2.Kapitel. Empfangen mit blutroten Teppich

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Avina hatte Selina mit tränenüberströhmten Gesicht hinterher gesehen. Nun war sie selbst außerhalb der Stadt. Avina wurde zum wiederholten Male durchgeschüttelt und stieß sich den Kopf.
"Diese verfluchte Kutsche!", rief sie aus und konnte sich die Schlaglöcher bildlich vorstellen, die für ihre unruhige Fahrt sorgten. Sie hasste es so durchgeschüttelt zu werden und die stickige Luft die im Inneren von fast allen Kutschen auf sie lauerte. Doch was hätte sie tun sollen?
Sie konnte diese Männer nicht einfach töten und Selina hasste sie nun sowieso. Vielleicht war es für alle besser, wenn sie zurück in den Palast ging. Und dennoch fühlte sie sich wie ein Vogel im goldenen Käfig. Genau wie in der Woche, bevor sie weggelaufen war. Ihre Mutter war zu ihr gekommen und wollte mal wieder ein Gespräch führen. Avina kannte solche Gespräche schon. Eine Prinzessin sollte kein Schwert besitzen und sich nicht so benehmen, bla bla bla. Sie hasste diese Gespräche, doch sie war sie gewohnt, aber dieses hatte ihr die Luft zum Atmen genommen. Ihre Mutter meinte, sie wäre jetzt schon achtzehn und es wäre höchste Zeit sie zu verheiraten. Die meisten Prinzessinen taten das schon mit sechzehn, aber Avina hatte nicht die geringste Lust, als Machtsicherung an den meistbietenden Schnösel verschachert zu werden. Ihre Mutter versuchte ihr einzureden, in Sondra würde es ihr gut gehen und dieser König würde ihr alle Wünsche von den Augen ablesen. Aber ohne sie! Sondra war ihr schon immer viel zu heiß und der König war fett, verwöhnt und viel zu alt! Es war eine absolute widerliche Vorstellen, ihn zu heiraten und allein beim Gedanken, was eine Heirat mit sich führte, bekam Avina einen Würgereiz. Ihre Eltern meinten, eine Allianz mit dem Nachbarland würde sie stärker gegen Xadrien machen, aber das war unnötig. Bis auf ein paar Dämonen wurden sie noch nie angegriffen und die entzogen sich im Normalfall den Wünschen oder Befehlen irgendwelcher Könige. Nur weil es immer öfter zu Übergriffen kam, hieß das nicht das ihre Nachbarn etwas planten.
Ein Klopfen gegen die Kutsche riss sie aus ihren Gedanken und eine Stimme verkündete:
"Prinzessin wir sind gleich da."
Sie waren scheinbar die ganze Nacht im vollen Tempo durchgefahren und auch den nächsten Tag, anders konnte Avina nicht erklären, dass sie schon ankamen. Sie blickte aus dem kleinen Fenster. Es wurde bereits wieder dunkel und sie konnte die Silhouette des Schlosses erkennen. Es ragte auf einem Berg über die Bäume hinaus und seine Feuer glühten bereits in Erwartung der dunklen Nacht. Sie fuhren den Hügel hinauf und durch das offene Tor. Es war eigentlich immer offen. Es war schließlich seit Jahrzehnten nicht mehr zu Auseinandersetzungen gekommen.
Die Kutsche bremste und die Tür wurde geöffnet. Avina stieg aus und der Mann der von der Kutsche sprang, bat sie ihm zu folgen. Sie konnte sich schon mal auf die Moralpredigt ihrer Eltern vorbereiten. Die grauen Gänge der Burg kamen ihr heute besonders dunkel vor. Es war still. So unsagbar still, dass ihre Schritte in ihren Ohren dröhnten. Vermutlich hatten ihre Eltern einen wahren Tobsuchtsanfall erlitten, dass die Dienerschaft sich nur blicken ließ, wenn es nötig war. Irgendwie hatte sie ein ganz ungutes Gefühl. Der Kutscher öffnete die eisenbeschlagene Tür aus schweren Eichenholz die in den Thronsaal führte.
Avina trat ein, tief durchatmend mit halb geschlossenen Augen in Erwartung der schlimmsten Moralpredigt ihres Lebens. Sie sah auf, als sie in der Mitte des Saales angekommen war und ein luftzerreißender Schrei entwich ihrer Kehle und schallte durch den Raum. Ihr Herz sprang fast aus ihrer Brust und ihre Augen füllten sich mit Tränen die ihr bald in kleinen Bächen über die Wange liefen. Avina zitterte am ganzen Körper und die Tür wurde zugeschlagen. Der Weg zurück war versperrt und der vor ihr gesäumt von Leichen. Überall zur rechten und linken Seite des Teppichs der zum Thron führte, lagen tote Soldaten. So viele, dass der einst tiefblaue Teppich sich blutrot gefärbt hatte. Doch der schlimmste Anblick erwartete sie auf den drei Stufen vor dem Thron. Dort lag blutüberströhmt ihre Mutter. Ihr schwarzes Haar klebte durch das Blut in ihrem Gesicht und ihre Augen waren noch immer vor Angst weit aufgerissen. Noch schlimmer war der Anblick ihres Vaters. Sein Kopf befand sich kaum noch auf seinen Körper. Avina wäre fast zusammengebrochen und musste sich gegen die Säule lehnen. Sie starrte nach oben auf die funkelnden Krohnleuchter und die verzierten Decken im Versuch diese Bilder zu verdrängen. Es gelang ihr jedoch nicht. Übelkeit übermannte sie. Sie fühlte sich wie in einen Albtraum gefangen.
Ein raues unfreundliches Lachen, ohne jegliche Freude, ließ sie die Aufmerksamkeit wieder zurück auf die schreckliche Szenarie vor dem Thron richten. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sich dort noch jemand befand.
Ein großer Mann mit langen grauem Haar und unnatürlich gelben Augen. Er trug die Krone ihres Vaters auf dem Kopf und saß auf seinem goldenen Thron. Seine dunkle Robe passte nicht in den hellen Thronsaal mit dem weißen Mamorboden. Zuerst packte Avina die blanke Angst. Sie nahm ihr jegliche Handlungsmöglichkeit. Avina konnte weder sprechen noch denken, doch dann wich die Angst langsam einer blinden Wut. Hatte dieser Mann ihre Eltern ermordet?
Ihre Hand wanderte automatisch zum runden Knauf ihres Schwerts und von dort hinunter zum Griff. Sie zog die Klinge mit einen Ruck heraus und rannte auf den Mann zu, der sich so dreist auf den Thron ihres Vaters gesetzt hatte. Weit kam sie jedoch nicht. Sie hatte die Wachen hinter sich ganz vergessen. Sie hatten ihre Umhänge mit dem Wappen ihrer Familie fallen lassen und hielten sie nun fest. Sie gehorchten dem Mann der sich nun vom Thron herunter begab und lachte:
"Sei nicht so töricht! Du wirst mich nicht töten können. Deine Eltern sind bereits an dieser Aufgabe gescheitert." Er beugte sich grinsend zu ihr herunter.
"Sag mir Mädchen, willst du enden wie sie? Ich sehe so ein kleines Ding wie dich nicht als Bedrohung aber wenn du es darauf anlegst, werde ich dich mit Vergnügen von deinem Kopf befreien. Also sag willst du mir Ärger machen?"
Avina sah ihn verstört an. Sie war im Moment nicht in der Lage seine Frage zu verarbeiten als er jedoch verlangte, dass sie gefälligst antworten solle, schüttelte sie den Kopf.
"Was soll ich schon tun?" Ihre Stimme war kaum ein Hauch. Sie kam sich so unglaublich hilflos vor. Sie war ganz allein. Nathaniel hatte sie zuerst verloren. Dann Selina ... ihre Eltern und nun auch noch ihre Freiheit. Sie hatte nichts mehr und es kam ihr vor als könnte sie nichts dagegen tun.

Larwenia 2- Queen Of Raven and DustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt