23. Kapitel - Abscheu

147 13 4
                                    

Als ich mich ein paar Tage später auf den Weg zu Alec machte, fiel es mir deutlich schwerer ihn zu besuchen, als noch vor zwei Wochen. Es war einfach merkwürdig, da ich nicht wusste was der Junge mit den eisblauen Augen und ich tatsächlich darstellten und ob wir überhaupt etwas waren. Wir hatten nie darüber gesprochen, schließlich waren wir immer zu beschäftigt gewesen ernste Themen durch Intimitäten zu verdrängen. Ich machte mir einfach mal wieder zu viele Gedanken über eine Sache, die ich sowieso niemals alleine ansprechen konnte und deren Bedeutung ich somit auch bei weiteren Treffen mit Alec nicht erfahren würde.

Als ich gerade auf den Spielplatz bog bereute ich meine Entscheidung sofort wieder. Warum hatte ich mich nicht einfach direkt mit ihm an der Boxhalle getroffen? Es wäre so viel einfacher gewesen und hätte mich davor bewahrt seine komischen „Freunde" zu sehen. Lola – die Anführerin des Grauens – entdeckte mich mal wieder zuerst. Ihr Kopf drehte sich in meine Richtung, sobald ich auch nur einen Schritt auf die Gruppe zuging. Es war als könnte sie meinen Angstschweiß riechen.

Glücklicherweise löste Alec sich aus der Gruppe, bevor ich indirekt dazu gezwungen worden wäre, ihnen zumindest einen guten Tag zu wünschen. Ich wollte nicht mit ihnen sprechen, doch wenn Alec mit all diesen komischen Leuten befreundet war, dann blieb mir bald nichts anderes mehr übrig.

„Hey", sagte er leise und mit einem Lächeln auf den Lippen, als er näher kam.

Ich erwiderte seinen unheimlich anziehenden Auftritt lediglich mit einem kleinen und atemlosen „Hi" und stand ein wenig unsicher vor dem Jungen mit den eisblauen Augen. Es war als hätte ich in der kurzen Zeit, in der ich ihn nicht gesehen hatte, vergessen, wie anziehend seine Augen tatsächlich waren und wie viel Zeit ich damit verbringen wollte ihn einfach nur anzusehen.

„Wollen wir?", fragte er nach einer gewissen Zeit und wirkte dabei schon lange nicht mehr wie der große, breite Junge der eigentlich vor Selbstbewusstsein strotzen sollte. Stattdessen brauchte seine Hand ein paar Anläufe, bis sie sich endlich dazu überwinden konnte, nach meiner zu greifen.

Fast hätte ich laut aufgelacht, weil die Geste einerseits unheimlich süß war, aber andererseits total unnötig, schließlich ließ ich mich in letzter Zeit sehr gerne von Alec anfassen und sehnte jede Berührung herbei, wie ein Verhungernder ein Stück Brot

„Hast du auch geraucht?" Es hatte deutlich länger gedauert, meine Stimme wiederzufinden, als ich gedacht hatte, doch wenigstens war der Spielplatz nun nicht mehr in Sichtweite und ermöglichte es mir, die Berührung unserer ineinander verschlungenen Finger zu genießen. Ich dachte an unseren ersten Kuss zurück, den ich Alec aufgedrückt hatte, damit seine Angstattacke aufhörte – damals hatte er vorher geraucht und diesen Geschmack mochte ich definitiv nicht.

„Du denkst also schon wieder nur ans Küssen?!", fragte Alec und wirkte einen Moment so geschockt, dass ich sofort meine Augen aufriss, rot anlief und anfing zu stottern. „N... nein, nur... ich meine..." Wie sollte ich mich da nur rausreden? Natürlich hatte ich wieder nur an die Berührung unserer Lippen gedacht, die meinen ganzen Körper in Flammen setzen konnte.

Erst als der Junge vor mir anfing lauthals zu lachen, verstand ich, dass er mich einfach nur verarscht hatte. „Du bist ein Idiot!", sagte ich beleidigt, doch konnte ein leises Schmunzeln meinerseits nicht verhindern.

Alec zog mich wieder weiter, was ganz gut war, denn andernfalls würden wir auch noch in einem Jahr hier stehen und hätten die Boxhalle niemals erreicht. Meine Beine wollten mir jedenfalls schon lange nicht mehr gehorchen und am liebsten gemeinsam mit Alec in einem ruhigen Ort verschwinden und sich ganz nahe kommen.

„Nein", sagte er irgendwann mit gerunzelter Stirn und sah zu mir. Mein Herz setze für einen Moment aus – was meinte er? Nein, zu der ganzen Sache zwischen uns? Nein, zu mir? Ich mahlte mir auf einmal tausende Schreckensszenarien aus, in denen mich Alec genau hier, in dieser Häusersiedlung, sitzen lassen wird.

Wer nicht kämpft, kann nicht gewinnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt