber kennt das Problem. Man möchte nicht alleine sein, wenn man aus der Arena heraus kommt. Man erschrickt sich vor alles und jeden. Einfach, weil die Arena mit der Psyche einer Person gespielt hat. Die Karrieros kommen wunderbar mit sowas klar, die haben schließlich schon schlimmeres gesehen. Aber Tribute aus äußeren Distrikten nicht. Narie legt sich in ihrem Zimmer auf ihr Bett, Finnick setzt sich neben sie.
»Du solltest die Sachen die Lorena sagt nicht so ernst nehmen.«, meint Finnick dann und Narie sieht sofort zu ihm.
»Wieso?«, fragt sie dann und man hört einen Hauch Wut in ihrer Stimme.
»Sie kommt aus dem Kapitol, was erwartest du?«, fragt er dann rhetorisch nach.
»Sie ist oft genug in unserem Distrikt, sie sollte es besser wissen.«, gibt Narie daraufhin nur zurück. Finnick schnaubt.
»Das heißt noch lange nicht dass sie so denkt wie ihr.«, meint er dann noch und zieht die Decke über Narie.
»Schlaf jetzt noch etwas.«, meint er dann.
»Bleibst du?«, fragt sie und kuschelt sich in die Decke. Finnick nickt. Was hat er denn auch besseres zu tun? Es gibt keinen Grund wieso er nicht hierbleiben könne.
»Ja.«, meint er dann noch. Narie schläft relativ schnell ein. Nur am Rande bekommt sie mit wie Blight und Lorena den Raum betreten, aber sofort von Finnick wieder rausgeschmissen werden. Dann schläft sie tief ein und träumt, wie soll es auch anders sein, von Cato und Mutationen.

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