Die Unterwelt

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Die Schrift auf den Glastüren lies bereits vermuten, dass wir dort nicht willkommen waren. Auf ihnen stand: KEINE ANWÄLTE. KEIN HERUMLUNGERN. KEINE LEBENDEN. Über den Türen war mit goldener Schrift in schwarzen Marmor DOA-AUFNAHMESTUDIOS eingraviert. Die Rezeption wimmelte nur so von Leuten und hinter dem Sicherheitsschalter saß ein ziemlich brutal aussehender Wächter mit Sonnenbrille und einem Ohrstöpsel. Es war schwer vorstellbar, aber dieser Mann war Charon der Fährmann. Sollten wir ihn nicht irgendwie dazu bringen uns in die Unterwelt zu bringen, dann wäre unsere Reise vollkommen umsonst gewesen und wir hätten wertvolle Zeit verloren um den Ophiataurus zu suchen.

Wie gingen hinein und mein erster Gedanke war, wie trostlos es dort aussah. Leise Musik strömte aus verborgenen Lautsprechern, der Teppich und die Wände waren stahlgrau und in den Ecken ragten schmale Kakteen auf wie Skeletthände. Die Möbel waren allesamt aus schwarzen Leder und jeder Platz war besetzt. Die Leute, die ich von draußen gesehen hatte, saßen auf Sofas, standen herum, starrten aus dem Fenster oder warteten vor dem Fahrstuhl. Und das alles taten sie ohne zu reden, sich zu bewegen oder überhaupt etwas zu machen. Das und die Tatsache, dass man durch sie hindurch sehen konnte, war ein Hinweis darauf, dass sie keineswegs am Leben waren. Allein durch diesen Umstand lief es mir eiskalt den Rücken runter. Das Schaltpult von Charon stand auf ein Podest, aber das war nicht das worüber ich mir Sorgen machte. Charon war groß und elegant mit schokoladenbraune Haut und ganz kurz geschorene, gebleichte blonde Haare. Seine Sonnenbrille war aus Schildpatt und er trug einen italienischen Seidenanzug. Eine schwarze Rose war unter dem silbernen Namensschild an seinem Revers befestigt. Percy ging stumpf auf den Typen zu. >Charon, wir müssen in die Unterwelt<, meinte Percy ganz locker, so als würden wir uns ein Taxi bestellen oder so. Charon sah uns einen nach den anderen an, dann fragte er:

>Wie seit ihr denn gestorben? <

>Gar nicht. Wir müssen zu Hades<, entgegnete Percy. Daraufhin runzelte Charon die Stirn und betrachtete Percy genauer.

>Dich kenne ich doch. Du bist dieser Halbgottspross von vor ein paar Jahren< Percy nickte einfach nur. >Bist du eigentlich total verrückt oder einfach nur strohdoof? Kein Halbgott geht so oft - freiwillig, wohl gemerkt - in die Unterwelt wie du. Was willst du denn jetzt schon wieder da?<, fragte Charon und er klang wirklich interessiert.

>Wir müssen mit Hades reden. Worüber musst du nicht wissen<

>Frech, wie eh und je. Na ja, da Hades sowieso schon mit eurem Besuch gerechnet hat, kann ich euch ja übersetzen. Allerdings nur gegen Bezahlung< Ich sah Charon an. Seine Bemerkung darüber, dass Hades uns bereits erwartet hatte, verhieß überhaupt nichts Gutes. Percy gab Charon vier Drachmen, für jeden von uns eine, und wir folgten Charon zum Fahrstuhl. Die Geister versuchten nach unseren Kleidern zu greifen und flüsterten Dinge wie: Nimm mich mit oder Hilf mir, ins Leben zurück zukommen. Am schlimmsten fand ich allerdings das was ein Geist insbesondere murmelte: Gefahr! Dreht um, solange ihr noch könnt! Hades wird euch in Stücke reißen. Kehrt um! Bevor ich auch nur reagieren konnte schob Charon die Geister aus dem Weg und machte eine Schneise zum Fahrstuhl frei. >Was wollen die Geister von uns?<, fragte Fabian Charon.

>Das sind Schnorrer. Sei froh, dass du sie nicht verstehen kannst Halbblut. Sie würden dir nur Flausen in den Kopf setzen, gefährliche Flausen<, antwortete Charon. Sei froh, dass du sie nicht verstehen kannst?, fragte ich mich. Das ließ vermuten, dass es eigentlich nicht möglich war die Seelen zu verstehen, dass ich es doch konnte war bestimmt kein gutes Zeichen. Wir stiegen in den Fahrstuhl ein, in dem waren bereits zahlreicher Geister und warteten wahrscheinlich auf Charon, der sie übersetzen sollte. Charon schloss die Fahrstuhltüren, schob eine Schlüsselkarte in einen Schlitz und dann ging es abwärts.

Es ging eine Zeitlang einfach nur nach unten, dann änderte der Fahrstuhl plötzlich die Richtung und fuhr vorwärts. Es wurde nebelig und die Geister um mich herum veränderten sich. Ihre Kleidung begann zu flimmern und verwandelte sich in graue Kutten mit Kapuzen, während der Boden des Fahrstuhls anfing zu schwanken. Ich sah zu Charon und hätte beinahe aufgeschrien. Sein italienischer Anzug war nun ein langer schwarzer Umhang, doch das war nicht das erschreckendste an ihm. Seine Brille war verschwunden und dort wo seine Augen hätten sitzen sollen, klafften leere Höhlen, die vollkommen schwarz waren, als würden seine Augen den Tod und die Verzweiflung, die er jahrelang gesehen und erlebt hatte, wiederspiegeln. Langsam wurde das Fleisch in seinem Gesicht durchsichtig bis man nur noch seinen Schädelknochen sehen konnte.

Für den Olymp - Das Kind der Verbindung      *wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt