20. Kapitel - Peinlicher Auftritt

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„Hallo", sagte ich aufgeregt und konnte dabei nicht verhindern, dass meine Stimme um ein paar Oktaven in die Höhe schoss. Alec war noch nie wegen einer bloßen Einladung von mir bei mir zuhause gewesen und irgendwie schien dieses Detail ziemlich mit meinen Nerven zu spielen.

„Hey" Meinen kurzen Ausrutscher quittierte der Junge mit den eisblauen Augen bloß mit einem kurzen Schmunzeln, bei dem ich leider nicht erkennen konnte, ob er meine Reaktion über sein Auftauchen nun als süß oder doch eher peinlich beurteilte. Ich hoffte auf ersteres, befürchtete jedoch die zweite Variante.

„Am besten wir gehen nach oben, hier ist die Luft so schlecht." Meine Stimme hatte sich wieder beruhigt, daher konnte ich mir diese Spitze gegen meinen Bruder nicht verkneifen. Dieser stand noch immer vor der Treppe und beäugte uns wütend. Er sagte nichts zu meinem gemeinen Kommentar, da er viel zu beschäftigt damit war, die Situation zu analysieren. Ob er jedoch zu viel hineininterpretierte, konnte ich nicht direkt sagen, schließlich war seine Sicht komplett geblendet durch seinen Stolz. Der wohl schlechteste Menschenleser der Welt, versuchte tatsächlich einen Menschen für gut oder böse einzuschätzen? Das konnte ja nur schief gehen.

„Ist alles okay zwischen euch?", fragte Alec neugierig, als wir endlich mein Zimmer erreicht hatten. Ich schloss die Tür hinter uns und sorgte damit auf einmal für unheimlich viel Privatsphäre, die mir die Situation bewusst machte – ich war alleine mit dem Jungen in meinem Zimmer, den ich in letzter Zeit immer wiedernah sein wollte.

„Was ist zwischen dir und Lucas vorgefallen? Er mag dich nicht besonders." Es war vermutlich das Beste ihn direkt zu fragen, außerdem glaubte ich nicht, dass diese Frage in die Spalte, von Sätzen fiel, die ich in seiner Gegenwart lieber nicht benutzen sollte.

„Machst du dir da wirklich Gedanken drüber?", fragte Alec mit einem unwiderstehlichen Schmunzeln, das seine Lippen umspielte und sein ganzes Gesicht freundlicher wirken ließ. Meist war Alec ernst, doch ich hatte das Gefühl, dass er mir in letzter Zeit immer häufiger von seiner freundlichen Seite begegnete und mir so oft ein Lächeln schenkte, dass ich aufgehört hatte zu zählen. Damals wäre so etwas undenkbar gewesen, doch es war schön, dass ich nicht die einzige war, die ihre Ernsthaftigkeit verlor, sobald wir gemeinsam in einem Raum standen.

Erst jetzt fiel mir auf, dass wir tatsächlich noch mitten in meinem Zimmer standen, da ich keine Anstalten gemacht hatte, mich irgendwo hin zu setzen. Da ich keine richtige Sitzmöglichkeit fand und mich nicht traute, mich auf mein Bett zu setzen, in der Angst, dass Alec die Geste falsch verstehen könnte, setzte ich mich kurzerhand auf den Boden, sodass ich mich an dem Fußende meines Bettes anlehnen konnte. Das war vielleicht nicht die bequemste Lösung, aber gleichzeitig die, mit den wenigsten Hintergedanken.

„Natürlich mache ich mir Gedanken darüber – Lucas ist mein Bruder und ich mag es nicht, wie er dich immer schlecht darstellt." Ich biss mir auf die Unterlippe, der Satz kam eindeutig anders rüber, als ich es mir gewünscht hatte. Im Grunde hatte ich nur darstellen wollen, warum ich endlich erfahren wollte, was zwischen beiden vorgefallen war, doch nun hatte ich Alec wieder einmal offenbart, wie viel mir an ihm lag.

Natürlich hatte der Junge mit den eisblauen Augen mein Eingeständnis ebenfalls mitbekommen und setzte sich so dicht neben mich, dass sich unsere angewinkelten Beine berührten. „Du bist süß.", sagte er leise und drehte den Kopf in meine Richtung, um mich ansehen zu können.

Hoffentlich sah man mir nicht an, dass ich gerade nahe eines Herzinfarktes stand und jeden Moment ohnmächtig werden würde – noch nie hatte mich jemand als ‚süß' bezeichnet. Ich wurde unweigerlich rot und wand mein Gesicht von ihm ab, um ein bisschen meiner Scham zu verstecken.

Wer nicht kämpft, kann nicht gewinnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt