Kapitel 26

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Wieder ein Mal steht Narie vor dem Spiegel und sieht sich an. Doch dieses Mal ist sie nicht so zufrieden wie zuvor. Nein, ihr Auftreten sieht nicht gefährlich aus, sondern süß, wenn nicht sogar unschuldig. Ob das Ganze eine Strategie ist um vor Snow wie das kleine, hilflose Mädchen zu wirken kann sie nicht sagen, aber Narie weiß, dass es ihr nicht gefällt, nein, das tut es nicht. So sollte keine Siegerin der Spiele aussehen. Aber ein gutes hat es auch, denkt sie sarkastisch. Dann sehe ich wenigstens nicht wie eine Mörderin aus. Als es klopft, wendet Narie den Blick schnell von ihrem Spiegel ab und sieht zu der Person die durch die Tür kommt. Es ist Blight, wieder in einem schwarzen Anzug.
»Hey. Du siehst gut aus.«, meint er als er herein kommt. Spöttisch schnaubt Narie.
»Ich fühle mich aber alles andere als gut.«, erwidert sie nur kurz und beobachtet Blight dabei wie er sich auf ihr Bett fallen lässt.
»Wir müssen noch etwas besprechen. Wir, also Haymitch und ich, wir haben einen Plan wie du halbwegs gut aus dieser ganzen Sache herauskommst. Es wird dir nicht gefallen, aber es geht wahrscheinlich nicht anders.«, beginnt Blight und Narie dreht sich komplett zu ihm. Sie ahnt nichts Gutes, ist sich fast schon sicher, dass es ihr nicht gefallen wird.
»Wir müssen den Leuten einen Grund geben, wieso du in der Arena die Beeren einsetzen wolltest.«, beginnt er.
»Ich wollte die Beeren einsetzen, weil ich ganz genau wusste, dass die Spielmacher so handeln werden.«, antwortet sie nur und bleibt weiterhin mitten im Raum stehen.
»Das kann man aber schlecht so sagen, nicht wahr?«, schmunzelt Blight nun. Narie nickt.
»Nun ja, Haymitch und ich haben uns etwas ausgedacht. Wie wäre es, wenn du den Leuten sagst, dass du so verliebt in deinen Marvel warst, dass du keinen anderen Ausweg mehr gesehen hast als selber zu sterben.«, mit jedem Wort das Blight sagt verengen sich Naries Augen ein Stückchen weiter.
»Liebe ist etwas für Kinder, ich stehe in seiner Schuld.«, murmelt Narie daraufhin nur leise. Überrascht sieht Blight sie an. Narie hatte nie eine starke Abneigung gegen Liebe, aber so einen Satz nun aus ihrem Mund zu hören ist selbst für Blight ungewohnt und der kennt Narie in- und auswendig.
»Ich werde das nicht sagen.«, fügt sie dann noch hinzu. Frustriert atmet Blight aus.
»Nein Blight! Ich werde nicht ganz Panem eine Liebesgeschichte vorspielen! Denk doch mal weiter!«, fährt Narie ihn dann plötzlich an. Blight zuckt fast unmerklich zusammen. Stimmt ja, denkt er sich und erinnert sich daran, dass die Sieger der Spiele mitunter ja ziemlich schnell reizbar sind, insbesondere in den ernsten Wochen nach den Spielen.
»Wir wollen dich damit doch nur schützen, es ist besser so.«, erwidert er jetzt, nicht weniger laut.
»Damit reitet ihr mich immer weiter in die Scheiße.«, trocken sieht Narie zu ihrem besten Freund. Dieser sieht traurig zu ihr hoch, erhebt sich dann aber von ihrem Bett und hält Narie seinen Arm hin, damit sie sich einharken kann. Sie verdreht kurz die Augen, dann harkt sie sich trotzdem ein und gemeinsam gehen beide ins Wohnzimmer.
»Nun dann, gehen wir.«, verkündet Blight laut und alle die sich in dem Zimmer befinden erheben sich.
»Du siehst gut aus.«, kommt es fast zeitgleich von Finnick und Marvel.
»Danke.«, entgegnet Narie nur und lässt sich von Blight zum Fahrstuhl ziehen. Nacheinander steigen alle ein und der Fahrstuhl setzt sich in Bewegung. Während sie herunter fahren sagt niemand ein Wort. Doch als die Sieger zusammen aussteigen und die Halle betreten, in der damals auch die Parade stattgefunden hat sehen sich Finnick, Narie und Marvel an. Narie denkt daran, wie sie Marvel in seiner pinken Plüschjacke ausgelacht hatte, ebenso wie Marvel. Doch Finnick muss in diesem Moment an Jade denken. Er hatte gesehen, wie sich Jade und Narie unterhalten haben und sieht deshalb sofort besorgt zu Narie. Auch Narie denkt an ihr Treffen mit Jade und blinzelt ein paar Tränen weg. Dann sieht sie sich um ob jemand ihre Reaktion gesehen hatte. Erleichtert stellt sie fest, dass nur Finnick sie gesehen hat, Blight ist gerade viel zu beschäftigt.
»Woher kommt dieses plötzliche Interesse an Johanna, bei Blight?«, flüstert Narie Finnick zu, welcher kurz zu den beiden sieht, dann wieder zurück zu Narie. Etwas ratlos zuckt er mit den Schultern.
»Ich weiß es nicht, aber das hat angefangen, als du in den Spielen warst. Ich habe häufig mit Blight die Spiele angeguckt, aber wenn ich nicht da war, dann war Johanna da.«, erzählt ihr Finnick.
»Hm.«, murmelt sie nur, traurig, dass Blight ihr nicht selber erzählt hat, dass er und Johanna sich besser verstehen. Auf der anderen Seite kann sie es verstehen, dass er nicht sofort alles Narie erzählt, schließlich hatten die beiden seit ihrem Sieg wenig miteinander zu tun gehabt, Narie hatte mehr mit Finnick unternommen. Doch schlecht findet sie das nicht, ganz im Gegenteil. Sie ist froh, wenn sie sich eine Freundschaft mit ihm aufbauen kann, dann wird es später nicht so langweilig, wenn sie nächstes Jahr die Spiele ansehen muss und ihr Tribut tot sein wird. Außerdem ist Finnick ihr gegenüber immer freundlich und hilfsbereit, er scheint Narie auch zu mögen. Und gewiss ist es besser mehr als einen Freund unter den ganzen Siegern zu haben. Sie durchqueren die große Halle und gehen durch einen weiteren Gang zu dem Balkon, auf dem die Siegerehrung stattfinden wird. Schon von weitem kann Narie die vielen Menschen hören die ihren Namen rufen, aber man hört auch Marvels Namen.
»Denk dran, mach nichts Dummes!«, schärft Blight Narie noch mal ein und drückt sie kurz. Zögerlich nickt Narie.
»Ja, keine Sorge. Hauptsache ich komme wieder weg von dem.«, angeekelt blickt Narie in Richtung Präsident Snow, welcher eine kurze Ansprache auf seinem Balkon hält. Innerlich hofft Narie, dass er stolpert, von dem Balkon herunter fällt und sich das Genick bricht, aber sie weiß auch, dass das nicht passieren wird.
»Und nun die Sieger der 74. Hungerspiele: Narie Summers und Marvel Sanford.«, verkündet Snow dann laut, aber mit gekünstelt fröhlicher Stimme. Nein, er freut sich ganz und gar nicht, dass er Narie jetzt auch noch eine Auszeichnung geben muss für das was sie getan hat. Sie hat ihn lächerlich gemacht, wenn nicht sogar schlimmeres ausgelöst ohne es zu wissen. Und das nur, weil sie sich selber retten wollte. Langsam aber sehr selbstsicher treten Narie und Marvel auf den Balkon, halten sich dabei aber bewusst nicht an den Händen und geben den Bewohnern des Kapitols keinerlei Zeichen, dass die beiden ein Paar sind. Beide sind sich einig, dass sie nichts als Freundschaft wollen. Stumm stellen sich beide auf ein kleines Podest, sodass auch der letzte sie sehen kann. Narie bemüht sich nicht einmal die Menschen um die herum fröhlich anzusehen, nein, in ihren Augen kann man deutlich sehen was sie fühlt: Hass. Betont langsam kommt Snow auf Marvel zu und Narie kann den Geruch der weißen Rose riechen, welche an Snows Jacket hängt. Sie verzieht das Gesicht, erinnert sich dann aber daran, dass sie nichts Unüberlegtes machen sollte. Snow wechselt ein paar Worte mit Marvel, welche sie allerdings nicht verstehen kann, dann setzt er ihm eine Krone auf, als seine Auszeichnung. Genau so langsam wie eben holt Snow die zweite Krone und Narie fragt sich, ob er das extra macht, nur um Narie zu quälen. Dann kommt er auf sie zu. Augenblicklich spannt sie sich etwas an, lässt sich aber nichts anmerken.
»Herzlichen Glückwunsch.«, murmelt er in dem Moment als er ihr die Krone aufsetzt und sofort erfüllt ein leicht metallischer Duft die Luft.
»Danke.«, erwidert Narie nur und sieht direkt in die Augen des Präsidenten. Doch plötzlich stockt er. Er hat die Brosche entdeckt, die an ihrem Kleid steckt. Es ist die Spottölpelbrosche welche Katniss ihr in der Arena geschenkt hatte.
»Eine reizende Brosche.«, murmelt Snow.
»Danke, ich habe sie von Katniss.«, wirft sie nur trocken zurück. Für sie ist es ein Zeichen, ein Zeichen, dass die Tribute, ob tot oder lebendig immer noch miteinander verbunden sind, denn sie alle haben eine Gemeinsamkeit: Sie werden vom Kapitol gezwungen in die Spiele zu gehen. Sie werden von Kapitol als Unterhaltung missbraucht.

Fighter || Hunger GamesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt