11. Kapitel - Das Praktikum

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Am Tag meines Praktikums versuchte ich wirklich alles, um den Beginn heraus zu zögern, jedoch ohne jeglichen Erfolg. Papa hatte mich beim Fibermessen nicht aus den Augen gelassen, sodass ich keine Chance bekam, das Thermometer unauffällig an meiner Bettdecke aufzuwärmen und meinen angeblich verstauchten Fuß identifizierte Papa sofort als Fälschung. „Es wird schon nicht so schlimm werden.", hatte er gesagt, doch nun saß ich hier schon seit einer halben Ewigkeit und wartete darauf, dass mir endlich mal jemand sagte, was ich machen sollte. Ich hatte auf einem Stuhl im Eingangsbereich Platz nehmen und auf die Frau, die Paps mir schon abgekündigt hatte, warten sollen, doch sie schien sich wirklich Zeit zu lassen.

Ich hatte keine Lust auf  das Praktikum, schließlich hasste ich es, etwas Unbekanntes zu machen und dank meiner Väter wurde ich auch noch dazu gezwungen. Meiner Meinung nach war es unfair mir das ganze hier aufzudrücken, schließlich war ich kein Problemfall, doch offenbar war mein Denken in dieser Situation nicht gefragt.

Einzig und allein das Geräusch von näherkommenden Schuhen auf dem hallenden Boden ließ mich aus meiner melancholischen Haltung erwachen und ich merkte, dass mich eine Frau neugierig ansah. „Hallo, ich bin Inge – du musst Samantha sein.", sagte sie freundlich und ich stand auf um ihre ausgestreckte Hand zu ergreifen. Sie war wesentlich älter als meine Väter, hatte schon graue Haare und ein faltiges Gesicht, doch die meisten ihrer Unebenheiten zeugten davon, dass sie ihr Leben lang viel gelacht hat und das schmeichelte mir. So sehr ich auch die Umstände dieses Praktikums verabscheute, ich musste zugeben, dass diese Frau wirklich sympathisch aussah.

„Entschuldige bitte, dass es so lange gedauert hat, doch eine Sitzung hatte länger gedauert, als ich es geplant hatte." Sie deutete mir, dass ich ihr folgen sollte. „Bald wirst du selbst merken, wie Chaotisch das hier manchmal ist, doch im Grunde ist die Arbeit wirklich schön, weil wir Kindern helfen können." Ich war überzeugt davon, dass sie jedes ihrer Worte ernst nahm und konnte mir ein kleines Lächeln nur mit Mühe verkneifen. Ich musste mich ein weiteres Mal daran erinnern, dass ich gezwungen wurde, das Praktikum hier zu machen.

Wir gingen durch eine Tür und fanden uns auf einmal in einem Raum wieder, der mich sehr an ein Jugendzentrum erinnerte. „Wir haben uns hier vor allem auf Kinder aus schwierigen Verhältnissen konzentriert. Zwar kümmern wir uns um jegliche Art von Not bei den Kleinen, doch wenn sie zuhause einfach nicht wohl fühlen können – und das passiert leider viel zu oft – dann bieten wir ihnen eine alternative. In ganz dramatischen Situationen kommt es auch vor, dass das Kind oder der Jugendliche eine kurze Zeit lang hier wohnt, jedoch muss es dann schon ziemlich schlecht aussehen." Das klang interessant. Ich sah mich in dem Raum um – ein Kicker stand direkt vor dem großen Fenster, dass mir einen Blick auf einen kleinen Spielplatz im Garten bot, daneben war ein großes Bücherregal aufgebaut, das von bunten Sitzkissen umgeben war.

Ich erkannte einen Jungen, der etwa in Elias alter sein musste, vor einem der zwei Computer am anderen Ende des Raumes sitzen und gebannt auf den Monitor starren, während sich zwei ältere Mädchen lachend am Tisch, in der Mitte des Raumes, unterhielten.

Zu meinem Erleichtern stellte mich Inge nicht vor den Dreien als neue Praktikantin vor, sondern führte mich in den nächsten Raum, sodass mir die peinliche Aufmerksamkeit erspart blieb.

„Das ist mein Büro.", meinte Inge und deutet mir, mich auf einen der Stühle vor ihrem Schreibtisch zu setzen. Sie selbst nahm dahinter Platz und sah mich mit neugierigen Augen an. „Ich kannte dich und deinen Bruder damals wirklich gut.", meinte sie und setzte damit an einemPunkt an, den Paps nicht weiter erläutern wollte, als ich ihn nach seiner Bekannten gefragt hatte.

„Wirklich?", fragte ich jedoch trotzdem, da es mir langsam blöd vorkam, nichts zu sagen. Doch was sollte ich machen? Inge hatte keine Fragen gestellt und ich konnte nicht einfach so drauf los reden, wie Becks es gerne tat.

Wer nicht kämpft, kann nicht gewinnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt