Kapitel 22

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Fröhlich reden die Tribute und die Mentoren miteinander, erzählen sich alle möglichen Geschichten aus der Heimat, wobei Blight, Narie und Johanna die lustigsten erzählen können, die sie alle gemeinsam erlebt haben. Marvels Geschichten wie er seinen ehemaligen Mentoren in der Akademie Streiche gespielt hatte waren aber auch ziemlich lustig. Doch das Auftauchen der Stylisten zerstört diese gute Laune. Während Marvel zusammen mit Finnick und Haymitch im Aufzug verschwindet, wird Narie von ihren Stylisten förmlich aus dem Wohnzimmer gezogen und in ihrem Zimmer auf dem Stuhl platziert. Da sie vorher schon geduscht hatte, braucht sie das nun nicht mehr zu erledigen. Sie muss es über sich ergehen lassen, dass ihre Stylisten erst einmal anfangen Narie zu enthaaren. Das erste Mal als das im Kapitol gemacht wurde hatte sie Schmerzen dabei, dieses Mal blendet sie jeglichen Schmerz aus, denn im Vergleich zu den Spielen ist das hier gar nichts. Sie hört den Stylisten nicht zu und beteiligt sich auch nicht an dem Gespräch, der zum Großteil daraus besteht, was sie gemacht haben, während ein bestimmtes Ereignis in der Arena geschehen war. Es geht nicht um die sterbenden Jungen und Mädchen, sondern nur um sie. So etwas wäre in Distrikt 7 niemals möglich, wir würden den Opfern gedenken, würden trauern, dass zwei unserer Leute gestorben sind. Um die Stylisten nicht zu hassen blendet Narie ihre Gespräche aus und lässt die Tortur über sich ergehen, in der Hoffnung, dass sie bald fertig sind. Nach einiger Zeit wird ihr ein Kleid in die Hand gedrückt, knielang und komplett in schwarz. Überrascht sieht sie es an, doch sie ist froh, dass es nicht wieder ein Bodenlanges Kleid ist. Zu ihrem Leidwesen werden ihr ein paar schwarze High Heels dazugestellt, dann zieht sie sich um. Als letztes werden noch ihre Haare gemacht. Diese werden erst einmal ein ganzes Stück geschnitten, denn sie waren in der Arena schrecklich verfilzt, dann werden ihr Wellen in die Haare gedreht. Als Narie sich dieses mal im Spiegel betrachtet sieht sie, dass ihre Augen wieder kalt geschminkt sind, so wie bei ihrem ersten Interview. Ihr gefällt es. Die Kombination aus dem dunklen Kleid und dem dunklen Augen-Make-Up lässt sie älter wirken, gefährlicher. Sie weiß nicht ob es gewollt war, dass sie gefährlich wirkt, doch sie findet es gut. Es passt zu dem, was in den letzten Tagen in der Arena passiert ist. Wie auch beim letzten Mal steht Blight plötzlich in der Tür um Narie abzuholen. Er trägt einen schwarzen Anzug. Narie wird noch kurz mit Deo und Parfüm eingesprüht, dann greift sie nach Blights Arm und zusammen gehen sie in den Aufzug.
»Du siehst gut aus.«, durchbricht er die Stille und lächelt seine beste Freundin an.
»Ich fühle mich aber nicht so!«, gibt Narie schnell zurück. Blight versteht auch ohne eine Erklärung, dass sie sich in einem Kleid unwohl fühlt, vor allem wenn sie gleich über die Spiele reden muss. Blight legt ihr kurz eine Hand auf die Schulter.
»Hey, du schaffst das. Hast du schon immer.«, meint er und versucht ihr Mut zu machen. Er selber weiß, wie schwer es für sie sein muss, jetzt dort raus zu gehen und stark zu bleiben, ohne an die Toten zu denken, schließlich hatte er das selber durchgemacht.
»So und jetzt geh zusammen mit Marvel da raus und versuch wenigstens selbstbewusst zu wirken!«, gegen Ende des Satzes wird Blight Stimme leiser und er sieht leicht entschuldigend zu Narie. Diese nickt jedoch nur, versucht sich nichts anmerken zu lassen und verlässt den Aufzug. Dort trifft sie auf Marvel, welcher in einem schwarzen Anzug vor ihr steht, passend zu ihrem Kleid. Wortlos stellt sie sich neben ihn. Er sieht sie kurz an, erkennt jedoch an ihrem Blick, dass sie jetzt nicht mit ihm reden will und wendet den Blick wieder ab. Dann ertönt die Hymne Panems und Caesar begrüßt fröhlich die Zuschauer. Marvel und Narie betreten mit einem neutralen Blick die Bühne. Jubel ertönt. Einen kurzen Augenblick blendet das warme Licht der Scheinwerfer die beiden, doch dann haben sie sich wieder gefangen und gehen mit langsamen Schritten auf das Sofa welches für die beiden Sieger bereit gestellt worden war. Normalerweise ist es ein einziger Sessel, aber da es dieses Jahr zwei Sieger gibt, haben die Spielmacher stattdessen ein rotes, viel zu kitschiges Plüschsofa hingestellt. Die Menge jubelt weiterhin und Narie hofft, dass es gleich vorbei ist, denn für das was sie getan hat, hatte sie keinen Applaus verdient. Sie hatte Menschen getötet. Und nun muss sie bei diesem Interview erzählen wie sie sich fühlt und das schlimmste: Sie muss sich einen Film mit den Highlights aus den Spielen angucken. Caesar begrüßt fröhlich die Zuschauer und dann die beiden Tribute. Ohne lange zu zögern beginnt er auch schon mit dem Interview.
Bei der ersten Frage beginnt er zu grinsen.
»So, ganz Panem ist gespannt, was denn nun zwischen euch läuft. Seid ihr ein Paar?«, neugierig sieht Caesar die beiden Tribute an, welche aber gleichzeitig den Kopf schütteln.
»Nein, sind wir nicht.«, antwortet Narie dann mit starker Stimme. Sie schielt kurz zu dem Publikum und erkennt Finnick, Blight, Johanna, aber auch Cashmere und Gloss, die Mentoren von Marvel.
»Das sah in der Arena aber ganz anders aus, Marvel. Du hast Narie schließlich mehrfach das Leben gerettet.«, Caesar deutet auf den Bildschirm hinter ihm. Narie und Marvel drehen sich ein Stück und erkennen die Stelle am Füllhorn. Man sieht gerade, wie Marvel den Speer wirft, der Narie das Leben gerettet hat. Der Bildschirm wird kurz schwarz, dann erscheint die nächste Szene, nämlich die wo Narie bewusstlos am Boden liegt. Interessiert wendet sich Narie dem Bildschirm zu, sie wusste nicht, dass er damals ihre Wunden versorgt hatte. Sie beobachtet auf dem Bildschirm, wie er sanft ihre Wunden versorgt, sie dann hoch hebt und in den Busch legt, danach ihre Waffen. Danach verschwindet er. Es wird noch ein Clip eingeblendet, dieses Mal als sie vor Fuchsgesicht geflohen ist und geradewegs in die Arme der Karrieros. Dann wird der Bildschirm endgültig schwarz. Mit einem grinsen dreht sich Caesar zu Marvel.
»Also Marvel, erzähl uns doch Mal, was du in diesen Situationen gedacht hast.«, fordert er. Marvel atmet kurz tief ein.
»Ich hatte eine Schwester. Sie ist in den Hungerspielen gestorben. Sie war mein ein und alles. Und naja, Narie erinnert mich an sie. Ich konnte nicht zu sehen, wie mit ihr dasselbe passiert, wie mit meiner Schwester.«, Marvel sieht kurz ins Publikum, dann wieder zu Caesar und kurz zu Narie. Leises Getuschel ertönt. Selbst Narie ist überrascht von dem was Marvel von sich gibt, sie wusste es selber nicht. Narie weiß nicht was sie in diesen Momenten dazu bewegt, aber sie legt Marvel eine Hand auf den Arm, so als würde sie ihm zeigen wollen, dass er nicht alleine ist. Aus dem Publikum ertönen vereinzelte Rufe.
»Narie, man hat ja in der Arena gesehen, wie du dich mit Jade verbündet hast. Was hast du gedacht, als sie gestorben ist?«, Caesar sieht zu ihr. Ich habe mich total gefreut, hat man doch gesehen, denkt Narie sarkastisch. Sie atmet kurz tief durch, dann richtet sie sich direkt an Caesar.
»Ich war traurig, aber auch wütend. Ich war sauer auf die Spiele und jeden der sie feiert, ich war sauer auf Cato und ich war sauer auf mich selbst.«, kommt die kurze Antwort von Narie. Überrascht sieht Caesar zu ihr. Scheinbar ist er es nicht gewohnt, dass seine Gäste ihre Meinung direkt sagen, ohne, dass sie dem Kapitol dankbar sind.
»Du warst sauer auf dich selbst? Wieso?«, fragt er nach und sieht dabei wirklich interessiert aus.
»Ich hätte ihr helfen können. Vielleicht hätte ich ihr leben retten können.«, meint Narie nur als Antwort und sieht ein Mal kalt in die Kamera. Sie hofft, dass dieser Blick Snow erreicht.
»Du warst damit beschäftigt dein eigenes Leben zu retten, mach dir keine Vorwürfe.«, ertönt nun aber Marvels leise Stimme neben ihr und Narie ist sich sicher, dass die Besucher des Kapitols diese Worte nicht gehört haben, er hatte nämlich extra sein Mikro zugehalten. Überrascht sieht sie zu ihm.
»Ja, vielleicht.«, monoton murmelt Narie das vor sich hin, während Caesar etwas zum Publikum sagt, worauf Narie allerdings gar nicht genau achtet.
»Marvel. Deine Mentoren werden sicher sauer sein, dass du Narie das Leben gerettet hast, anstatt sie umzubringen, was sagst du dazu?«, als Caesar diese Frage stellt, sieht Marvel kurz zu Cashmere und Gloss, welche im Publikum energisch nicken. Er ist sich ziemlich sicher, dass die beiden dafür gesorgt haben, dass diese Frage im Interview auftauchen wird. Doch was die beiden können, kann Marvel schon lange.
»Nun ja, das kann sein, doch es ist mir egal.«, fängt er mit seiner Antwort an und sieht zufrieden wie die Gesichter seiner Mentoren immer wütender werden.
»Es kommt im Leben nicht darauf an, ob man die Spiele gewinnt oder wie viele Menschen man tötet. Es kommt darauf an, was man gutes tut. Dass man sich für etwas entscheidet, was seinen eigenen Tod bedeutet. Ich wusste, dass Narie uns Karrieros gehasst hat und wahrscheinlich auch immer noch tut. Sie hätte mich töten können, doch trotzdem habe ich ihr geholfen, denn ich wollte, dass sie lebt. Sie hat es mehr verdient, als ich.«, Marvel sieht am Ende provokant ins Publikum. Er ist wahrscheinlich der erste Karriero, der sagt, dass er den Sieg nicht verdient hat. Narie und Marvel lächeln sich an. Überrascht sieht Caesar ihn an. Er ist solch eine Direktheit und solche negative Aussagen von Siegern wohl nicht gewohnt.
»Seid ihr dem Kapitol denn gar nicht dankbar?«, fragt er überrascht. Narie platzt endgültig der Kragen.
»Wofür sollen wir denn dankbar sein? Das Kapitol nahm mir meinen Bruder. Dann musste ich selber in die Spiele. Das Kapitol tötet Menschen, aber mehr auch nicht. Ich sehe nichts Gutes, was das Kapitol für mich getan hat!«, Narie sieht wütend ins Publikum. Sie trifft auf Blights Blick, welcher sich ein Lachen verkneifen muss. Narie weiß ganz genau, wieso er lacht. Haymitch hingegen, welcher zwei Plätze weiter sitzt, schüttelt energisch den Kopf, gibt ihr zu verstehen, dass sie das lassen sollte. Narie weiß nicht genau wieso, doch vielleicht hat er Recht. Er ist immerhin derjenige der mehr Erfahrung mit dem Kapitol hat.
Das Interview zieht sich noch elendig lange vor sich hin, immer wieder kämpft Narie mit Wutausbrüchen die von Caesar ausgelöst werden und immer wieder versucht sie so emotionslos wie nur möglich zu wirken, besonders als Jade, Katniss, Rue und der Junge, den sie am Anfang der Spiele umgebracht hatte, eingeblendet werden. Es werden ein paar blöde Fragen gestellt, wie zum Beispiel die Frage, was man denn zu Hause nun machen würde, worauf Narie keine Antwort weiß. Sie weiß nicht, wie es zu Hause weiter geht. Ob sie in genau so ein Loch fallen wird wie Blight damals? Ob sie Marvel und Finnick wieder sehen wird? Sie weiß es nicht. Sie weiß nur, dass sie dringend mit Blight reden muss, darüber, dass er ihr hilft, dass sie nicht in so ein Loch fällt wie er.
»Schön, dass ihr heute bei uns wart und eine gute Heimreise.«, wird sie aus ihren Gedanken gerissen. Erleichtert seufzt sie innerlich auf.
»Hat uns gefreut.«, geben beide nur zurück und stehen auf. So schnell wie es geht laufen beide von der Bühne und sofort sinkt Narie auf die Knie und lässt ihren Tränen freien lauf.

Fighter || Hunger GamesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt