3. Kapitel - Kampflesbe

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Als sie sich wieder von mir löste, nach meiner Hand griff und mich verliebt anstarrte, konnte ich nichts anderes, als erschrocken meine Augen aufreißen. Was war gerade passiert? Becks zog mich hinter sich her und ich folgte ihr monoton. Ich hatte in meinem Leben erst eine Person geküsst und vor der Aktion hatte ich keine Minute darüber nachgedacht, wie es sein würde, ein Mädchen zu küssen. Wie hatte es dazu kommen können?

„Es tut mir leid!", wiederholte Becks, als wir alleine hinter dem Haus standen. Sie wirkte wirklich reuig, doch gleichzeitig merkte ich, wie verwirrt sie war. Ihre Hände hatte sie auf meinen Schultern gestützt, um mir tief in die Augen zu sehen. Es schien, als hätte der Kuss jeden Tropfen Alkohol in meinem Blut vernichtete, denn meine Gedanken waren klar. Becks hatte mich geküsst und ich hatte den Kuss erwidert. Warum hatte ich das getan? Es muss an ihrer Bitte gelegen haben, oder vielleicht auch an dem vielen Alkohol – vielleicht wollte mein Unterbewusstsein Malte etwas auswischen, da ich schon genau wusste, dass er ein Arsch war. Es gab tausende realistische Gründe, doch gleichzeitig erklärten sie rein gar nichts.

„Aber Malte war da. Und dann hat er mich gegrapscht und wollte mich zurück. Und ich musste ihm doch zeigen, dass ich nicht interessiert bin!" Ihre Stimme überschlug sich beinahe, doch noch immer ließ sie mich nicht los. „Ich hatte kurz überlegt Lucas zu küssen, doch er hat eine Freundin und er ist dein Bruder." Ich dachte bitter daran, wie viel unkomplizierter ein Kuss mit meinem Zwillingsbruder gewesen wäre, schließlich wäre ich damit nicht involviert gewesen und zwischen Marie und ihm könnte sich ein Streit entwickeln. Ich wünschte Becks hätte ihn geküsst. „Es war nur ein kurzer Kuss, also sei mir bitte nicht böse.", flehte sie mich an. Und da wurde mir eines bewusst: Für Becks war ein Kuss nichts besonderes, vermutlich hatte sie den Typen, auf dessen Schoß sie vorhin gesessen hatte, ebenfalls an diesem Abend geküsst. Und sie hatte ja auch recht damit – im Grunde war ein Kuss nichts weiteres, als ein harmloses Lippenaufeinanderpressen.

„Ist schon in Ordnung, ich denke ich werde es überleben.", gab ich lässig zurück und versuchte mir ein Lächeln ab zu ringen, welches einigermaßen echt wirkte. Ich durfte auf keinen Fall ein großes Ding daraus machen, denn andernfalls würde es ziemlich peinlich für mich werden.

„Gott sei Dank!", schrie Becks vor Erleichterung und nahm endlich ihre Hände von meinen Schultern, um diese hoch in den Himmel zu preisen. Nun musste ich tatsächlich Lachen, ihre Geste wirkte so übertrieben.

„Und Malte hat dich tatsächlich wieder belästigt?", griff ich ihre Worte von eben wieder auf. Der Typ war lästiger als ein Kaugummi unter dem Schuh. Er stand auf meiner Liste etwa genauso tief wie Marie, was wirklich einer Meisterleistung glich. Es war nicht einfach mit dem Teufel höchstpersönlich mit zu halten, doch seine Freundin zu betrügen und nach der Trennung dauernd auf zu lauern kommt ziemlich nah an all die Gemeinheiten heran, die ich von der Ausgeburt der Hölle kannte.

„Er kam tatsächlich an und meinte, dass ich mit ihm nach Hause fahren würde. Da sind mir die Sicherungen durchgebrannt und ich habe ihm gesagt, dass ich inzwischen wieder in einer Beziehung bin." Becks stimmte war auf einmal nicht mehr so fröhlich und enthusiastisch, sondern wirkte traurig und erschöpft. So war es immer, wenn sie über ihn redete – es war wirklich schlimm, wie ein einziger Typ ihr Leben beherrschte.

„Also sind wir jetzt offiziell fake-zusammen?", fragte ich mit einem Schmunzeln im Gesicht. Ich hatte die Wahl, die Situation entweder ernst zu nehmen, oder das Beste daraus zu machen.

Becks fiel erleichtert in mein Lachen ein und umarmte mich euphorisch. Ich erwiderte den Druck sofort.

Leider hatte der Kuss mehr Folgen, als ich es mir zu dem Zeitpunkt ausmahlen konnte, denn eine Woche später ging die Schule wieder los und ausgerechnet meine Silvesternacht war zum Gesprächsthema Nummer eins heran gewachsen.

Wer nicht kämpft, kann nicht gewinnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt