Alles meine Schuld...

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-1 Monat später-
Langsam nahm ich wieder Kontakt zu Rüya und Eylül auf. Sie verstanden mich und gewährten mir meine Einsamkeit. Dazu hatte ich mich auch an die Arbeitswelt gewöhnt und konnte meine Gefühle und Probleme unter Kontrolle halten. In der Firma lief bis jetzt alles gut, außer, dass mich der Chef auf einer anderen Art und Weise anschaute. Vertrauenswürdig und sehr nett. Zu nett. Sein Verhalten mir gegenüber war im Gegensatz zu den anderen Mitarbeitern sehr verschieden. Einmal versuchte er etwas über mein privates Leben zu erfahren aber ich blockte ab. Ich wollte mich keinem öffnen. 'Die weinende Frau' reichte schon aus um sich ein Bild von mir zu machen.

Nur noch vier Tage, dann würden sie das Bild ausstrahlen. Was genau sie daran bewundernswert fanden, war mir unklar. Ich saß mit meiner Pijama und Hausschuhen auf dem Boden, die Beine angewinkelt und blickte mit Tränen zur Türe. Ich hoffte. Hatte damals Hoffnung. Hatte.
Heute wollte ich neu anfangen. Das Grab meiner Mutter besuchte ich regelmäßig und konnte damit langsam klarkommen. Ganz akzeptieren konnte ich den Tod nicht. Es war nicht einfach aber nichts war eigentlich einfach. Meiner Religion hatte ich mich mehr gewidmet und die Uni lief auch gut. Mein Leben war nahezu perfekt. Nahezu. Es gab immer etwas, was einem im Kopf festsitz und immer dort bleibt. Es bedrückt einem und immer denkt man an die eine Sache. Nun ja, bei mir waren es leider mehr als eine Sache. Vieles konnte ich abschalten und sie irgendwo im meinem Hinterkopf lassen aber nicht die eine Person.

Ich konnte zwar neu anfangen aber nicht das Geschehene vergessen. Ich konnte ihn nicht vergessen. Ich machte mir sorgen um ihn. Weder die Uni besuchte er noch von Rüya hörte ich etwas von ihm. Er war einfach wie in Luft aufgelöst. Ich hätte nicht gedacht, dass er seine Worte so ernst nehmen würde. Ich konnte ihm verzeihen aber mein Stolz konnte es nicht. Wenn ich alles zusammenzähle, dann ist nunmal das Ergebnis, dass er mich nicht fair behandelt hatte. Wie soll man da mit einem klarkommen? Ich habe bisher nur seine dunkle Seite gesehen. Die andere Seite kam aber nicht zum Vorschein. Was würde meine Entscheidung ändern? Was wäre passiert, wenn ich gesagt hätte, dass ich ihm verzeihe? Würde er hier bleiben? Ich musste nach ihm sehen. Ich wollte nicht "etwas" sein, dass ihn hindert aus seinem Leben zu verschwinden. So ein schlechter Mensch bin ich nun auch wieder nicht.

Zu Hause zog ich mir meine Arbeitsklamotten aus und zog stattdessen meine Alltagsklamotten an. Jeans, Pulli, Sneaker und Jacke. Mein Weg führte zu Rüya. Telefonisch konnte ich sie nicht erreichen deswegen wollte ich es bei ihr zu Hause probieren. Nach dem dritten Klingeln öffnete Emine Teyze die Türe. Ihr Kopftuch war leicht verrutscht und sie sah sehr hektisch aus. "Ah Hallo Masal. Komm doch rein. Bin bisschen unter Zeitdruck. Gäste werden kommen und ich muss noch so viel machen. Rüya ist oben. Komm schnell rein.", sie redete einfach drauflos. Ich trat in das Haus und küsste Emine Teyze's Hand. (Respekt vor älteren) "Emine Teyze jetzt atme mal tief ein und aus. Soll ich dir helfen?", fragte ich sie lieb und versuchte sie zu beruhigen. "Nein. Ich krieg das hin, wenn was ist sag ich es dir." Sie machte sich wieder an die Arbeit und ich machte mich auf den Weg zu Rüya.

Ich klopfte zweimal, dreimal aber sie öffnete die Türe nicht. Ich machte mir Sorgen. Es ist zwar unhöflich reinzuplatzen aber meine Hand drückte automatisch die Türklinke runter. Im Zimmer konnte ich keinen sehen. Ich schaute  in ihrem Kleiderschrank und zuletzt in ihrem Bad rein. Ich konnte sie nirgends finden. Auf ihrem Bett sah ich einen Zettel. Ich setzte much auf das weiche Bett und öffnete das zerknüllte Blatt. Meine Augen überflogen das Geschriebene. Es war ein Abschiedsbrief von Rüya's Freund. Auf dem Blatt waren kleine Wölbungen zu sehen. Sie hatte geweint. Da es noch frisch war, war sie also noch vor paar Minuten hier. Ich schaute mich nochmal um und hörte irgendwo Wasser prasseln. Das kam aber nicht von ihrem Zimmer. Ich suchte weitere Zimmern ab. Die Geräusche wurden lauter. Meine Schritte schneller. Ich rief immer wieder nach Rüya. Meine Stimme hallte im ganzen Haus. Keine Antwort. Als ich die Türe gefunden hatte, wo das Geräusch herkam, klopfte ich nochmal. "Rüya! Rüya mach die Türe auf!" Wieder keine Antwort. Scheisse. Was mach ich jetzt? Was ist wenn sie sich was gemacht hat? Scheisse verdammt. "Rüya. Öffne die verdammte Tür!" Wild hämmerte ich dagegen. Ich hatte mir auch überlegt die Türe einzuschlagen aber so stark war ich nicht. "Emine Teyze!" Schnell rannte ich Treppen runter. In meinen Kopf schwirrten nur schlechte Ereignisse. "Emine Teyze!", rief ich diesmal lauter. Sie öffnete die Küchentüre und blickte fragend zu mir. "Emine Teyze hast du einen Ersatzschlüssel für alle Türen im Haus?" "Ja müsste ich haben Kind. Warum?" "Schnell. Ich brauche es bitte. Rüya, sie..." "Was ist mit ihr?",fragte sie aufgebracht. Ich konnte ihr nicht antworten, weil ich selber die Antwort nicht wusste. "Ich hole es." Sie rannte wieder in die Küche. "Beeil dich.", rief ich ihr noch zu und betete zu Allah. Hoffentlich ist ihr nichts passiert. Mein Körper war unter Adrenalin und Angst. Meine Finger zitterten. Warum macht sie die beschissene Türe nicht auf? Emine Teyze kam wieder aus der Küche und gab mir den Schlüssel. In Rekordzeit rannte ich die Treppen nach oben. Der verdammte Schlüssel wollte nicht in das Schlüsselloch dazu zitterten noch meine Finger. Als ich die Türe öffnete-
ich stand unter Schock und schaute Rüya's Körper an. Emine Teyze stand auch noch an der Türe.

Die dunkle SeiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt