13. Kapitel - Panikattacke

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Um all die vielen Gedanken endlich loswerden zu können, konzentrierte ich mich auf die einzige Sache, die mein Gehirn mindestens genauso zu beanspruchen schien – Alec. Er und Emma waren nicht in der Schule gewesen, ich hatte keine Chance gehabt, mit ihm über mein Praktikum zu reden, bei dem seine Mutter meine neue Ansprechpartnerin geworden war. War er mit Absicht nicht erschienen, oder war das ganze bloß ein großer Zufall? Ich musste mich entscheiden – entweder ich konfrontierte mich selbst mit der enormen Schuld meinem Bruder nicht geholfen zu haben, oder ich konzentrierte mich auf Alec, der vielleicht meine Hilfe in diesem Augenblick brauchte.

Während ich durch den Park ging, um zuerst in der Hochhaussiedlung nach meinem Freund zu schauen, machte ich mir ernsthafte Gedanken. War es richtig von mir gewesen, so viel über unsere Freundschaft vor seiner Mutter preiszugeben? Sie wusste scheinbar genau, wie die Beziehung zwischen Emma und Elias im Moment stand, doch über Alecs Leben kannte sie kein einziges Detail? Das kam mir alles mehr als verdächtig vor.

Gerade als ich mir überlegte, ob ich die Bitte meines Freundes ignorieren und einfach bei ihm zuhause klingeln sollte, erkannte ich ein paar Gestalten auf dem altbekannten Spielplatz. Es kostet mich nicht sonderlich viel Vorstellungsvermögen, herauszufinden, dass Alec unter ihnen wandelte. Das Mädchen mit den unnatürlich schwarzen Haaren, die absolut nicht die gleiche Wirkung wie Alecs Pechschwarze Mähne hatten, stand wie beim letzten Mal ebenfalls in der Runde. Ich konnte nicht bestimmen was es war, doch irgendetwas an ihr kam mir mehr als suspekt vor.

Sie war diejenige die mich schon beim letzten Mal komisch angemacht hatte und auch heute schien meine Abneigung auf Gegenseitigkeit zu beruhen. „Schau mal, dein Schoßhündchen ist wieder da.", meinte sie laut genug, dass ich es hören konnte und brachte Alec dazu, sich zu mir umzudrehen. Leider tat er genau das und sah mich aus undurchdringlichen Augen an – doch das war nicht das Detail, welches mich zum stocken brachte. Alecs Gesicht wurde von einem blauen Auge geziert und eine riesige Schramme schlich sich über seinen Wangenknochen, als wäre er über einen Nagel gerutscht. Ich starrte ihn erschrocken an. Was war nur wieder mit ihm passiert?

„Was willst du hier?", fragte er ernst und ließ keine Spur von seiner netten Seite zurück – scheinbar hatte er wieder einmal einen schlechten Tag, was sein Fehlen erklären würde. Doch warum hatte ich Emma dann auch nicht gesehen? Alec würde niemals erlauben, dass sie zuhause blieb und mit ihm gemeinsam die Schule schwänzte, wenn nicht irgendetwas wirklich Schlimmes vorgefallen war.

„Was ist passiert?", fragte ich leise und wollte am liebsten die wunden Stellen in seinem Gesicht berühren, doch stoppte meine Hand noch bevor Alec reagieren und zurückschrecken konnte – er mochte keine Berührungen.

„Was willst du hier?", stellte er seine erste Frage einfach noch einmal, ohne auf meine Gegenfrage einzugehen. Ich schluckte meinen stolz herunter und antwortete nicht noch einmal mit meiner Frage, schließlich würde Alec sowieso nicht nachgeben. Ich kannte ihn inzwischen ziemlich gut.

Mir fiel die Zigarette in seiner Hand auf, doch ich sagte nichts dazu. Es war noch immer merkwürdig zu verstehen, dass der Junge mit dem ich einen ganzen Tag verbracht hatte und ihn dabei nicht einmal mit einer Zigarette gesehen habe, schon zum zweiten Mal auf diesem Spielplatz stand und das langsame Gift ruhig inhalierte. Es passte einfach nicht zusammen.

„Können wir kurz reden?", fragte ich vorsichtig und schielte zu dem namenlosen Mädchen, welches mich noch immer ungeniert musterte. Ich mochte es nicht, wenn Blicke auf diese Weise auf mir lagen und lies meine Hände unauffällig in meinen langen Ärmeln verschwinden.

„Wenn's sein muss.", meinte Alec zu meinem Überraschen wenig resistent und machte sich auf den Weg hinter das erste Hochhaus. Die Schwarzhaarige sah mindestens genauso erstaunt aus, wie ich, doch im Gegensatz zu mir bildete sich in ihrem Blick noch etwas anderes, das ich nicht identifizieren konnte.

Wer nicht kämpft, kann nicht gewinnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt