Die Flucht

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Ihr ahnt gar nicht, wie schnell man seine Meinung ändern kann. Ich hatte erst vorhin gesagt, ich hätte mir keine Sorgen darum gemacht ob ich getötet werden würde, und innerhalb so kurzer Zeit habe ich beschlossen, dass ich damit falsch lag. Mein einziger Gedanke war: Ich will nicht in der Unterwelt sterben. Ja ... so leicht kann man sich irren, was?

Als wir von allen möglichen Geister-Soldaten umstellt waren, wäre ich gerne davon gerannt. Aber das konnte ich nicht und selbst wenn ich es gekonnt hätte, wäre es verfrüht gewesen, denn bevor irgendjemand auch nur etwas sagen konnte, stürmte jemand in den Garten. >Vater!<, schrie der Junge. Er war derselbe wie aus meinem Traum: Nico di Angelo.

>Nico, was tust du hier?<, fragte Hades seinen Sohn ziemlich ungehalten. Percy, Annabeth und Fabian drehten sich ruckartig um.

>Nico!<, rief Percy erstaunt.

>Hallo, Percy<, meinte Nico und wich Percys Blick sorgfältig aus. >Vater, lass sie gehen. Du musst sie nicht töten, sie können nichts für die Taten ihrer Eltern. Lass sie gehen, dann ... dann werde ich dir auch bei deinem Plan helfen< Nico schien mit dieser Entscheidung nicht gerade glücklich zu sein, ganz im Gegenteil zu Hades. Der schien sich diebisch darüber zu freuen, dass Nico dazu bereit war ihm bei seinem Plan zu helfen. Dennoch schüttelte er den Kopf.

>Ich glaube, du überschätzt dich bei weitem, Nico. Du wirst mir bei meinem Plan so oder so helfen<, meinte Hades gelassen. Während Hades versuchte einen Lachanfall zu unterdrücken, als er die bestürzte Reaktion von seinem Sohn sah, steckte Percy jeden von uns eine der Perlen zu.

>Sobald es kritisch wird, werft ihr eure Perle auf den Boden<, flüsterte er uns zu. Ich wollte gerade einwenden, dass es bereits kritisch war und wir uns am besten gleich aus dem Staub machen sollten, doch da schrie Hades aus voller Lunge los.

>Packt sie!< Niemand musste mir sagen das es jetzt an der Zeit war meine Perle zu benutzen.

Mit voller Wucht warf ich sie auf dem Boden und sah wie die anderen dasselbe taten. Allerdings schien Hades damit gerechnet zu haben, die Zombie-Soldaten hatten auf einmal Schusswaffen in der Hand. Woher zum Teufel hatten die die?, fragte ich mich selbst. Die Waffen schienen wie aus dem nichts aufgetaucht zu sein. Alle Waffen schossen auf einmal auf uns, aber bevor sie auf uns treffen konnten, formte sich um jeden von uns eine Blase, die jedes Projektil abwehrte. Das dachte ich jedenfalls bis ich einen Schmerzensschrei von Fabian hörte. Ich konnte nicht sehen wo man ihn getroffen hatte - ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass das nämlich der Fall gewesen war -, da wir uns in einem rasenden Tempo auf die Decke zu bewegten. Während Hades unter uns wutentbrannt schrie, konnte ich noch einen kurzen Blick auf Nico di Angelo werfen. Er sah zu uns hoch und ich hätte schwören können, dass er mir genau in die Augen sah. Ich blinzelte einmal, doch als ich wieder hinsah, war Nico verschwunden.

Während sich meine Perlen-Blase durch die Decke hindurch kämpfte - keine Ahnung wie eine Blase durch meterdickes Gestein schweben kann, unsere konnten es jedenfalls - war ich mehr als aufgelöst. Wen auch immer Percy suchte, Hades war der Meinung, dass ich dieser jemand war, was mich nicht gerade auf Hochstimmung brachte. Fabian saß vielleicht gerade in seiner Blase und war kurz davor zu verbluten. Nico war verschwunden, ganz so als hätte er sich in der Luft aufgelöst, bevor ich ihn hatte fragen können, wobei er seinen Vater helfen sollte. Ganz zu schweigen davon, dass Hades anscheinend wusste welche Bedenken ich hinsichtlich der Prophezeiung hatte, mal davon abgesehen, dass ich sogar zwischenzeitlich den Verdacht gehabt hatte, die Prophezeiung wäre von vornherein falsch gewesen. Dabei war ich mir sicher, dass Hades keine Gedanken lesen konnte, aber anders hätte er davon niemals Wind bekommen können. Meine Zweifel hatte ich die ganze Zeit für mich behalten, nicht einmal Hades' Geister-Spione hätten davon wissen können. Vielleicht hatte er das ganze ja nur erraten, aber das wäre ein echt schräger Zufall gewesen.

Das alles schoss mir durch den Kopf, als ich nur darauf wartete, dass meine Perlen-Blase den Grund durchstieß und ich sehen könnte, wie es den anderen ging, allen voran natürlich Fabian, schließlich war er verletzt worden. Als es dann so weit war, bekam ich einen so großen Schreck, dass ich schon dachte mein Herz würde aussetzen. Fabian lag ohne Anzeichen des Bewusstseins zusammengekrümmt in seiner Blase und ich will ehrlich sein, bei diesem Anblick drehte ich ein wenig durch. Ich bemerkte kaum wie ich in meiner Blase umgeben von unglaublichen Wassermassen in Richtung der Oberfläche schwebte, wie die anderen mir zuriefen, ich solle mich beruhigen - was, nur mal so nebenbei bemerkt, sowieso schwachsinnig war. Wer beruhigt sich schon, wenn ein alter Freund, den man von klein auf kannte, kurz davor war zu sterben? - oder wie ich selbst anfing wie eine Wahnsinnige zu schreien, womit ich mir selbst womöglich mehr Angst einjagte als den anderen. Ich meine, ich war nun wirklich nicht die Sorte Mädchen, die bei der kleinsten Ungereimtheit gleich anfing zu kreischen. Dennoch hörte ich damit erst auf, kurz bevor meine Perlen-Blase die Oberfläche durchstieß und ich dafür sorgen musste, dass ich über Wasser blieb. Hektisch sah ich mich um. Annabeth war da, dass selbe galt für Percy, was ja auch irgendwie logisch war, schließlich konnte er sogar unter Wasser atmen. Ich wollte mich gerade beruhigen, als mir auffiel das jemand fehlte. Von Fabian war weit und breit nichts zu sehen.

Innerhalb einer Sekunde wechselten meine Gefühle zwischen Erleichterung, Wut, Unglauben und Fassungslosigkeit. Jetzt mal ganz ehrlich, wie kann man so schnell vergessen, dass jemand bewusstlos und verletzt war? Ich war doch wirklich ein vollkommener Idiot. Ohne recht darüber nachzudenken holte ich tief Luft und tauchte unter. Zuerst sah ich gar nichts, bis mir aufging, dass man schlecht etwas sehen konnte, wenn man die Augen geschlossen hatte. Also zwang ich mich dazu die Augen zu öffnen, es ging hier schließlich um Fabians Leben! Nachdem ich einige Sekunden, die sich angefühlt hatten als wären es Stunden, lang versuchte mich zu orientieren, sah ich einige Meter tiefer und etwas seitlich von mir den bewusstlosen Fabian im Wasser treiben. So schnell ich konnte arbeitete ich mich zu ihm vor und packte ihn an einem seiner Arme. Eins kann ich euch sagen, versucht niemals einen Bewusstlosen allein aus dem Wasser zu ziehen um ihn vor dem Ertrinken zu retten. Zu zweit geht es bestimmt leichter, aber am besten wäre es, es gar nicht so weit kommen zu lassen. Fabian war sogar im Wasser zu schwer für mich, vor allem, wenn ich nur einen seiner Arme packen konnte, ganz zu schweigen davon, dass mir allmählich die Luft ausging. Jeder vernünftige Mensch würde jetzt einwenden, dass ich eine Nachfahrin von Poseidon war und damit ja eigentlich, genau wie Percy, unter Wasser atmen und das Wasser beherrschen sollte. Allerdings erschien mir das hier nicht gerade der beste Zeitpunkt zu sein um festzustellen, ob ich problemlos einatmen konnte, denn wenn das nicht der Fall war würde nicht nur ich hier absaufen sondern Fabian gleich mit. Also tat ich einfach das was mir gerade einfiel, ich versuchte mich wenigstens so weit nach oben zu arbeiten damit Fabian zur Wasseroberfläche treiben konnte.

Ihr habt doch mit Sicherheit schon einmal gehört wie manche Menschen in Extremsituationen plötzlich übermenschliche Taten vollbrachten, oder? Tja, wie sich herausstellte war ich nicht so ein Mensch. Meine Kräfte verließen mich bereits auf halben Weg zur Oberfläche, aber ich würde nicht so schnell aufgeben. Möglicherweise müsste ich doch versuchen die Kräfte, die ich eigentlich von Poseidon bekommen haben müsste, einzusetzen, denn so beschissen mein Leben auch war, ich wollte es nicht verlieren, davon mal abgesehen, dass ich nicht für Fabians Tod verantwortlich sein wollte. Bevor ich es mir anders überlegen konnte, öffnete ich meinen Mund und atmete tief ein.

Zu meiner eigenen Überraschung verschluckte ich dabei allerdings nicht einen einzigen Tropfen Wasser, ganz im Gegenteil! Meine Lungen füllten sich mit Sauerstoff. Ich hatte keine Ahnung wie das möglich war, aber es schien fast so, als würde ich den Sauerstoff aus dem Wasser hinausfiltern. Kurz war ich deswegen ehrlich erleichtert. Ich würde nicht ertrinken, zumindest nicht wegen Sauerstoffmangel. Mein Glücksgefühl erlosch allerdings genauso schnell wieder wie es gekommen war. Fabian kann immer noch sterben, wenn ich mich nicht beeile, rief ich mich zur Ordnung. Da ich mir nun keine Gedanken mehr darüber zu machen brauchte möglicherweise zu ertrinken, konnte ich mich voll darauf konzentrieren mit Fabian an die Wasseroberfläche zu kommen. Ich zog seinen schlaffen Körper gerade so hoch um problemlos meine Arme von hinten unter seine zu schieben und ihn so vor mir festzuhalten. Mit aller Kraft strampelte ich mit meinen Beinen im Wasser. Ich kam zu langsam voran, dass wusste ich. Also hielt ich mit meiner rechten Hand Fabian an seinem linken Arm fest, sodass ich ihn mit meinem rechten Arm an mich drückte und ihn so ganz fest hielt. Meinen linken Arm jedoch benutzte ich zusätzlich dazu um vorwärts zu kommen. Nach einer halben Ewigkeit, zumindest fühlte es sich so an, durchstieß ich endlich die Wasseroberfläche.



Für den Olymp - Das Kind der Verbindung      *wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt