Kapitel 12

1.4K 59 5
                                    

12

Das Erste was Narie spürt sind Schmerzen. Sie erinnert sich nur vage daran, dass sie eine Auseinandersetzung mit den Karrieros hatte und an Jades Tod. Das nächste was ihr einfällt ist, dass sie Peeta am Fluss gefunden hatte, tot und blutverschmiert. Sie ist zurück in den Wald gelaufen. Narie erinnert sich, dass sie zusammen gebrochen ist, nachdem sie versucht hatte die Blutungen zu stillen. Doch dann ist alles weg. Sie versucht ihre Augen zu öffnen. Als das Licht in ihren Blick fällt, schließt sie ihre Augen wieder und beginnt diesmal langsam und vorsichtig. Sie gewöhnt sich an das Licht und sieht als Erstes nur grün. Irritiert guckt sie zu den Seiten und realisiert, dass sie in einem Busch liegt. Wie zum Teufel kommt sie in einen Busch?! Narie hebt ihre Hand in ihr Blickfeld. Ihr Handgelenk wurde fein säuberlich mit einem Verband umwickelt. Man sieht ganz schwach einen roten Schimmer, also muss ihre Wunde trotz dem Verband noch eine Weile geblutet haben. Leise stöhnend stützt sie sich auf ihren Unterarmen ab und richtet sich auf. Sie sieht an sich herunter. Ihre Kleidung ist rot und voller Blut, doch auf ihren Wunden ist es weiß. Sie sind verbunden. Auch ihre Wunde am Oberschenkel wurde in einen Verband gewickelt. Neben ihr entdeckt sie ihren Rucksack, ihren Bogen und den Köcher, beides sorgfältig nebeneinander aufgestellt. Auf ihrem Rucksack liegt ein kleines, weißes Päckchen und bei genauerem hinsehen merkt Narie, dass es eine Mullbinde ist, genau wie die um ihr Bein. Verwundert sieht sie sich um. Wie komme ich hier her? Wieso bin ich nicht verblutet? Wer hat meine Wunden verbunden? Narie gehen viele Fragen durch den Kopf, doch auf alle findet sie keine Antwort. Doch dann, auf einmal erinnert sie sich daran, dass Schritte auf sie zugekommen sind, als sie halb bewusstlos am Boden lag, kurz bevor sie bewusstlos wurde. Scheinbar muss ihr jemand geholfen haben. Aber wer? Peeta und Jade sind tot, also war es keiner von ihnen. Mit Fuchsgesicht hatte sie nie was zu tun und Thresh würde sie das nicht zutrauen. Aber sie glaubt auch nicht, dass es Katniss oder Rue waren, denn die beiden haben keinerlei Vorräte soweit Narie weiß. Und die Karrieros? Die hassen Narie, also sind diese auch ausgeschlossen. Fieberhaft überlegt Narie ob noch jemand am Leben ist der ihre Wunden verbunden haben könnte, doch ihr fällt niemand ein. War es also doch jemand der eben aufgezählten?
Narie findet keine Antworten auf all ihre Fragen, aber ihr ist unwohl dabei, hier in diesem Busch zu hocken. Langsam richtet sie sich auf, bis sie schließlich vor ihren Sachen kniet. Sie benötigt einen Moment, denn ein stechender Schmerz durchzuckt ihr Bein, allerdings deutlich weniger als zu dem Zeitpunkt bevor sie in Ohnmacht gefallen ist. Sie steckt die Mullbinde in ihren Rucksack, auch wenn sie nicht weiß von wem sie ist. Ihre Wasserflasche fällt ihr in den Blick und frustriert stellt sie fest, dass diese leer ist. Auch wenn sie es nicht möchte, aber sie muss zum See und sie auf füllen. Narie steckt die Flasche in ihre Jackentasche und setzt sich dann Rucksack mitsamt Köcher auf. Dabei hat sie Schmerzen im Arm, welche sie aber weitestgehend ignoriert. Den Bogen nimmt sie in die Hand. Vorsichtig steckt sie den Kopf aus dem Busch und blickt in alle Richtungen. Als sie keine Gefahr sieht, schleicht sie im Schatten der Bäume zum See, sieht sich aber immer aufmerksam um. Gerade jetzt in ihrem Zustand ist sie ein sehr leichtes Ziel. Sie kommt mit ein paar Schmerzen am See an. Dort füllt sie ihre Flasche auf und steckt sie ein. Doch dann fällt ihr Blick auf die Pyramide mit den Vorräten und sie sucht die Gegend nach den Karrieros ab. Doch als sie keine, bis auf den Jungen aus Distrikt 3, entdeckt geht sie einen Schritt näher an sie heran. Vor ihr erscheint eine bestimmt 2 Meter hohe Pyramide mit allem was die Karrieros bekommen haben. Vor sich sieht sie auf einmal wie Fuchsgesicht über die Wiese rennt. Direkt vor der Pyramide hüpft sie durch die Gegend und nähert sich der Pyramide um sich etwas zu nehmen und sofort wieder zu verschwinden. Dabei lenkt sie den Jungen ab, der in die Richtung läuft in die sie verschwunden ist. Aber wieso ist sie nicht geradewegs auf die Pyramide zu gegangen? Narie bemerkt die Erdhaufen vor jeder Plattform auf der ursprünglich die Tribute standen. Da fällt es ihr auf. Die Karrieros haben die Sprengfallen um ihre Pyramide vergraben. Auf Naries Gesicht erscheint ein hinterlistiges Grinsen, als ein Beutel Äpfel in ihren Blick fällt. Ein Stück von sich entfernt kann sie plötzlich Katniss entdecken. Diese sieht genau im selben Momemt zu Narie und dann zu den Äpfeln. Narie nickt dem Mädchen einmal zu um ihr zu signalisieren, dass sie genau das vor hatte woran Katniss denkt. Katniss nickt ebenso und geht einen Schritt zurück, damit sie wieder von den Blättern verdeckt wird.
Narie zieht den ersten Pfeil aus dem Köcher und legt ihn ein. Narie zielt und schießt. Sie trifft den Beutel Äpfel, aber nicht so wie sie wollte. Keiner der Äpfel fällt zu Boden, es entsteht nur ein Schlitz. Sie sieht sich kurz um und tritt dann ein Stück nach vorne, als sie keinen der Karrieros sieht. Wieder legt sie einen Pfeil ein, dieses Mal lässt sich Narie aber mehr Zeit beim Zielen. Schlussendlich lässt sie den Pfeil los. Wie in Zeitlupe zerreißt der Beutel und die Äpfel purzeln zu Boden. Sie lösen die Sprengfallen aus und Teile der Pyramide werden hoch geschleudert. Dadurch werden weitere Fallen ausgelöst und es entsteht eine gewaltige Explosion. Narie wird zurück geschleudert und verliert dabei ihren Bogen. Katniss nickt ihr einmal zu und gibt ihr ein Zeichen zu verschwinden, was Narie auch sofort tut. Sie rappelt sich schnell auf, nimmt ihren Bogen und verschwindet in die gleiche Richtung wie Katniss. Narie hatte mitbekommen, dass sich Katniss und Rue verbündet haben und hofft, dass sie sich den beiden Mädchen anschließen darf. Sie denkt, dass einer der beiden eventuell ihre Wunden versorgt hatte, denn zumindest mit Rue hatte sie sich sehr gut verstanden. Im Hintergrund hört sie wie die Karrieros wütend rum schreien und sie dreht sich noch Mal kurz um. Innerlich hofft Narie, dass sie denken, dass jemand etwas stehlen wollte und die Sprengfallen ausgelöst hat, aber als Cato inmitten der Trümmer den silbernen Pfeil, der für alles verantwortlich ist, heraus zieht weiß Narie, dass es den Karrieros klar ist, dass sie die Vorräte zerstört hat. Es macht sich ein kleiner Funken Schadenfreude in ihr breit. Wenn sie hier schon nicht lebend raus kommt, dann kann sie es den Karrieros wenigstens schwer machen. Narie erstarrt als sie einen lauten Hilferuf hört. Sie dreht sich erneut zu den Karrieros um und kann am Boden den Jungen aus 3 sehen. Sein Genick ist in einem unmöglichen Winkel verdreht. Er ist tot. Sie erkennt die Umrisse von Marvel und Cato, aber Clove ist nicht mehr bei ihnen! So schnell sie kann rennt Narie los, genau in die Richtung aus der der Hilferuf kam. Sie ignoriert dabei völlig, wie gefährlich es für sie ist ungeschützt und unvorsichtig herumzulaufen, sie will nur schnell zu der Person die um Hilfe ruft, denn wahrscheinlich wird diese gerade von Clove angegriffen. Die Rufe werden lauter und Narie weiß, dass sie fast angekommen ist. Ein Schmerzensschrei ertönt. Er klingt verdächtig nach Katniss. Narie rennt schneller und erreicht die Lichtung in dem Moment als sie sieht wie Cloves Messer in Rues Brust fliegt. Schnell versteckt sie sich. Clove hatte sie nicht gesehen und kehrt nun zufrieden zu den Karrieros zurück. Einen Moment lang richtet Narie ihren Pfeil auf Cloves Körper, aber sie entfernt sich zu schnell, deshalb steckt sie den Pfeil schnell wieder in ihren Köcher. Katniss und Rue atmen so laut, dass es bis zu ihr zu hören ist. Narie hingegen läuft den kleinen Hügel hinunter, stolpert dabei fast und läuft auf beide zu. Die Mädchen liegen am Boden, sehen sich an und halten die Hände zusammen.
»Nein!«, ruft die Bogenschützin erschrocken. Sie kann es nicht glauben, dass zwei weitere Menschen die sie mag sterben werden. Denn allen drei Mädchen ist klar, dass Rue und Katniss das nicht überleben werden. Als sie Narie sehen richten sie ihren Blick auf sie.
»Es tut mir Leid. Ich bin zu spät gekommen.«, meint Narie leise und beide Mädchen sehen sie an. Doch in ihren Augen kann Narie keine Wut sehen. Sie bemerkt nur dass beide Mädchen scheinbar unglaubliche Schmerzen haben, was Narie aber völlig nachvollziehen kann, schließlich hatte sie diese Schmerzen auch gehabt. Nur ist ihr Aufeinandertreffen mit den Karrieros besser ausgegangen.
»Niemand hat von dir verlangt, dass du uns hilfst.«, gibt Katniss leise zurück, das Sprechen tut ihr weh. Dann greift sie an ihre Jacke.
»Narie? Nimm das. Du kannst gewinnen.«, meint Katniss und drückt Narie etwas in die Hand. Diese sieht Katniss fragend an.
»Wieso gibst du mir das?«, flüstert Narie.
»Es ist von meiner Schwester. Es wird dir Glück bringen.«, antwortet Katniss und lässt den Arm vor Schmerzen wieder sinken.
»Danke.«, meint Narie und lächelt leicht.
»Du musst gewinnen.«, sagt Rue schwach und sieht zu dem Mädchen. Zögerlich nickt sie.
»Du kannst das schaffen.«, sagen beide gleichzeitig. Rue schließt die Augen. Sie atmet fast unmerklich. Nach einer kurzen Zeit in der Narie bei den Mädchen gesessen hat hört sie die Kanone. Sie zuckt nicht zusammen. Sofort schnellt ihr Blick zu Rue.
»Nein, nein, nein.«, wimmert sie leicht. Wieso sterben denn alle Menschen die sie mag?
»Gewinne!«, flüstert Katniss schwach, dann schließt sie die Augen und ihre Kanone ertönt.
»Nein!«, sagt Narie nun lauter. Rue und Katniss sind tot. Schon wieder haben die Karrieros jemanden von ihren Freunden getötet. Narie öffnet ihre Hand. Eine goldene Brosche kommt zum Vorschein. Sie sieht sie genau an. Einen Moment lang überlegt sie, dann fällt ihr auf, dass es ein Spottölpel ist. Narie laufen zwei Tränen über ihre rechte Wange. Katniss hatte diese Brosche von ihrer Schwester bekommen, sie muss ihr viel bedeutet haben. Und nun hat sie sie Narie geschenkt. Das bedeutet ihr sehr viel. Narie hofft, dass es Katniss Schwester nichts aus macht, dass sie nun diese Brosche besitzt. Sie erinnert sich an das kleine Mädchen. Ohne das sie es will denkt sie daran, wie sie jetzt zu Hause sitzt und um ihre Schwester trauert. Sie wird am Boden zerstört sein, wahrscheinlich macht sie sich Vorwürfe, weil Katniss sich gemeldet hat, damit sie nicht in die Spiele muss. Narie hat das Verlangen zu weinen, doch sie kann es nicht. Zu viele Tränen hat sie schon in dieser Arena gelassen. Doch plötzlich, ohne dass sie weiß woher das kommt wird ihre Trauer von einer ungeheuren Wut ersetzt. Wut auf das Kapitol, auf die Karrieros, auf sich selber. Wut auf alles und jeden. Wie können die Leute daran glauben, dass das Kapitol Gutes für sie tut, wenn sie doch sehen, wie reihenweise Kinder sterben? Sie alle kennen Katniss Schwester und haben gesehen wie sie sich für sie freiwillig gemeldet hat, wieso also eifern sie immer noch mit, wo sie doch ganz genau wissen dass diese nun zu Hause sitzen wird und ihre Schwester für immer verloren hat? Sie sieht direkt in die Kamera. Und in diesem Moment fasst sie einen Entschluss. Sie wird Jade, Katniss und Rue rächen, komme was wolle. Sie wird dafür sorgen, dass die Eltern der Karrieros mit genau demselben Gefühl zurück bleiben, welches ihre Kinder bei so vielen anderen verursacht haben.

Fighter || Hunger GamesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt