Kapitel 13

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13

Blight liegt auf einer Liege aus Metall. Seine Augen zeigen klar und deutlich den Schmerz den er spürt. Er schreit, aber man erkennt nicht wieso. Um ihn herum stehen Leute, die immer wieder seinen Namen brüllen. Narie kennt diese Leute. Seine Mutter, sein Vater, sie selbst. Die Leute, die Blight jemals wichtig waren. Johanna, Naries Familie. Sie alle reden auf ihn ein. Er will sich die Ohren zu halten, doch es geht nicht. Er beginnt zu schreien...

Narie schreckt aus ihrem Traum auf und weiß sofort wo sie ist. Sie befindet sich in der Arena, auf einem Baum, weit entfernt vom See, weit entfernt von den Karrieros. Es ist mitten in der Nacht. Gestern ist sie eingeschlafen, nachdem die Bilder von Katniss und Rue am Himmel waren. Narie steigen die Bilder der letzten Tage in den Kopf. Sie sieht die am Boden liegende, blutende Jade und unwillkürlich steigen Narie Tränen in die Augen. Sie hatte es nicht geschafft sie zu retten und dieser Gedanke verschlechtert ihre Stimmung ungemein. Das Bild des toten Peeta steigt ihr in den Kopf, genau wie das von Katniss und Rue, wie sie auf dem Boden liegen, sich die Hände halten und vor Naries Augen sterben. Doch dann ermahnt Narie sich selber. Sie hat schon zu viele Tränen hier gelassen, wird nicht mehr weinen.

Im selben Moment sitzt Blight auf dem Sofa und sieht gemeinsam mit Finnick die Spiele an. Sie wissen nicht wo Johanna ist, aber im Moment ist es ihnen auch relativ egal. Beide Mentoren hatten in den letzten Tagen häufiger Angst um Narie, aber sie sind um so glücklicher, dass sie es geschafft hat, lebend aus all diesen Situationen heraus zu kommen. Auch Finnick war ein großer Fan von dem Mädchen aus Distrikt 7 und das hatte angefangen, als er ihren Auftritt bei der Ernte gesehen hatte. Blight hatte ihm schon viel erzählt, und schon da mochte er das Mädchen. Er glaubt, dass sie echte Chancen zu gewinnen hat, auch wenn er nicht weiß wie sie das anstellen soll. Aber nach Katniss und Rues Tod hatte er ihr Gesicht in der Nahaufnahme gesehen, diese wilde Entschlossenheit, die teilweise sogar von Rachegefühlen begleitet wurde. Und das bereitet ihm weitaus mehr Sorgen als er sich eingestehen will.

Narie beschließt wieder einmal jagen zu gehen. Ihr Tagesablauf hier in der Arena ist eigentlich immer derselbe. Sie wacht auf, geht in den Wald um zu jagen, geht ihre Flasche am See auf füllen und verbringt den Tag auf einem Baum, immer Ausschau haltend, ob nicht einer der Karrieros ihren Weg trifft. Narie wollte niemanden töten, aber die Arena verändert die Menschen. Narie hat so einen Hass auf die Karrieros, dass sie sogar so weit ist sie zu töten. Der Junge der Jade am Anfang der Spiele bedroht hatte und auch von Narie getötet worden war kam ihr in den Sinn. Sie hatte ohne lange zu überlegen gehandelt um Jade zu retten, doch trotzdem fühlt sie sich schlecht. Sie muss an die Eltern des Kindes denken, die nun zu Hause sitzen und trauern. Sie war Schuld daran, dass seine Eltern ihren Sohn verloren hatte. Sie war eine Mörderin. Aber was wäre, wenn sie ihn nicht getötet hätte? Dann hätte er Jade getötet, dann wäre er der Mörder. Hätten seine Eltern das gewollt? Ist es das was sie gewollt hätten, was sie stolz gemacht hätte? Wohl kaum.
Narie klettert den Baum nach unten, immer darauf bedacht, nicht wieder die letzten Meter zu fallen, so wie an dem Tag mit den Jägerwespen. Sie weiß nicht mehr wann dieser Tag war, obwohl sie bisher immer ein gutes Zeitgefühl hatte. Doch ihre Ohnmacht hat sie alles vergessen lassen, sie weiß nicht einmal wie lange sie ohnmächtig war.
Mit gespanntem Bogen streift sie durch das Unterholz. Narie ist in einem Teil der Arena, in der sie bis jetzt wenig unterwegs war. Sie hatte sich meistens auf der anderen Hälfte der Arena aufgehalten, dieser Teil war eher von Katniss und Rue besetzt. Narie war schon ein paar Mal hier, hatte sich aber nie lange hier aufgehalten. Narie hört das leise Rascheln eines Tieres in einem Busch vor ihr. Sie spannt den Bogen noch etwas weiter und schleicht sich an. Ihre Schritte sind fast lautlos. Jahrelanges Training. Sie sieht sich den Busch einmal genauer an. Durch die Blätter kann sie ein Kaninchen sehen, welches auf dem Boden sitzt und etwas isst. Sie zögert nicht. Narie visiert ihr Ziel an und schießt. Das Tier ist sofort tot. Sie zieht den Pfeil aus dem leblosen Körper, wischt ihn an der Hose ab und steckt ihn wieder ein. Je mehr Pfeile sie zur Verteidigung ihres Lebens hat, desto besser. Dann greift sie in den Busch und holt das Tier heraus. Sie entzündet ein Feuer und brät es, immer darauf bedacht auf ihre Umgebung zu achten. Ein Feuer könnte die Karrieros leicht anlocken und im Moment ist Narie ein leichtes Ziel. Sie fragt sich immer noch wer sie verbunden hat und sie so im Busch platzierte, dass andere Tribute sie nicht sehen können. Aber wer auch immer es war, sie ist der Person sehr dankbar. Als das Tier fertig gebraten ist steckt Narie einen Großteil davon ein, ein paar Bissen isst sie jetzt. Schnell tritt sie das Feuer aus, damit sie weniger Spuren hinterlässt.
Narie läuft den Weg zurück von dem sie gekommen war. Sie weiß nicht wieso, aber sie hat ein ungutes Gefühl im Magen. Narie wird noch aufmerksamer. Sie hört Geräusche hinter sich. Schnell sieht sie dort hin. Einer der Büsche bewegt sich und kurz darauf erscheinen Fuchsgesichts rote Haare in Naries Blickfeld. Erschrocken sieht sie das Mädchen an. Wie hat sie es geschafft so lange zu überleben? Hat sie eine Waffe? Wird sie mir etwas tun? Narie beschließt zu rennen. Sie weiß nicht wieso Fuchsgesicht direkt in ihre Richtung läuft, aber bevor noch ein Kampf entsteht, läuft Narie lieber. Narie will kämpfen, aber nicht mit Fuchsgesicht, sondern mit Cato und Clove. Sie dreht sich um und versucht Abstand zwischen sich und den Tribut zu bringen. Während sie rennt, dreht sie sich immer wieder um. Fuchsgesicht ist immer noch dort. Verfolgt sie mich? Narie läuft noch schneller. Nur am Rande nimmt sie wahr, dass etwas vor ihr raschelt und läuft weiter während sie sich umdreht. Doch prompt knallt sie gegen etwas. Schnell sieht sie nach vorne. Sie ist wie gelähmt. Vor ihr steht Marvel, mit gezücktem Speer, bereit zum Angriff. Das ist nun also mein Ende. Bitte lass es ihn schnell machen. Doch der Karriero sieht sie nur stumm an. Narie sieht ebenso zurück. Marvel erwacht aus seiner Starre, als er seinen eigenen Namen hört. Cato und Clove sind also in der Nähe. Schnell blickt er sich um, nimmt dann ihre Schultern und dreht sie in die Richtung zwischen ihm und Fuchsgesicht. Diese versteckt sich hinter einem Baum und beobachtet das Ganze geschockt.
»Lauf und versteck dich!«, herrscht Marvel ihr ein und schubst sie, da Narie nicht den Eindruck macht als wolle sie los laufen. Doch durch diesen Schubs kommt sie zu sich und beginnt zu rennen. Immer weiter weg von Marvel, Cato, Clove und Fuchsgesicht. Marvel sieht sich nun auch einmal schnell hektisch um, dann flüchtet er in die entgegengesetzte Richtung wie Narie. Er kann einfach nicht mehr mit den Karrieros zusammen arbeiten. Am Anfang war er genau wie die Anderen und das Töten machte ihm Spaß. Aber ab diesem Moment wo er Narie am Boden bei Jades Leiche weinen gesehen hatte wusste er, dass es wichtigeres gibt als diese Spiele als Sieger zu verlassen. Er kann keine Menschen mehr töten, zumindest nicht die, die er gerne mag. Und im Moment ist das nur Narie.

Genau in diesem Moment sitzen Blight und Finnick vor dem Bildschirm und sehen sich verwundert an. Sie hatten in der Vergangenheit zwar gesehen, dass er ihr geholfen hatte, aber beide Mentoren hatten eigentlich nicht damit gerechnet, dass er ihr noch einmal helfen würde. Wobei er sie in diesem Moment ja nur verschont, nicht ihr hilft.
»Okay, ich bin immer mehr verwirrt.«, bringt Blight hervor. Finnick nickt zur Bestätigung.
»Am Füllhorn, die Wunden und jetzt das.«, zählt er erstaunt auf.
»Ist der verknallt, oder was?«, Finnick versucht einen Witz zu machen, doch Blight reagiert darauf nicht mal sondern sieht weiterhin gespannt auf dem Bildschirm, wo man jetzt Marvel in Großaufnahme zeigt wie er vor den Karrieros flieht. Er läuft immer weiter und verliert plötzlich den Boden unter den Füßen. Er purzelt einen Abhang herunter, bleibt kurz liegen, richtet sich dann aber sofort auf und rennt weiter.
»Na das wird interessant werden.«, bringt Blight nur heraus.
»Ich kenne Narie, sie wird Marvel nicht mehr einfach so töten können.«, fügt er dann noch hinzu.
»Aber ich denke nicht, dass er sie noch Mal verschont, oder?«, fragt Finnick und sieht zu Blight, so als würde er das wissen, doch er zuckt nur mit den Schultern.
»Hoffen wir, dass sie ihn zuerst tötet, wenn es drauf ankommt.«, gibt er nur trocken zurück und sieht wieder gebannt auf den Bildschirm. Ja, hoffen wir es.

Marvel und Narie laufen beide in entgegengesetzte Richtungen, beide darauf bedacht so viel Abstand wie möglich zu den Karrieros zu gewinnen. Marvel ist froh, dass er genug Waffen und einen Rucksack dabei hat, genau wie an dem Tag als er Narie verbunden hatte. Er weiß ganz genau, dass seine Mentoren in diesem Moment ziemlich sauer sein werden und seine Anzahl von Sponsoren auf 0 sinken wird, aber es ist ihm egal. Es ist ihm gleichgültig was Cashmere und Gloss von ihm denken und er ist sich dessen bewusst, dass er diese Arena nicht lebendig verlassen wird, da er alles daran setzen wird Narie heil hier raus zu bringen damit sie zurück zu ihrer Familie kann. Marvel spürt eine tiefe Verbundenheit zu ihr, auch wenn er nicht weiß wieso. Zuletzt hatte er nur bei seiner Schwester so etwas gefühlt, nicht einmal bei seinen Eltern. Mit gezücktem Speer läuft er immer weiter, hört wie Cato und Clove wütend aufschreien, als sie ihn nicht finden können, doch er lässt sich davon nicht beirren und rennt weiter. Marvel weiß nicht genau wo er hinläuft, doch er will so viel Abstand wie nur möglich zwischen sich und die Karrieros bringen. Er weiß in welche Gebiete Cato und Clove gehen und in welche sie nicht gehen, weil sie sich nicht trauen. Genau diese Gebiete sind jetzt sein Ziel. Marvel läuft weiter, sieht sich immer wieder aufmerksam um, aber er bleibt niemals stehen. Als er das Gefühl hat, dass seine Beine gleich unter ihm nachgeben bleibt er kurz stehen und sieht sich um. Er findet einen Baum auf den er klettern kann und kurz darauf befindet er sich gut versteckt in den Blättern des Baumes. Dort verschnauft er erstmal und sieht in seinen Rucksack. Er ist sich unsicher, was er dort eingepackt hat, aber er hofft, dass es genug sein wird um eine Weile zu überleben. Als am Abend die Hymne ertönt blickt Marvel in Richtung des Himmels. Frustriert stellt er fest, dass weder Cloves, noch Catos Bild am Himmel erscheinen. Ihm ist aber auch bewusst, was das heißt. Die Karrieros werden nicht nur Jagd auf Narie machen, nein, sie werden auch alles daran setzen, dass Marvel sterben wird, langsam und qualvoll.

Fighter || Hunger GamesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt