12. Kapitel - Antworten

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„Immer lustig!", meinte Moritz wie aus der Pistole geschossen. „Lucas und ich waren schon von Anfang an die besten Freunde." Seine Augen begannen zu strahlen, als er diese Worte aussprach. Ich fragte mich unweigerlich, wie es dazu kommen konnte, dass sie beide von der Schule geschmissen wurden.

„Und Lucas hat sich auch wohl gefühlt?", fragte ich vorsichtig. Vermutlich hätte ich direkter nach dem Grund ihres Rausschmisses fragen sollen, hätte offensichtlicher zeigen müssen, dass ich mich vor allem für das Ende der Geschichte interessierte, doch das brachte ich nicht übers Herz. Es war schon merkwürdig genug meinen Bruder auf diese Weise zu hintergehen.

„Er war wirklich komisch, als er bei uns ankam. Damals wollte er immer nur lernen und hat sich nie auf irgendwas Lustiges eingelassen." Das klang schon eher nach meinem Bruder, er war damals wirklich verantwortungsbewusst gewesen.

Moritz biss von seinem Brot ab und kaute eine gefühlte Ewigkeit, in der ich ihn nur anstarrte. Ich wollte mehr wissen – wollte mehr über das neue Leben meines Bruders erfahren. Er hatte sich schließlich komplett verändert und nun wollte ich endlich wissen, wie es dazu gekommen war – außerdem brachte ich einfach nicht den Mut auf, mit der Tür ins Haus zu fallen und meine einzige Möglichkeit auf ein paar Antworten über Bord zu werfen.

„Aber dann kam sein bester Freund um die Ecke und zeigte ihm, welche Vorzüge das Leben zu bieten hatte." Moritz machte eine Geste, als würde er sich selbst auf die Schulter klopfen und ich sah zu, wie er einen Moment in seinen Gedanken versank, ehe er auf einmal traurig zu werden schien. „Naja, es war ganz lustig, bis dann irgendwann das mit Vanessa passiert ist." Schon wieder dieser Name – Moritz hatte ihn schon einmal im Bezug auf Lucas Exfreundin aus dem Internat verwendet, doch bis zu diesem Augenblick hatte ich ihren Namen komplett vergessen.

„Was ist mit ihr passiert?", fragte ich nach und warf einen Blick über die Schulter des blonden Jungen, der scheinbar nicht bemerken zu schien, wie wir von meinem Zwillingsbruder beobachtet wurden.

Lucas saß zwar noch immer am Tisch mit Marie, doch sein Blick wanderte immer öfter zu mir und Moritz – ich hoffte inständig, dass er nicht zu uns kommen und unser Gespräch beenden würde.

„Das hat dir keiner erzählt?", fragte Moritz ungläubig und bestätigte damit meine Vermutung, dass meine Väter von der ganzen Geschichte wussten.

„Sagen wir's mal so: Ich bin nicht unbedingt die erste Person, zu der Menschen mit ihren Geheimnissen gehen." Ich musste unweigerlich an Alec denken, der sich lieber von mir fern hielt, als mich an sich heran zu lassen. Nun schwänzte er schon die Schule, sodass ich nicht einmal die Möglichkeit bekam, mit ihm über die Dinge zu reden, die mir seine Mutter verraten hatte.

„Vanessa und dein Bruder waren fast drei Jahre zusammen – er hat sie wirklich geliebt." Ich hatte zwar nie wirklich Interesse in das neue Leben meines Bruders gezeigt, doch eine feste Freundin war mir neu. Immer wenn er uns zuhause besucht hatte, schien es immer so, als wäre da niemand an seiner Seite - er hatte nie ein Mädchen erwähnt.

„Was ist passiert?" Aus seinen Worten schloss ich, dass Lucas sie nicht mehr liebte und auch seit seiner Ankunft war nie ein Wort über eine Vanessa gefallen. Vielleicht haben sie sich getrennt und er hat daraufhin irgendwas Blödes gemacht, um von dem Internat zu fliegen – doch warum war er dann so verschwiegen bei der ganzen Sache? Es ergab keinen Sinn.

„Was hast du gemacht, als ich dich Nachts im Badezimmer überrascht habe?", fragte Moritz aus einer Laune heraus und wechselte damit so abrupt das Thema, dass ich einen Moment brauchte, um die Bedeutung hinter seinen Worten zu verstehen.

„Ich habe die Toilette benutzt.", log ich und versuchte dabei so ehrlich wie möglich zu klingen. Warum hatte er diesen kleinen unbedeutenden Vorfall nicht einfach vergessen können? Ich hatte wirklich gedacht, dass sein Gehirn sich diese Information nicht gemerkt hatte. „Was ist bei Vanessa und meinem Bruder passiert?"

Wer nicht kämpft, kann nicht gewinnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt