7. Kapitel - Schokoladeneis

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„Warum starren die denn alle so?", fragte ich erneut, als wir auch auf unserem Rückweg aus der Halle von allen angestarrt wurden. Zu meinem Leidwesen machten die meisten Jungen und Männer inzwischen eine Pause und unterhielten sich in der Mitte der Halle, während sie uns wenig dezent ansahen.

„Frag nicht. Komm, wir gehen.", befahl Alec und ich, obwohl mir sein Ton alles andere als Willkommen war, folgte ihm wortlos. Die meisten dieser Kerle machten mir Angst. Sie waren allesamt breit gebaut und hatten so viele Muskeln aufgebaut, dass ich einige von ihnen nicht einmal mit Alec vergleichen konnte. Sie wirkten wie Dauergäste in der Halle und schienen eine Menge Freizeit zu besitzen. Ihre Blicke machten mich nervös.

„Hey Alec!", rief einer der Typen und machte eine Handbewegung, die zeigte, dass wir zu ihm stoßen sollten. Jedoch machte mein Begleiter keine Anstalten auf die Aufforderung ein zu gehen. „Stell uns doch mal deine Begleitung vor." Der Typ ließ sich nicht davon Beirren und schrie seine Worte einfach weiter durch die halbe Halle.

„Vergiss es!", rief Alec dem Typen über die Schulter zu und schob mich durch den Ausgang. Wieso wollte er mich nicht vorstellen? War ich ihm peinlich oder waren die Typen ihm unangenehm gegenüber mir? Ich konnte mich nicht entscheiden, welche Version der Wahrheit mir weniger Sorgen bereitete.

„Warum redest du nicht mit ihnen?", fragte ich, als wir wieder vor der grauen Wand der Halle standen. Alec war den ganzen Tag so gesprächig gewesen, das wollte ich nicht wegen diesen Typen nichtig machen.

„Warum fragst du heute so viel?"

„Es interessiert mich halt.", antwortete ich ehrlich und wich Alecs Blick aus. „Danke, dass du das heute mit mir gemacht hast." Es war schwer einen Satz heraus zu bringen, der nicht in einer Frage endete.

„Ich habs nur gemacht, damit ich dich nicht ständig vor den Idioten retten muss." Der unnahbare Alec war wieder da und verhinderte, dass auch nur eine nette Silbe seinen Mund verließ.

„Trotzdem danke."

„Was ist mit deiner Hand passiert?!" Es war ausgerechnet Elias, der die verletzten Fingerknöchel als erster bemerkte. Sie waren irgendwann auf meinem Weg nach Hause leicht angeschwollen und hatten sich blaugrün verfärbt. Während des gesamten Mittagessens mit der Familie hatte ich es geschafft, meine Hand unter dem langen Ärmel zu verbergen, doch ausgerechnet mein kleiner Bruder schien etwas bemerkt zu haben.

Ich war so erstaunt über seine Worte, dass eine Weile brauchte um sie zu verstehen. Es war einfach viel aufregender, dass er wieder mit mir zu sprechen schien, dass ich alles andere nur bedingt wahrnahm. Er zeigte erneut auf meine verletzte Hand, sodass ich daran erinnert wurde, zu einer Antwort an zu setzen: „Das ist nichts."

Ich versuchte meine Hand wieder unter dem langen Ärmel meines Pullovers zu verstecken, doch Elias hatte sie ohnehin gesehen. „Du warst mit Alec unterwegs, oder? Er hat auch immer solche Verletzungen an seinen Händen." Offenbar achtete der Kleine auf viel mehr Einzelheiten, als ich dachte. Wieder einmal kam er mir so viel älter vor, als hätte er die Weisheit mit Löffeln gegessen.

„Und wenn schon.", versuchte ich die Tatsache ein wenig ab zu schwächen. „Hör mal, Elias – es tut mir wirklich unendlich leid, wie das alles gelaufen ist. Ehrlich, ich fühle mich immer noch schlecht deswegen!" Ich hatte mich schon oft bei ihm entschuldigt, doch bis jetzt hatte er mir dabei noch nie so tief in die Augen gesehen.

Offenbar schien er genauso wenig zu wissen, wie er mit der Situation umgehen sollte, wie ich, daher nickte er nach einiger Zeit einfach nur und machte sich auf den Weg in sein Zimmer. Eine komische leere empfing mich, sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Was hatte ich denn erwartet? Es wäre lächerlich zu glauben, er würde mir sofort verzeihen – dafür war Elias zu verletzt – doch trotzdem hatte ich die Hoffnung, dass nach unserem Gespräch alles wieder in Ordnung sein würde. Aber der erste Schritt schien getan worden zu sein, denn immerhin hatte Elias das erste Mal seit Monaten freiwillig ein paar Worte mit mir gewechselt. Es war ein Anfang, also sollte ich nicht so enttäuscht sein.

Wer nicht kämpft, kann nicht gewinnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt