1.Kapitel. Ganz allein

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In dem Moment tippte jemand Avina auf die Schulter. Sie drehte sich um und sah in das Gesicht eines jungen Mannes der sie streng und zu gleich glücklich ansah.
"Prinzessin wir haben Euch endlich gefunden."
Er trug denselben Umgang, wie die Männer ihres Bruders, doch gehörte er offensichtlich nicht zu ihnen, denn sie hatten schon vor Stunden die Stadt verlassen und Avina hatte sich sicher gefühlt. Nun war ihr der Schock deutlich anzusehen.
Selina hingegen lachte.
"Prinzessin? Ich glaube du verwechselst sie."
Doch es verging ihr, als sie Avinas Gesicht sah. Selinas Augen weiteten sich ungläubig.
"Avina? Sag, dass das nicht wahr ist."
Avina sah sie schuldbewust an.
"Das kann ich nicht."

Selina sah sie fassungslos an. Sie rührte sich nicht. Das war alles ein schlechter Scherz. Sie versuchte Augenkontakt mit ihrer Freundin aufzunehmen, doch Avina hielt den Blick auf den Boden gerichtet. Jetzt wurde sie sauer. Richtig sauer. Sie zügelte das Pferd unter ihr, das ihre Wut spürte und immer unruhiger wurde. Das durfte alles nicht wahr sein. Sie dachte, es sei alles offenbart zwischen ihnen, doch Avina hatte ihr das Wichtigste verschwiegen. Sie war die gottverdammte Prinzessin! Sie knurrte Avina an. Diese hob den Kopf, sodass Selina ihre tränenverschleierten Augen sehen konnte. Selina empfand nichts, rein gar nichts mehr, außer maßlose Enttäuschung und blinde Wut. Der junge Mann trat heran und wollte gerade etwas sagen, aber Selina fuhr ihn gnadenlos an.
"Wenn du jetzt etwas sagst, schwöre ich dir, dass ich dich töten werde."

Er schrak zurück und Avina zuckte zusammen. Selina hielt das Schweigen ihrer Freundin nicht aus, trieb das Pferd zum Galopp an und preschte zum Stadttor hinaus. Sie ritt blind vor Tränen über Stock und Stein. Sie bremste nicht einmal ab, als sich ihr Rudel ihr anschloss, jedoch mit der schnellen Stute nicht mithalten konnte. Irgendwann bremste das Pferd schließlich von selbst ab und blieb stehen. Sie fand sich in einem kleinen Wäldchen wieder und stieg ab.
"Hier kann ich für die restliche Nacht bleiben", dachte sie und zündete ein Feuer an. Anschließend sattelte sie die Stute ab und machte sich daran die Satteltaschen zu durchsuchen. Zwei Decken, ein Trinkschlauch und etwas Trockenfleisch waren darin enthalten. Sie nahm sich die Decken heraus, breitete sie neben dem Feuer aus, setzte sich darauf und starrte ins Feuer. In der Ferne jaulte ein Wolf und sie war sich sicher, dass das Rudel morgen früh neben ihr liegen würde. Sie spürte eine Leere in sich, die sie seit dem Tod ihrer Eltern nicht mehr erlebt hatte. Da sie zu müde war, um noch einen klaren Gedanken zu fassen, legte sie sich auf die Decke und schlief ein.

Als sie wenige Stunden später aufwachte, wusste sie, dass ihre Wölfe neben ihr lagen. Sie spürte Fell an ihrem Arm und sie setzte sich auf. Ihr Rudel hatte sich um herum verteilt, wahrscheinlich um sich gegenseitig zu wärmen. Selina stand auf und die Erinnerungen des vergangenen Tages sprangen ihr ins Gedächtsnis. Wie Avina sie angeschaut hatte. Es war furchtbar gewesen. Und Nathaniel. Sie musste Nathaniel finden und ihm alles erklären. Avina war wahrscheinlich mit dem Mann mit gegangen und Nathaniel wusste nichts von alldem.
Sie brachte die Wölfe mit einem Bellen dazu, sich aufzurappeln und sich auf sie zu konzentrieren. Sie ging zu der Stute zurück, legte ihr den Sattel und das Zaumzeug an und stieg auf. Sie war nicht allzu weit von der Stadt entfernt und lenkte die Stute auf die Stadt zu. Dann trieb sie das Tier zu einem schnellen Galopp an und ritt zurück.

Sie ritt durch das Tor und begann ihre Suche nach Nathaniel. Nach einigen Stunden erfolglosen Suchens gab sie auf. Er schien wie vom Erdboden verschluckt. Sie ritt auf den Marktplatz und schaute sich um. Der Stand, den sie umgeworfen hatte, lag immernoch auf der Seite. Was sollte sie jetzt tun? Rastlos stieg sie ab und lief auf dem Marktplatz umher. Die Stute lief brav hinter ihr her. Selina hoffte, dass einer ihrer Freunde wieder auftauchen würde, doch Nathaniel war seit seiner Begegnung mit den Magiern verschwunden und von Avina fehlte nun auch jede Spur.
Plötzlich spürte sie, dass etwas hinter ihr stand. Es war groß und wirkte bedrohlich. Langsam und um nichts aufzuschrecken drehte sie sich um. Was sie sah, erschreckte sie sehr. Drei der fünf Männer, die Nathaniel gestern verfolgt und gejagt hatten, standen hinter ihr. Sie drehte sich wieder um. So schnell, dass sie es selbst kaum realisierte sprang sie auf das Pferd und gab der Stute die Sporen. Sie preschte los und Selina versuchte sie durch die Gassen auf das Stadttor zu lenken, doch als sie dort ankam, stellten sich die anderen beiden Männer ihr in den Weg und führten irgendeine Magie aus, die eine Art Mauer aus grünem Licht erschienen ließ, doch es war zu spät um die Stute noch zu bremsen. Sie knallten gegen die grüne Lichtmauer und das letzte was sie sah, war wie sich alle fünf Männer über sie beugten, dann verlor sie das Bewusstsein.

Sie träumte von einem blutbeflecktem Mamorboden und einem großen Mann mit grauem Haar und gelben Augen. Er hatte eine Krone auf dem Kopf und saß auf einem goldenen Thron der eine samtene Sitzpolsterung hatte. Sie betrachtete ihre Umgebung genauer und ihr fielen die hohe Decke und die vielen wunderschönen Kronleuchter auf. Sie blickte in eine der Ecken des Raumes und sah einen kleinen Berg von Leichen. Sie schrie erschrocken auf, hielt sich aber, dann schnell den Mund zu und blickte sich um. Niemand hatte sie gehört. Keiner der anwesenden Menschen sah auch nur zu ihr. Ein erleichterter Seufzer entfuhr ihren Lippen und sie sah, wie ein ängstlich wirkender Mann hereinkam und vor dem Mann auf dem Thron auf die Knie fiel.
"Sie sind fast da, euer Hoheit.", stotterte er. Der Mann auf dem Thron lachte. Doch dies war kein fröhliches Lachen, es war grausam, gemein und voller Brutalität. Schließlich sagte er: "Lasst sie eintreten!"
Der Diener überschlug sich fast, um aus diesem Raum herauszukommen, doch die Wachen ließen ihn nicht gehen. Der König schnappte sich das Schwert, das neben seinem Thron lehnte und ging langsam auf den Diener zu. Der Diener wurde von den Wachen nach vorne geschubbst, sodass er auf die Knie fiel. Der König lachte wieder sein grausames Lachen und hob das Schwert. Dem Diener blieb keine Zeit mehr um aufzuschreien. Der König schlug ihm den Kopf ab, ohne mit der Wimper zu zucken, trat gegen den langsam ausblutenden Körper und befahl seinen Wachen, den leblosen Körper auf den Haufen zu werfen.
"So und jetzt warten wir nur noch auf unseren zweiten Gast. Der erste dürfte in wenigen Minuten eintreffen."
Selina wachte mit einem Schreien auf.

Larwenia 2- Queen Of Raven and DustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt