Kapitel ~4~

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Am nächsten Morgen wache ich wie gewohnt um halb Sieben durch meinen Wecker auf. Augenblicklich muss ich an den gestrigen Abend denken. Es ist absurd und scheint so surreal zu sein und doch ist es wirklich geschehen... Ein mysteriöser Kerl hat uns das Leben gerettet.
Ich gehe ins Badezimmer um mir das Gesicht zu waschen und die Müdigkeit abzuschütteln. Als ich in den Spiegel sehe, bleibt mir vor Schreck fast die Luft weg. Was ich dort sehe, kann auf keinen Fall ich sein... Das Mädchen im Spiegel ist blass, beinahe schon leichenblass und ihr hängen die Haare strähnig ins Gesicht.
Zögernd lege ich die Fingerspitzen an den Spiegel, um sicherzugehen, dass es nur eine Illusion ist, doch es ist kein Trugbild. Im selben Moment kommt meine Mutter ins Badezimmer herein.

"Schätzchen ist alles in Ordnung?? Du siehst ganz blass aus! Bist du krank?"
"Mir geht es gut... Ist... Ist bestimmt nur der Schock von gestern Abend..."
"Bist du sicher? Ich kann sonst ganz schnell in der Schule anrufen und sa-"
"Nein Mom, ist gut. Mir geht's gut."
"Aber Av-"
"Mom bitte..."

Ich seufze. Sie will einfach nicht locker lassen aber es geht mir gut. Zumindest rede ich mir das ein, dass es mir gut geht. Aber krank fühle ich mich nicht wirklich. Mom steht noch für einige Minuten still im Türrahmen, bevor sie schliesslich nach unten in die Küche geht.
Ich widme mich wieder meinem Morgenritual und kehre dann in mein Zimmer zurück und fische ein paar Klamotten für heute raus. Das Wetter ist auf Regen vorbestimmt, daher beschliesse ich ein paar Röhrenjeans, ein dünnes, aber langärmeliges Sweatshirt und meine Jeansjacke dazu, welche innen mit einem flauschigen Pelz ausgestattet ist, zu nehmen.
Nach dem Frühstück packe ich alle meine Sachen zusammen, greife nach einem Regenschirm und mache mich auf den Weg zur Schule. Auf dem Weg dahin wird nach mir gerufen. Erst denke ich, es wäre Adam, aber als ich mich umdrehe, setzt mein Herz erstmal einen Schlag aus. Es ist nicht Adam, der nach mir ruft, sondern der Neue. Damien.

"Hallo Aria", begrüsst er mich, als er zu mir aufgeschlossen hat, nachdem ich wohl stehen geblieben bin. "H-Hallo...", bringe ich stotternd hervor. Wie auf Befehl setzen sich meine Füsse wieder in Bewegung, Damien neben mir her gehend. Woher kennt er meinen Namen? Warum redet er mit mir? Gestern schien er noch der Typ zu sein, den man bloss in Ruhe lassen sollte.
"Woher... kennst du... meinen Namen?", bringe ich mit brüchiger, schwacher Stimme hervor. "Ich hab ihn gestern auf dem Flur aufgeschnappt.", sagt er schulterzuckend.
"A-Auf dem Flur?? Aber Du... Du warst doch weit und breit... nirgends zu sehen!"
"Süsse, meine Augen und Ohren sind überall. Und wenn ich ein Auge auf jemanden geworfen habe, dann entgeht mir NICHTS!"
Er betont das 'Nichts' extra stark und kommt mir während dem Satz sehr nahe ans Gesicht, so dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren kann. Zusätzlich setzt er zwei Finger unter mein Kinn und hebt es an, so dass ich ihm in die Augen sehen muss.
Mich durchfährt ein angenehmes Kribbeln, welches von seinen Fingern ausgeht. Zudem steigt mir auch noch sein Geruch in die Nase. Er riecht irgendwie nach Zimt aber auch ein Hauch von Orange begleitet seinen Duft. Ich schliesse unbewusst die Augen und sauge den Geruch tief ein um ihn förmlich in mir aufzunehmen.
Als ich die Augen wieder öffne, ist er verschwunden. Aber seine Finger spüre ich nach wie vor noch immer an meinem Kinn. Ich fühle mich, als wäre ich gerade von einer Art Trance aufgewacht und schüttele den Kopf. Mittlerweile ist mir auch aufgefallen, dass ich schon wieder stehen geblieben bin.
Ich setze mich wieder in Bewegung, um zur Schule zu kommen. Irgendetwas an Damien ist anders, aber es ist auch faszinierend... und anziehend... und weckt meine Neugier. Laufe ich geradewegs auf etwas gefährliches zu, wenn ich mich mit ihm befassen werde? Vermutlich schon...

Auf dem Hof angekommen, suche ich erstmals nach Vera, kann sie aber nirgends sehen also gehe ich rein um im Flur nach ihr Ausschau zu halten, aber auch hier; Fehlanzeige. Keine Spur. 'Vielleicht ist sie ja schon in ihrem Klassenzimmer?' denke ich mir, während ich wieder einige Bücher aus meinem Schliessfach nehme.
Wieder steht Mathe auf dem Plan. 'Ich hasse Mathe!' Ich begebe mich ins Mathezimmer und setze mich auf meinen Platz. Zu meiner Überraschung sitzt Damien heute nicht am anderen Ende des Zimmers, sondern direkt hinter mir.
Ich versuche ihn gar nicht zu beachten, aber das ist leider leichter gesagt als getan, denn ich spüre wie sein Blick mich förmlich durchbohrt und er jeden Quadratzentimeter meines Körpers aufs genaueste unter die Lupe nimmt.
Es fühlt sich an, als würde er versuchen, in mich und meinen Kopf einzudringen... Ich versuche, mich mit grösster Anstrengung auf die Aufgaben zu konzentrieren, die wir allein lösen sollen, welche auf der Wandtafel vorgegeben sind. Die Luft fühlt sich plötzlich eiskalt, ja gar eisig und mega dünn an. Und es kommt mir ewig lang vor, bis es endlich klingelt und ich den Raum schlagartig verlassen kann.

Bei meinem Schliessfach angekommen, lege ich gewisse Bücher wieder zurück und gerade, als ich es schliesse, taucht neben mir, ein lässig an die Schliessfächer lehnender Damien auf. Natürlich erschrecke ich mich aufgrund seines plötzlichen Erscheinens und zucke dementsprechend zusammen.
"Um Himmelswillen!" entfährt es mir währenddessen.
"Was denn Süsse? Hast du einen Geist gesehen?" scherzt er. "Nein aber... dein plötzliches und äusserst UNERWARTETES Auftauchen hat mich erschreckt!"
"Oh, das tut mir aber Leid!"
In seiner Stimme ist der Sarkasmus kaum zu überhören. Ich kenne ihn kaum, aber irgendwie geht er mir jetzt schon auf die Nerven. Dennoch fühlt sich ein ganz kleiner Teil in mir zu ihm hingezogen. Es ist mir unerklärlich, daher versuche ich, diesen Teil von mir zu verdrängen und ganz tief in meinem Innersten wegzuschliessen.
Ich habe einen Freund, der mich liebt, und den ich über alles liebe!
"Was willst du eigentlich?"
"Eigentlich... Ach, nichts besonderes ausser..." Er kommt mir näher. Wieder so nah, dass ich seinen Atem spüren kann. "Dich" flüstert er mir leise ins Ohr, was mir am ganzen Körper Gänsehaut bereitet. Das entgeht ihm nicht, und aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, wie ein Grinsen seine vollen Lippen ziert.
"Wie bitte?"
"Du hast mich schon verstanden Süsse"
"Für wen hältst du dich eigentlich?!" Was fällt ihm ein??
"Ich? Nun ein charmanter, sexy, verführerischer Junge, der immer kriegt, was er will, das ist, für was ich mich halte." sagt er und er schenkt mir noch ein Lächeln, welches mich wahnsinnig macht, bevor er in Richtung des Klassenzimmers geht. 'Was für ein arroganter Idiot!!!'
Gezwungen durch den Stundenplan folge ich ihm in denselben Raum und setze mich an meinen Platz und lasse die Stunde über mich ergehen. Während der ganzen Geschichtsstunde kann ich Vera jedoch nirgends entdecken. Nach dem Unterricht beschliesse ich, ihr eine SMS zu schreiben, wo sie sei.

'Hey Vera, wo bist du?? Habe dich gar nicht auf dem Hof oder in Geschichte gesehen?'
'Hey Aria, sorry bin krank, mir ging's heute Morgen ganz mies'
'Oh... Na dann... Gute Besserung...'

Super, Vera ist krank. 'Wie soll ich den Tag überstehen?' 'Vielleicht kann ich aushelfen?' Überrascht und verwirrt zugleich sehe ich mich um. Keine Menschenseele ist zu sehen, ich bin vollkommen allein auf dem dunklen Flur. Ich starre wieder auf mein Handy.
Plötzlich höre ich Schritte und mein Kopf schnellt wieder nach oben und ich sehe mich um. Aber es ist immer noch niemand zu sehen. Im nächsten Moment steht jedoch Damien schon wieder neben mir.
"Na Süsse?"
"Kannst du es mal bitte lassen mich Süsse zu nennen?! Ich bin bestimmt nicht deine Süsse!!!" fahre ich ihn wütend an, da es mir auf die Nerven geht.
"Na gut, soll ich dich stattdessen Princess nennen? Oder Babe? Oder wie wär's mit Babygirl?? Also mir persönlich gefallen alle Übernamen abe-"
"Gar nichts davon! Ich bin weder deine Süsse, noch deine 'Princess', dein 'Babe' und schon GAR NICHT dein 'Babygirl'!!! Ich habe einen Freund, falls du das noch nicht mitbekommen hast!!!"
Ein schwaches Grinsen schleicht sich auf sein Gesicht, denn seine Mundwinkel rutschen nach oben.
"Ach dann entscheide ich eben selbst... Aber das ist so schwer!" stöhnt er.
"Wenn du mich schon nervst und mit mir redest, dann nenn mich bei meinem Namen! Aria!" keife ich genervt.
"Holla da fährt aber jemand die Krallen aus! Wie wär's mit Marie? Von den Aristocats? Weil Aria klingt wie eine weit entfernte Abkürzung der Aristocats und das Katzenmädchen heisst ja Mar-"
"Schon verstanden, Mister Schlaumeier! Bleib bei Aria, oder sprich nicht mit mir!" brumme ich da er mir wirklich tierisch auf die Nerven geht.
'Bitte verschwinde und lass mich in Ruhe!!!', denke ich mir.
'Süsse so schnell wirst du mich nicht los, glaub mir.'
"Was zum...?!" "Was ist?" Damien schaut mich unschuldig an.
"Warst du gerade... irgendwie in meinem Kopf oder warum hab ich deine Stimme in meinem Schädel gehört?!"
"Ich weiss gar nicht wovon du redest!" Unschuldig hebt er nun die Hände um seine Aussage glaubwürdiger zu unterstreichen. Aber ich glaube ihm nicht wirklich...

Unsterbliche LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt